"Klauseln bleiben selten geheim"

Von Daniel Reimann und Benjamin Wahlen
Max Eberl beerbte einst Christian Ziege als Sportdirektor bei Borussia Mönchengladbach
© getty

Nach Max Kruse hat sich Borussia Mönchengladbach in diesem Sommer nun auch Andre Hahn vom FC Augsburg geholt. Sportdirektor Max Eberl spricht im Interview über entscheidende Faktoren bei Transfers, die Crux mit Ausstiegsklauseln sowie das neue Gladbacher Selbstverständnis. Außerdem: Weshalb er Marco Reus den Sprung zu Barcelona zutrauen würde.

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SPOX: Herr Eberl, wie oft werden Sie in Interviews noch auf Berti Vogts angesprochen?

Max Eberl: Zuletzt fast gar nicht mehr. Wir haben im letzten Winter ein großes gemeinsames Interview gegeben und davor auf Rainer Bonhofs 60. Geburtstag hatten wir die Sache bereits begraben.

SPOX: Vogts hatte einst gemutmaßt, Sie seien nur Sportdirektor bei Gladbach geworden, weil Sie gerade zufällig mit dem Fahrrad vorbeigefahren waren. Verspüren Sie mittlerweile Genugtuung?

Eberl: Nein. Die Sache ist aus der Welt geräumt. Ich freue mich einfach über das Geleistete. Damals steckten wir im Abstiegskampf und mussten viel Kritik ertragen. Dass wir in den letzten drei Jahren zweimal den Europacup erreicht haben, zeigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind.

SPOX: Auch Sie selbst haben sich als Sportdirektor Respekt verschafft. Was macht denn einen guten Sportdirektor aus?

Eberl: Ob gut oder nicht: Ich kann da nur über meine eigenen Richtlinien sprechen. Mir ist wichtig, ein Team um mich herum zu formen, das mit mir gemeinsam Entscheidungen trifft. Zugleich muss ein Klub eine sportliche Konzeption haben, die unabhängig von Personen existiert. Eine Strategie, die man konsequent verfolgt und nicht beim ersten Zwischenfall umfällt. Entsprechend dieser Philosophie müssen Entscheidungen getroffen werden. Wir in Gladbach rücken unsere eigene Akademie in den Vordergrund. Wir wollen Talente in Europa finden und die zu Top-Spielern machen, was uns in der Vergangenheit oft gelungen ist. Und natürlich braucht man auch den richtigen Trainer.

SPOX: In der Vergangenheit ist es Gladbach trotz seiner geringeren Reputation im Vergleich mit Top-Teams oft gelungen, begehrte Spieler zu holen. Wie holen Sie solche Spieler nach Gladbach?

Eberl: Wir zeigen den Spielern auf, was wir mit ihnen vorhaben. Wir sehen uns die Spieler sehr gut an, das merken sie auch. Wir müssen sie sehr gut kennen, denn Gladbach kann sich nicht sehr viele Fehlgriffe leisten. Die Spieler sehen, wie wir mit ihnen planen. Dazu haben wir mit Blick auf den Trainer und die Entwicklung der letzten Jahre gute Argumente. Talente können bei uns mittlerweile den Weg gehen, den sie früher nur bei den vermeintlich großen Teams gehen konnten. Sie können Nationalspieler werden oder zu den ganz großen Klubs wechseln. Bei Gladbach wissen sie, dass sie auf jeden Fall reifen, dass sie besser werden. In dieser Hinsicht sind wir eine Tür zu Klubs wie Bayern, Dortmund oder sogar Barcelona.

SPOX: Versteht sich Gladbach als eine Art Zwischenstation für junge Talente?

Eberl: Nein. Wir lassen uns nicht als Ausbildungsklub abstempeln. Wir verfolgen eine Doppelstrategie. Einerseits haben wir den Klub aus dem Abstiegskampf nachhaltig in die Einstelligkeit und sogar in die Europa League geführt und wollen Gladbach weiter nach vorne zu bringen. Aber dieser Weg beinhaltet auch, dass große Klubs uns nach wie vor Talente wegkaufen. Dadurch bekommen wir sehr viel Geld, um uns wieder weiterzuentwickeln.

