Super-Super-Revolutionär

100 Tage im Amt. 100 Tage Bayern München. Guardiola hat schon eine klare Handschrift hinterlassen
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Das verlorene Supercup-Finale hatte noch Nachwehen - daran änderte auch der 5:0-Sieg im Pokal bei den Amateuren von Rehden nichts. Vor allem Guardiola wirkte ein wenig angeschlagen und verspürte die Notwendigkeit, gegen sein Image als unbesiegbarer Heilsbringer vorzugehen. "Ich bin doch ein normaler Trainer, kein Super-Super-Trainer. Ich bin erst sechs, sieben Wochen hier. Ich bin nur 42 Jahre und nur fünf Jahre Trainer", sagte er bei einer Pressekonferenz. Wenige Tage später gab er noch einmal zu verstehen, dass er nicht der weltbeste Trainer sei. "Wir sollen jedes Spiel sieben oder acht zu null gewinnen. Das ist unmöglich", sagte Guardiola: "Ich weiß, in welchem Verein ich bin, das ist nicht einfach. Du musst immer gewinnen. Die ganzen Leute wollen immer mehr, mehr, mehr."

Der Auftaktsieg in der Bundesliga verschaffte Guardiola etwas Luft, aber die konteranfällige Bayern-Mannschaft ließ noch ein paar Fragen offen, die der neue Trainer zu beantworten versuchte. Dass Guardiola einfach Zeit brauchte, um seine Vorstellung vom Fußball in München durchzubringen, kam in dieser Phase wohl zu kurz. "Jupp Heynckes hat im ersten Jahr nichts gewonnen mit Bayern München. Punkt. Jupp ist ein super Trainer, überhaupt keine Frage. Aber er hat auch eine gewisse Zeit gebraucht. Jetzt sagt man: Pep Guardiola kommt hier her und bekommt keine Zeit. Das verstehe ich nicht", sagte Sportvorstand Matthias Sammer: "Er ist kein Zauberer, er arbeitet hart, er spricht extrem mit den Spielern in einem extrem gut verständlichen Deutsch."

Guardiola nach dem Gladbach-Spiel: Man on Fire

Der erste Titel, der Wendepunkt

Den ersten Titel der Saison verspielte des FC Bayern im nationalen Supercup, der zweite Versuch in der internationalen Version saß: Sieg im Elfmeterschießen gegen Chelsea, nachdem Javi Martinez erst in der Schlussminute der Verlängerung traf. Und der Sieg war wichtig: Weil die Bayern ihre Rechnung mit Chelsea begleiten konnten. Weil sie einen Titel holten, den sie noch nicht im Schrank hatten. Weil sie überhaupt einen ersten Titel in dieser Saison holten. Und weil Guardiola seine Privatfehde gegen Jose Mourinho mit einem Sieg quittieren konnte.

"Der Sieg war für den Trainer sehr wichtig", sagte auch Franck Ribery, der einen Tag zuvor zu Europas Fußballer des Jahres gekürt wurde. Ribery war es auch, der nach seinem Tor zum Ausgleich den Trainer auf der Bank bestürmte. Die Mannschaft war in diesem Spiel voll bei ihrem Trainer und bestätigte das, was Pep selbst zum Ausdruck brachte: Guardiola sagte, die Mannschaft würde ihm in jener Zeit mehr helfen als andersrum - er sollte recht behalten.

Es war nicht nur beim Torjubel mit Ribery und Pep eine emotionale Angelegenheit, sondern das ganze Spiel über. Wurden die Bundesliga-Spiele zuvor noch nach Vorschrift abgehalten, ging man in Prag an die Grenzen - und manchmal darüber hinaus. Die Bayern zeigten, wozu sie in der Lage sind, wenn sie wollen. Für Guardiola war es nach doch etwas schwierigem Start endlich ein Sieg, der die innere Ruhe bewerkstelligt hatte und eine erste Bestätigung lieferte. "Pep war grandios, er hat die Mannschaft geführt, moralisch, er hat einen tollen Job gemacht", lobte Sammer.

Und plötzlich läuft's...

Josep Guardiolas Bilanz an seinem 100. Arbeitstag: Elf Pflichtspiele, neun Siege, ein Remis und eine Niederlage. Das Zwischenzeugnis kann sich sehen lassen, zumal sich zuletzt auch die Ansehnlichkeit der Spiele verbesserte. Das 4:0 auf Schalke war für Guardiola "das beste Bayern-Spiel in dieser Bundesliga-Saison", zuvor besiegte seine Truppe ZSKA Moskau 3:0 mit Bravour. Die Automatismen greifen, Bayern ist auch längst nicht mehr so konteranfällig wie zu Beginn der Saison. "Ich habe gelernt, dass dies am wichtigsten ist", sagte Guardiola nach dem Schalke-Spiel.

Die Lernwilligkeit des Trainers gepaart mit der Lernfähigkeit der Spieler bringt den FC Bayern auf die nächste Entwicklungsstufe, denn auch die Spieler verstehen mittlerweile ihren Trainer. Mit großer Hilfe von Kapitän Philipp Lahm, dessen Mittelfeld-Rolle längst keine besondere Erwähnung mehr Wert ist. Lahm war es, der Guardiola als erster Spieler verstand und so bei der Entwicklung helfen konnte.

Der FC Bayern ist noch nicht auf dem Vorjahresniveau, das ist bei der mittelschweren Revolution des Trainers zu diesem Zeitpunkt auch nicht zu erwarten. Allerdings sind die Perspektiven vielversprechend, dass Guardiola das erreicht, was Uli Hoeneß vor einem Jahr Jupp Heynckes mit auf dem Weg gab: "So spielen wie der FC Barcelona."

Josep Guardiola im Steckbrief

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