Von der Realität überholt

Von Stefan Rommel
Wohin geht der Weg für Robin Dutt und Werder Bremen?
© getty
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Nicht nur Ergebnisfußball

Kaum ein junger Spieler aus dem eigenen Stall schaffte es, in der Bundesliga Fuß zu fassen. Die zweite Mannschaft stieg sportlich zweimal in Folge ab und dümpelt seitdem in der Regionalliga Nord, ohne Perspektive auf den Aufstieg.

Es dürfe nicht nur Ergebnisfußball geboten werden, sondern "guter, attraktiver Fußball", formulierte es Dutt. Von den Verantwortlichen hat er mit auf den Weg bekommen, diese Leitlinien auch bei der U 23 und im Juniorenbereich zu implementieren, um die Talente von morgen an die Mannschaft heranzuführen.

Da hat er immerhin schon zarte Spuren hinterlassen, die Youngster Davie Selke und Martin Kobylanski bekamen schon Einsatzzeiten; Melvyn Lorenzen, Torben Rehfeldt und Julian von Haacke standen immerhin schon im Kader. Das sind erste Schritte, die es in Zukunft zu verfestigen gilt - sofern die Spieler denn die Klasse für gehobenen Profifußball besitzen. Auch das sind Kriterien, nach denen Dutts Arbeit bewertet werden muss.

Bayern ist nicht die Harlem Globetrotters

"Ich bin dann am Saisonende zufrieden, wenn ich die Dinge, die ich mir vorgenommen habe, umsetzen konnte. Die Mannschaft weiter bringen, den Nachwuchs stärken, meine Philosophie umsetzen. Das mache ich nicht an einem Tabellenplatz fest. So ist möglich, dass ich auf Rang zwölf zufrieden bin, auf Platz sechs jedoch unzufrieden", sagt er.

Das täuscht aber nicht über den momentanen Eindruck hinweg, dass Dutt selbst etwas verkrampft wirkt. Die Einordnung des 0:7-Niederlage gegen die Bayern fiel nicht besonders selbstkritisch aus. Es erinnerte eher an das Fazit nach einem Spaßspiel gegen die Harlem Globetrotters.

Wackeliges Konstrukt

Den Druck auf das Team, das letzten Samstag beinahe zweistellig vom Platz gefegt wurde, erhöht er damit deutlich. Im Kern bleibt stellt er sich weiter unbeirrt vor seine Mannschaft. "Die Fans können - unabhängig von dem Ergebnis letzte Woche - stolz auf ihre Jungs sein. Die Mannschaft hat immer ihr Bestes gegeben. Sie tut alles für den Verein. Ich stehe zu 100 Prozent hinter dieser Mannschaft."

Dutt weiß, dass er sich in der momentanen Lage vor allen Dingen auf eine gesunde Einstellung und den hartnäckigen Kampfgeist seiner Mannschaft verlassen kann und hebt diese Dinge deshalb besonders hervor. Er muss sich darauf verlassen. Dass das Konstrukt insgesamt aber auch fünf Monate nach seinem Amtsantritt noch sehr fragil daher kommt, wird er längst registriert haben.

Werder gehört zu den wenigen Klubs der Liga, die in den letzten drei Jahren deutlich öfter und zielgenauer trainieren konnten als der Rest. Seit Bremen nicht mehr international unterwegs ist, bleibt genug Zeit zur Übung. Weder das Tableau noch das Leistungsvermögen der Mannschaft weisen aber entsprechende positive Entwicklungen aus. Dass auch mit wenig einiges möglich ist, zeigen Klubs wie Mainz, Augsburg oder Freiburg. Das muss sich Werder ankreiden lassen.

Mittelfristige Lösungen gesucht

Trotz der momentanen Talfahrt sehen sich die Spieler auf dem richtigen Weg. "Wir sind froh, dass Robin Dutt da ist. Er hat uns gerade taktisch extrem weitergebracht. Ich habe letzte Saison und diese Saison miterlebt und sehe eine Entwicklung, die vielleicht nicht jeder sieht. Es war doch kein Zufall und kein Pech, dass wir letzte Saison 14. geworden sind", sagt Nils Petersen, auch ein wenig an die Adresse von Thomas Schaaf gerichtet.

Dass Werder derzeit ebenfalls nur auf Platz 14 firmiert, noch dazu mit fünf Punkten weniger und einem um 17 Treffer schlechteren Torverhältnis zum gleichen Zeitpunkt der Vor-Saison, verschweigt er dabei. Die gefühlte Wahrheit kann mit der Realität in Bremen derzeit nicht mithalten.

Die Frage, ob sich Werder schon wieder im Abstiegskampf befinde, stellte sich nicht, sagt Eichin. "Das ist eine blöde Frage." Aufsichtsratschef Wille Lemke bleibt ebenfalls gelassen und setzt auf die mittelfristige Lösung der Probleme.

"Es wird ein Team aufgebaut, das mittel- und langfristig wieder weiter oben angreifen kann. Das braucht Ruhe und Geduld. Wir sind im Augenblick drei, vier Punkte hinter dem, was wir uns vorgestellt haben. Nur das ist die Wahrheit", sagte er der "Kreiszeitung Syke". Eine Diskussion um Dutt und Eichin will Lemke nicht zulassen.

Lemke: "Genau die Richtigen geholt"

"Wir sind mit beiden total zufrieden - ohne Wenn und Aber! Ich bin mit allen absolut zufrieden! Wir haben in Thomas Eichin und Robin Dutt genau die Richtigen geholt." Die Mannschaft vergisst - die Fans nicht.Der Gegner am Freitag, vor einem halben Jahr noch Zweitligist, dient in der Bremer Wahrnehmung als Vorbild.

"Die Hertha wirkt sehr eingespielt, hat defensiv wie offensiv eine gute Qualität. Ich kann nur gratulieren, dass sie den Weg, den sie in der zweiten Liga begonnen hat, konsequent weitergeht", sagt Dutt, der seinen Weg zuletzt nicht immer konsequent gegangen ist, sondern sich hat beeinflussen lassen.

Das Spiel in Berlin bildet sozusagen den Abschluss der Partie gegen die Bayern. In der Nachbearbeitung hat Dutt seiner Mannschaft die ganz lange Leine gelassen, den Montag freigegeben, auf eine detaillierte Aufarbeitung per Video verzichtet. So, als ob nichts gewesen wäre. Die Mannschaft solle die Partie schnell vergessen.

Ein guter Vorsatz - der aber übersieht, dass die Fans diese Partie gegen die Bayern so schnell nicht vergessen werden. Die Stimmung, momentan angespannt, kann auch leicht kippen. Die Mannschaft muss jetzt ganz schnell liefern.

Am besten so wie in den guten Zeiten, als Werder immer dann stark war, wenn es mit dem Rücken zur Wand stand. "Nach dem 0:7 traut uns keiner mehr was zu", sagt Stürmer Petersen. "Diese Mäuler würden wir schon gerne stopfen."

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