SPOX: Mit Andre Hahn hat sich Gladbach zuletzt ein begehrtes Talent geangelt - dank dessen Ausstiegsklausel. Wie erfährt man als Klubverantwortlicher von solchen Ausstiegsklauseln?

Eberl: Alles dreht sich um Informationen. Wer mehr Informationen hat, hat einen Vorsprung. Beim Transfer von Max Kruse wussten wir beispielsweise, dass er schon bei St. Pauli eine Klausel hatte. Also schien klar, dass er auch in Freiburg eine Klausel in seinen Vertrag integrieren lässt. Bei Andre Hahn haben wir uns ebenfalls entsprechende Informationen eingeholt. Das ist auch legitim, das ist heutzutage Gang und Gebe im Geschäft.

SPOX: Holt man sich denn diese Informationen aktiv und werden Sie oft auch von außen an einen herangetragen?

Eberl: Das ist unterschiedlich. Man hört viel, das muss auch nicht immer von den Protagonisten selbst stammen. Es gibt sehr viele Leute drum herum. Ausstiegsklauseln bleiben selten geheim, irgendwie kommen sie immer ans Tageslicht.

SPOX: Im Fall Marco Reus machte Dortmund damals von seiner Ausstiegsklausel gebrauch. Sie hatten ihn einst geholt. Hätten Sie ihm zugetraut, dass er in so kurzer Zeit einen solchen Weg geht?

Eberl: Reus besaß schon zu Zeiten bei Rot-Weiß Ahlen unglaublich großes Potenzial, das wussten wir. Man kann heute unumwunden sagen, dass sich dieses Potenzial bestätigt hat. Als wir den Vertrag mit Reus mit dieser extrem hohen Ausstiegsklausel verlängerten, haben wir gerade 3:3 gegen Bayern gespielt und waren Tabellenletzter. Das zeigt, dass er von unserem Weg überzeugt war.

SPOX: Allerdings nicht ohne Hintertürchen im Vertrag?

Eberl: Reus wollte die Möglichkeit haben zu wechseln, wenn einmal ein großer Verein kommt. Diese Ausstiegsklausel war wichtig, denn sonst hätte er womöglich gepokert und sein Vertrag wäre ausgelaufen. Dann hätten wir in die Röhre geschaut. Es war also ein gewinnbringendes Geschäft für alle Parteien. Aber für uns war viel entscheidender: Wir haben mitgeholfen, einen Spieler auf Weltklasse-Niveau zu bringen. Wenn man im Sommer 2012 Dante und Reus verliert und sie stehen sich zehn Monate später im Champions-League-Finale gegenüber, dann ist man schon stolz darauf und sagt sich: "Die Jungs haben wir entdeckt!"

SPOX: In spanischen Medien wird Reus oft als Wunschkandidat Barcelonas bezeichnet. Glauben Sie, dass er schon reif für diesen nächsten großen Schritt ist?

Eberl: Als Reus noch unser Spieler war, habe ich bereits gesagt, dass er das Potenzial für Klubs wie Barcelona hat. Wenn man seine Reife betrachtet, wie er Dortmund in der Rückrunde wieder auf Platz zwei gebracht hat, dann muss man feststellen, dass er auch jetzt schon das Potenzial hat, für Barcelona zu spielen. Wobei ich immer froh bin, wenn solche Spieler in Deutschland bleiben, weil sie der Bundesliga gut tun.

SPOX: Dortmund versucht derzeit, unter anderem Marco Reus durch eine Gehaltserhöhung die Ausstiegsklausel abzukaufen. Wäre das auch in Gladbach ein Thema?

Eberl: Man muss da unterscheiden: Dortmund hat mit der Wahrscheinlichkeit, weiterhin Champions League zu spielen, nochmal ganz andere Möglichkeiten, um seinen Spielern Ausstiegsklauseln abzukaufen. Es spielt ja nicht nur das Geld alleine eine Rolle, sondern auch die Möglichkeit, Champions League zu spielen oder Titel zu gewinnen. Ausstiegsklauseln sind aber auch ein entscheidender Fakt für die Entwicklung eines Teams. Wenn man bedenkt, dass wir für die Millionen für Marko Marin damals Reus, Neustädter und Arango verpflichtet haben, dann sieht man, inwiefern Marins Verkauf auch dazu beigetragen hat, dass Gladbach sich weiterentwickeln konnte.

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