Endlich angekommen

Ralf Fährmann (l.) zeigte gegen den BVB ein überragende Leistung
© getty

Das momentane Hoch des FC Schalke 04 hat einen Namen: Ralf Fährmann hat sich vor dem Duell gegen die Hertha (Fr., 20.30 Uhr im LIVE-TICKER) als unentbehrlicher Rückhalt der Königsblauen etabliert. Der Keeper musste lange auf seine Chance warten - doch mittlerweile stellt er sogar Manuel Neuer in den Schatten.

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"Mannomann", schnaufte Dortmunds Boss Hans-Joachim Watzke in den Katakomben des Signal Iduna Parks einmal kräftig durch. Gerade hatten sich der BVB und Schalke im Derby torlos getrennt. Chancen für den Sieg waren Seitens der Gastgeber zwar zur Genüge vorhanden, ein Mann stand einem Tor für Schwarz-Gelb aber ein ums andere Mal im Weg.

Die Rede ist von Ralf Fährmann, der sich im zweiten Anlauf bei Königsblau zu Schalkes neuer Bank zwischen den Pfosten entwickelt hat - und im 144. Aufeinandertreffen der Pott-Klubs zur herausragenden Figur wurde.

Viel war in den vergangenen Wochen bereits über den 25-Jährigen geredet worden. Beim 1:6 gegen Real, der 1:5-Klatsche gegen die Bayern, dem 1:3 gegen die Königlichen im Rückspiel - immer war Fährmann bester Schalker, immer hielt Fährmann überragend. Gegen den BVB gab es für seine Mühen endlich etwas Zählbares.

Im Schatten von Neuer

Der gebürtige Chemnitzer, der bereits mit 15 bei Schalke anheuerte, stand bei den Königsblauen von Beginn an im Schatten des zwei Jahre älteren Manuel Neuer. Während sich der jetzige Schlussmann der Bayern zur unangefochtenen Nummer eins mauserte, blieb Fährmann nur die Zuschauerrolle.

So wagte er im Sommer 2009 den Schritt zu einem anderen Verein. Bei Eintracht Frankfurt wollte das hochgelobte Talent, dem ähnliche Fähigkeiten wie Neuer nachgesagt wurden, endlich spielen. Endlich das zeigen, was er so gut konnte, sich endlich in der Bundesliga beweisen.

Doch selbst in Hessen verfolgte Fährmann das immer gleiche Problem. "Ralf nimmt eine gute Entwicklung", bilanzierte der damalige Eintracht Coach Michael Skibbe: "Aber er ist kein Neuer". Lediglich 19 Mal stand er in zwei Jahren für die Eintracht zwischen den Pfosten, der "Ewige" Oka Nikolov hatte die Nase meist vorne.

Böses Ende der Bilderbuch-Geschichte

Nach dem Abstieg mit der Eintracht 2011 verließ Fährmann die Hessen - dank einer Rückkehrklausel wieder Richtung Schalke. Neuer hatte sich gerade gen Bayern verabschiedet, Fährmann witterte seine Chance - und als der verlorene Sohn zurück nach Gelsenkirchen kam, deutete alles auf eine Bilderbuch-Geschichte hin.

Schon im ersten Saisonspiel, dem Supercup gegen den BVB, stand er im Tor. Der frischgebackene Meister aus Dortmund war klar überlegen, doch Fährmann rettete Schalke ins Elfmeterschießen. Dort avancierte der Neuzugang zum Matchwinner, parierte die Schüsse von Ivan Perisc und Kevin Großkreutz und bescherte den Knappen den Titel über den verhassten Rivalen.

Doch so märchenhaft seine Rückkehr an die alte Wirkungsstätte begann, so abrupt musste Fährmann den wohl größten Rückschlag seiner Karriere hinnehmen. Am neunten Spieltag riss sich er sich im Heimspiel gegen Kaiserslautern das Kreuzband und der Traum vom Stammkeeper-Dasein auf Schalke war vorerst ausgeträumt.

