"Er sollte Eier haben und sich stellen"

Von Interview: Jonas Schützeneder
Zurück zum Fußball: Georg Koch will künftig als Torwart-Trainer arbeiten
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SPOX: In Eindhoven haben Sie unter Dick Advocaat gearbeitet, später unter Otto Rehhagel und Erik Gerets. Wer hat Sie am meisten beeindruckt?

Koch: Schwer zu sagen. Rehhagel und Gerets waren auf jeden Fall sehr starke Persönlichkeiten, die viel Eindruck gemacht haben. Am meisten habe ich aber Alex Ristic zu verdanken. Er hat mich ungemein gefördert und aus mir einen Bundesliga-Torhüter gemacht.

SPOX: Sie selbst galten damals als starke Persönlichkeit, teilweise auch als unbequem.

Koch: Das möchte ich nicht abstreiten. Ich bin sicher auch mal über das Ziel hinausgeschossen. Entscheidend war, dass ich immer gewinnen wollte. Das wusste auch jeder Verein. Wenn mich wer verpflichtet hat, dann mit der Gewissheit: Der gibt immer 150 Prozent.

SPOX: Außerdem sind Sie Aufstiegsexperte. Bei welchem der fünf war die Party am besten?

Koch: Schwer zu sagen. Eigentlich waren die größten Parties immer die, wenn der Klassenerhalt geschafft wurde (lacht). Aber wenn ich mich entscheiden muss, würde ich den Durchmarsch mit Fortuna Düsseldorf nennen. Der Verein war damals fast pleite, ohne den Aufstieg in die 2. Liga wäre er tot gewesen. Wir Spieler haben mehrere Monate keine Gehälter bekommen und sind deshalb noch enger zusammengerückt. Wir haben zusammen gefrühstückt und uns gegenseitig ausgeholfen. Wir waren jung und mussten öfter schauen, wie wir die Miete bezahlen. Da waren die beiden Aufstiege nacheinander einfach eine unglaubliche Befreiung, sowas gibt es heute nicht mehr.

SPOX: Gegen Ende Ihrer Karriere waren Sie bei Dinamo Zagreb aktiv. Die Zugabe Ihrer langen Laufbahn?

Koch: Auf jeden Fall. Kroatien war Wahnsinn. Erstmals nach dem Bürgerkrieg haben wir uns wieder für den internationalen Wettbewerb qualifiziert. Das war gewaltig. Wir sind seitdem Helden, noch heute muss ich meinen Kaffee nicht bezahlen, wenn ich dort unterwegs bin. Die Atmosphäre in den alten Stadien war Wahnsinn. Diese alten Betonschüsseln, die intensive Stimmung und dann diese Erfolge! Die Anerkennung dort ist bis heute überragend. Ich bin dort wie ein Politiker, wie Helmut Schmidt.

SPOX: Ihre Torhüter-Generation war von explosiven Typen wie Oliver Kahn und Jens Lehmann geprägt. Dagegen wirken die heutigen Torhüter teils wie unschuldige Jugendspieler, oder?

Koch: Natürlich hat sich das verändert. Aber man sieht sofort, dass die heutigen Keeper wie Manuel Neuer, Marc-Andre ter Stegen oder Bernd Leno alle eine großartige Ausstrahlung und Persönlichkeit haben. Mir wird da etwas zu viel interpretiert. Man wird nicht Weltmeister, weil man einen Spieler hat, der das Maul aufreißt, sondern weil man als Team zusammen gewinnt. Bayern hat alles gewonnen - angeführt von Bastian Schweinsteiger und Philipp Lahm, die das Team führen, ohne laut rumzubrüllen. Darum geht es.

SPOX: Stichwort ter Stegen: Ihr ehemaliger Kollege Jörg Stiel meinte kürzlich im SPOX-Interview, dass der Gladbacher stark genug für Barcelona ist und nach der WM dann auch an Neuer vorbeiziehen könne. Wie sehen Sie das?

Koch: Ich bin überzeugt, dass ter Stegen bereit für Barcelona ist. Er hat eine große Ruhe, spielt gut mit und macht kaum Fehler. Falls der Wechsel klappt und er wirklich spielt, wird es richtig spannend. Dann weiß Neuer, dass er einen starken Konkurrenten bei einem Top-Klub hat und wird sich dadurch selbst nochmal steigern.

SPOX: Den wohl größten Absturz erlebte derweil Tim Wiese. Er hat Sie damals in Kaiserslautern als Stammtorwart verdrängt. Warum ist er als Nationalkeeper in Hoffenheim gescheitert?

Koch: Es hat einfach nicht zusammengepasst. Tim ist mit seiner Art ein besonderer Torhüter. Ich vermute, dass er sich vor dem Wechsel nicht exakt genug gefragt hat, ob der neue Klub wirklich zu ihm passt. Ganz unabhängig davon, dass es sportlich nicht gelaufen ist, war das Umfeld wohl ein großes Problem. Ich bin gespannt, ob er nochmal zurückkommt.

SPOX: Angeblich hatte Wiese auch Angebote großer europäischer Klubs. Bei Ihnen ist damals ein Wechsel zum AC Milan geplatzt. Wie kam es dazu?

Koch: Das ist eine verrückte Geschichte. Es war 1997 und ich war kurz vor dem Nationalteam, als das Angebot aus Mailand kam. Ich war schon kurz vor einer Unterschrift und habe mich dann verletzt. Eigentlich hätte ich nach Italien fliegen sollen, lag aber mit einem Nasenbeinbruch und weiteren Frakturen im Krankenhaus. Der AC wollte danach erst den Heilungsverlauf abwarten und hat sich dann für eine andere Lösung entschieden. Ich bin dann nach Eindhoven gewechselt.

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