"Financial Fair Play ist wie Kindererziehung"

Von Interview: Jochen Tittmar / Stefan Rommel
Stuttgarts Cacau hat aus seiner schweren Verletzung viel Positives für die Zukunft gezogen
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SPOX: In der Zeit vor dem Neustart waren Sie immer dann besonders stark, wenn Sie einem anderen Stürmer zuliefern konnten. An der Seite von Kevin Kuranyi und Mario Gomez hatten Sie Ihre beste Zeit beim VfB. Mit Vedad Ibisevic besteht hingegen noch Luft nach oben, oder?

Cacau: Seit Vedo bei uns ist, haben wir höchstens fünfmal miteinander von Anfang an auf dem Feld gestanden. So kann man seine individuelle Stärke natürlich nicht hundertprozentig entfalten und es entwickeln sich nicht diese Automatismen, wie es vielleicht mit Kevin oder Mario der Fall war. Natürlich hoffe ich, dass ich noch häufiger zusammen mit Vedo auflaufe und meine Stärken ausspielen kann.

SPOX: Das System mit zwei Angreifern dürfte Ihnen entgegen kommen, als einzige Spitze waren Sie nie so effektiv. Könnten Sie rein theoretisch Ihr Spiel jetzt noch einmal grundlegend umstellen?

Cacau: Ich finde, das ist gar nicht so sehr die Frage. Jeder Spieler hat Stärken und es muss das Ziel sein, diese zur vollständigen Entfaltung zu bringen. Ich habe mich als alleiniger Stürmer im Großen und Ganzen immer etwas schwerer getan, auch wenn es hin und wieder erfolgreich war. So wurden aber vielleicht nur 90 und nicht 100 Prozent meines Potenzials ausgeschöpft. Und das ist dann auf lange Sicht eben nicht optimal.

SPOX: Kommen wir zum neuen Trainer Thomas Schneider, der bisher "nur" Jugendtrainer war. Trotzdem scheint ihn die Mannschaft als Autorität schnell akzeptiert zu haben. Woran liegt das?

Cacau: Das neue Trainerteam tritt von Anfang an sehr authentisch und mit einem klaren Plan auf. Aufgrund der Kürze der Zeit haben sie uns natürlich noch nicht vollkommen mit ihren Vorstellungen überfrachtet. Das wird demnächst noch kommen, aber der neue Weg hat die Mannschaft schnell überzeugt. Wir waren uns alle einig, ab sofort ein Jetzt-erst-recht-Gefühl zu entwickeln und so die derzeitige Lage zum Guten zu wenden.

SPOX: Nach dem ersten Spiel unter Schneider stand direkt das Aus in der Europa League. Könnte das für ihn und den Verein vielleicht sogar besser sein, um sich nun häufiger eine gesamte Woche auf die Partien vorbereiten zu können und die Mannschaft somit schneller auf ein höheres Level zu hieven?

Cacau: Im Nachhinein kann man das bestimmt so auslegen. Dennoch wäre es für uns als Fußballer schön gewesen, wenn wir auch diese Saison auf internationalem Parkett vertreten gewesen wären. Daher war die Enttäuschung darüber schon riesig, aber wir müssen das nun so hinnehmen. Am Ende der Saison kann ich Ihnen die Frage dann vollständig beantworten (lacht).

SPOX: Etwas überraschend kam das Wiedersehen mit Alfons Higl, der nun wie schon zu Zeiten von Armin Veh Co-Trainer wurde. Welche Qualitäten besitzt Higl als zweiter Mann?

Cacau: Er war 2007 maßgeblich am Meistertitel beteiligt und ist auf taktischem Gebiet sehr kompetent. Ich bin überzeugt, dass er mit seiner Erfahrung dem Trainerteam weiterhelfen wird. Zu ihm kann man immer mal hingehen und diskutieren. Das macht die Zusammenarbeit mit ihm so angenehm.

SPOX: Eine Frage zur Nationalelf muss sein, es ist ja schließlich die Saison vor der WM. Wann gab es den letzten Kontakt zum Bundestrainer?

Cacau: Er hat mir Genesungswünsche übermittelt, als ich mich verletzt hatte. Seitdem haben wir uns nicht mehr gesehen, es bestand ja aber auch eigentlich kein Grund dafür. Ich möchte jetzt erst einmal schauen, dass ich wieder konstant an mein früheres Leistungsniveau anknüpfe, bevor ich an die Nationalmannschaft denke. Realistisch gesehen ist eine Rückkehr aber sehr, sehr schwierig geworden.

SPOX: Realistisch oder nicht - das war kürzlich der Anstoß der Diskussionen um den Wechsel von Gareth Bale zu Real Madrid. Halten Sie eine Ablösesumme von rund 100 Millionen Euro für einen Fußballspieler für angemessen?

Cacau: Die Verhältnisse zwischen dem Fußball und der Gesellschaft haben ja noch nie gestimmt. Ich muss ganz offen sagen, dass mir das in diesem konkreten Fall zu viel Geld und übertrieben ist. Natürlich haben sich die Zeiten verändert, aber es gab schon Spieler, die deutlich weniger als die Hälfte gekostet haben und nicht deutlich schwächer gewesen sind.

SPOX: Lässt sich diese Spirale überhaupt noch zurückdrehen?

Cacau: Ich frage mich schon, wie man dauerhaft das Überleben der vielen verschuldeten Vereine verantworten kann. Es scheint ja so zu sein, dass nur in Deutschland vernünftig gewirtschaftet wird. Das Financial Fair Play ist wie die Erziehung von Kindern: Man muss zeigen, dass man es ernst meint. Erst dann dürften sich die Klubs auch nicht mehr trauen, unseriös zu wirtschaften. Die Grundidee halte ich für sehr gut, nur muss es eben konsequent angewandt werden.

Zehn Jahre VfB Stuttgart: Cacau im Steckbrief