Ralf Fährmann und Manuel Neuer im Vergleich

Der Bundesliga nicht gewachsen?

Horst Heldt verpflichtete ad hoc Ex-Nationalkeeper Timo Hildebrand, der mit Nachwuchs-Torwart Lars Unnerstall das Erbe Neuers ausfechten sollte. Fährmann blieben wieder einmal nur die Zuschauerrolle, eine lange Reha und Einsätze in der zweiten Mannschaft.

Wie und ob es überhaupt mit Fährmann weiter gehen würde, war zu dieser Zeit nicht klar. Immer wieder sprach man dem jungen Torwart die Nervenstärke für die Bundesliga ab. Im Klub soll es sogar Überlegungen gegeben haben, das "Projekt Fährmann" aufzugeben, er sei der psychologischen Belastung nicht gewachsen. Auch er selbst kam ins Grübeln. "Zwischendurch hatte ich schon einmal kurz über einen Wechsel nachgedacht, vielleicht einen Schritt zurück zu machen", sagt er rückblickend.

"Manch anderer wäre zerbrochen"

Aus dem Schritt zurück sind mittlerweile einige nach vorne geworden. Fährmann biss sich durch die schwierige Zeit und wird als Schalkes Nummer eins mittlerweile mit Lob überschüttet - auch für seine mentale Stärke. "Er hat eine lange Leidenszeit hinter sich", so S04-Manager Heldt. "Manch anderer wäre daran sicherlich zerbrochen."

Auch teamintern gilt der Torwart als unumstritten. Julian Draxler gab zu Protokoll, er fühle sich "sehr gut, wenn er bei uns im Tor steht". Für Kevin-Prince Boateng ist Fährmann der beste Keeper hinter Neuer, die Gegner würden beim 1,93-Hünen sogar Angst haben, auf das Tor zu schießen.

Auch beim ärgsten Rivalen aus Dortmund werden Fährmanns Leistungen honoriert. " Wir hätten gewinnen müssen", bilanzierte Mats Hummels nach dem 144. Derby. "Aber Ralf ist ein super Torwart. Es ist verdient, dass er sich durchgesetzt hat."

Neue Ikone für die Fans

Die Fans feiern ihre neue Torwart-Ikone wo es nur geht. Fährmann hebt ob des vielen Zuspruchs aber nicht ab, im Gegenteil. "Für solche Momente lebt ein Fußballer. Man macht alles dafür, dass man den Respekt von den eigenen Fans bekommt", sagte er nach dem Spiel gegen den BVB. "Und dafür liebe ich den Verein auch so sehr."

Die vielen Lobpreisungen scheinen dem 25-Jährigen fast schon unangenehm zu sein. Fährmann ist schüchtern und bescheiden, nach dem Dortmund-Spiel wich er Fragen zu seiner fantastischen Leistung aus. Natürlich werde er selbst gut schlafen können, am wichtigsten sei aber, "dass ich die Mannschaft im Spiel halten konnte".

"Besser als Neuer"

Königsblau, so scheint es, hat endlich die Lücke geschlossen, die Neuer mit seinem Wechsel zu Bayern hinterlassen hat. Auch die als sicher geltende Verpflichtung von Fabian Giefer wird seinen Stammpatz nicht gefährden. "Ein Abschied ist gar kein Thema", stellte Coach Jens Keller klar. "Wenn er weiter diese Qualität abruft, müssen wir über diese Position in der nächsten Saison ganz und gar nicht sprechen."

"Mannomann", schnaufte also Watzke in den Katakomben des Signal Iduna Parks kräftig durch. Kurz nachdem sich sein BVB und Schalke torlos getrennt hatten und Ralf Fährmann einem Tor für Schwarz-Gelb ein ums andere Mal im Weg stand. "Das war besser als Manuel Neuer vor zwei Jahren."

Ralf Fährmann im Steckbrief