Probleme mit dem Handwerk

Von Patrick Völkner
FIFA-Referee Christian Dingert im Einsatz bei Hoffenheim gegen Gladbach
© imago

Von A wie Aytekin bis Z wie Zwayer - im Rahmen unseres faktenbasierten Schiri-Check analysieren wir auch in der Saison 2013/14 die Entscheidungen der Unparteiischen und geben einen Überblick über ihr Leistungsniveau: Welche Schiedsrichter haben überzeugt? Welche Referees sind von der Erstliga-Tauglichkeit derzeit weit entfernt?

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Dass die Unparteiischen auch zu Beginn der neuen Saison oft im Mittelpunkt der Diskussionen standen, hing vor allem mit einem Fragenkomplex zusammen: Hand oder nicht? Elfmeter - ja oder nein?

Die mit zahlreichen Auslegungsproblemen behaftete Handregel gibt derzeit großen Gesprächsbedarf und prägt die Wahrnehmung der Schiedsrichter in der Öffentlichkeit.

Doch neben korrekter Regelkenntnis und -auslegung gehört vor allem besonnenes Auftreten, wie es FIFA-Novize Bastian Dankert beispielhaft vorlebt, zu den Qualitätsmerkmalen eines guten Schiedsrichters.

Zwei Fehlerlose und eine Enttäuschung: Das kann sich sehen lassen: Pro Partie leisteten sich die Schiedsrichter bis dato lediglich 0,67 Fehlentscheidungen. Dies bedeutet einen Aufwärtstrend gegenüber der Vorsaison, in der die Fehlerquote zum gleichen Zeitpunkt bei 0,79 lag. Die Verbesserung drückt sich auch in der Durchschnittsnote aus: 2,97 gegenüber 2,99 nach dem 8. Spieltag der Spielzeit 2012/13.

Besonders stark präsentierte sich dabei neben Manuel Gräfe vor allem Felix Zwayer, der mit einer Durchschnittsnote von 1,7 derzeit die Schiri-Tabelle anführt. Beide Referees erlaubten sich an den ersten acht Spieltagen dieser Saison noch keine klare Fehlentscheidung und lieferten ausnahmslos überzeugende Leistungen ab.

Das ganze Gegenteil stellt zum jetzigen Zeitpunkt Günter Perl dar. In seinen vier Saisonauftritten erlaubte sich der 43-jährige Unparteiische einige mitunter hanebüchene Fehler. Beispielhaft steht seine Elfmeterscheidung für den SC Freiburg bei dessen Gastspiel in Leverkusen am 1. Spieltag: Ein Foulspiel von Bayers Bender an Sorg lag hier ganz offensichtlich nicht vor - Perl zeigte gleichwohl auf den Punkt. Mit der höchsten Fehlerquote von 1,8 und der schlechtesten Durchschnittsnote von 4,0 liegt Günter Perl denn auch auf dem letzten Platz des Rankings.

Handspiel: Für langwierige Diskussionen hat in den vergangenen Wochen vor allem die Auslegung der Handregel gesorgt. Immer wieder kam es zu fragwürdigen Handelfmeterentscheidungen, die den Eindruck einer uneinheitlichen Regelinterpretation hinterließen. Wann strafbares Handspiel vorliegt und wann nicht, scheint dieser Tage unklarer denn je.

Dabei stiftet das Kriterium der Vergrößerung der Körperoberfläche inzwischen mehr Verwirrung, als es Zweifelsfragen beantwortet. Die Auslegung variiert dabei nicht einmal mehr nur zwischen den verschiedenen Referees. Selbst in ein und derselben Partie kann dieses Merkmal von dem gleichen Schiedsrichter unterschiedlich interpretiert werden. So war Christian Dingerts Elfmeterentscheidung nach Marcelos Handspiel im Spiel der 96er gegen Augsburg (6. Spieltag) bei strenger Auslegung zunächst durchaus vertretbar. Warum er wenige Minuten später nach einer ähnlichen Aktion von Augsburgs Klavan vom Elfmeterpfiff absah, erschloss sich dann jedoch nicht mehr und wirkte bei Zugrundelegung der vorangegangenen Entscheidung völlig inkonsequent.

Auch FIFA-Schiedsrichter Wolfgang Stark unterlief am 7. Spieltag ein ähnlicher Fehler. Bei der Leitung der Partie zwischen Bayer Leverkusen und Hannover 96 sah er nach Hilberts Handspiel von einem Elfmeter ab, obwohl der Leverkusener den rechten Arm deutlich vom Körper abgespreizt und somit in unnatürlicher Weise die Körperoberfläche vergrößert hatte. Hier - wie auch in einigen anderen Fällen - zeigte sich, dass die Handregel dringend reformbedürftig ist, wenngleich populistische Forderungen, die jegliches Handspiel unabhängig von den Umständen sanktionieren wollen ("Hand ist Hand"), nicht zielführend sein dürften. Für den Anfang wäre es wohl schon hilfreich, die lebensfremden Begrifflichkeiten ("Vergrößerung der Körperoberfläche") durch einfachere Kategorien (z.B. "Abspreizen oder Ausstrecken der Arme") zu ersetzen.

So schwer sich die Unparteiischen derzeit bei der Verhängung von Handelfmetern tun, so stark präsentieren sie sich, wenn es darum geht, Schwalben zu erkennen und zu ahnden. Besonders hervorzuheben ist hierbei die Leistung von Peter Sippel am 8. Spieltag bei der Partie des VfB Stuttgart gegen Werder Bremen. Der Münchener Referee erkannte sowohl die Schwalbe von Ibisevic als auch die von Ekici und ahndete beide konsequenterweise mit Gelb. Sippels auch ansonsten fehlerfreie Leistung wurde mit der SPOX-Note 1,0 bewertet.

Kirchers Deja-vu: Höchst durchwachsen gestaltet sich die Saison bislang für den Schiedsrichter des Jahres 2012. Knut Kircher, in den letzten beiden Spielzeiten jeweils Bestplatzierter in unserem Schiri-Update, liegt nach mittelprächtigen Leistungen auf einem für ihn eher enttäuschenden 11. Platz (Durchschnittsnote 3,1).

Ausschlaggebend für sein verhältnismäßig schwaches Abschneiden sind vor allem seine letzten beiden Liga-Auftritte: So bewies er bei der Partie zwischen dem 1. FC Nürnberg und Borussia Dortmund am 6. Spieltag abermals seine Klasse, als er eine aufkommende Rudelbildung nach einem Gerangel zwischen Lewandowski und Nilsson mit souveräner Gestik bereits im Keim stickte. Andererseits musste er sich zwei klare Fehler ankreiden lassen, da beide Treffer auf irreguläre Weise zu Stande kamen. So ging dem von Marcel Schmelzer verwandelten Freistoß kein Foulspiel an Dortmunds Blaszczykowski voraus. Und Nilssons Ausgleichstreffer hätte sowohl wegen Abseitsstellung als auch wegen Handspiels die Anerkennung verweigert werden müssen.

Zwei Wochen später wiederholte sich das Schauspiel in der Begegnung zwischen Bayer Leverkusen und dem FC Bayern (8. Spieltag). Auch hier wusste Kircher durch besonnenes Auftreten und beschwichtigende Ansprache an die Spieler zu überzeugen, leistete sich aber wiederum zwei klare Patzer: Nach Topraks Ziehen gegen Thomas Müller hätte es genauso zwingend Elfmeter geben müssen wie in der Schlussminute Freistoß nach Ribérys Schubsen gegen Hegeler.

Trotz des jeweils überzeugenden Gesamtauftritts wurden beide Leistungen wegen der eklatanten Fehler mit der SPOX-Note 4,0 bewertet. Es wäre jedoch verfrüht, hier von einem Negativtrend zu sprechen. Knut Kircher gehört - dies hat er bei seinen ersten beiden Spielleitungen der Saison gezeigt - nicht nur wegen seiner Social Skills, sondern auch aufgrund seiner grundsätzlich geringen Fehleranfälligkeit nach wie vor zu den Besten seiner Zunft.

FIFA-Neulinge im Check: Aus Altersgründen werden zum Jahreswechsel Florian Meyer und Thorsten Kinhöfer aus dem Kreis der FIFA-Schiedsrichter ausscheiden. An ihre Stelle treten mit Bastian Dankert und Tobias Stieler zwei hoffnungsvolle Nachwuchskräfte, die sich laut Schiedsrichter-Chef Herbert Fandel "durch gute Leistungen" für diese Aufgabe "empfohlen" haben.

Im Falle von Tobias Stieler, der sich in der vergangenen Spielzeit nach überwiegend mäßigen Darbietungen auf dem letzten Platz der Schiedsrichter-Tabelle wiederfand, kommt die Berufung allerdings eher überraschend. Bislang fiel Stieler vor allem durch hohe Fehleranfälligkeit und mangelnde Souveränität auf.

In der neuen Saison scheint er sich nach einem schwachen Auftakt inzwischen gefangen zu haben. So wirkte Stieler bei seinem ersten Einsatz in der Partie zwischen Hoffenheim und Freiburg am 3. Spieltag abermals auffallend unsicher und leistete sich zwei klare Fehler (falsche Ampelkarte gegen Coquelin, unterlassene Verwarnung gegen Freiburgs Sorg) - SPOX-Note 4,5. Bei den Leitungen der Partien zwischen Bayern und Hannover sowie Bremen gegen Nürnberg machte er jeweils eine deutlich überzeugendere Figur. Beide Leistungen wurden mit der Note 2,5 bewertet.

Bastian Dankert, der erst im Jahre 2012 in die Gruppe der Erstliga-Referees aufgestiegen ist, hat bereits in seiner ersten Saison andeuten können, dass er eines der großen Talente der deutschen Schiedsrichtergilde darstellt. In der laufenden Saison hinterließ er jedoch einen eher durchwachsenen Eindruck. Im Spiel zwischen dem FC Bayern und dem VfL Wolfsburg gefiel er durch eine betont unaufgeregte Ansprache an die Spieler, leistete sich aber einen klaren Fehler: Schweinsteigers Schubsen gegen Diego stellte eine Tätlichkeit dar und hätte mit Rot (anstatt mit Gelb) geahndet werden müssen.

Mit der Durchschnittsnote 3,5 rangiert Dankert derzeit im unteren Mittelfeld der Schiedsrichter-Tabelle. Dennoch hat er sein Potential bislang schon erahnen lassen. Seine Berufung zum FIFA-Referee nach gerade einmal einer Saison mag daher früh kommen. Angesichts seines geradezu wohltuend unverkrampften Auftretens dürfte er aber der ideale Nachfolger von Florian Meyer werden.

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