"Das ist ja keine Mondphysik"

Von Interview: Benjamin Wahlen
Geht das Unternehmen Bundesliga gelassen an: Braunschweig-Manager Marc Arnold
© getty

2008 übernahm Marc Arnold beim damaligen Drittligisten Eintracht Braunschweig den Posten des Managers. Obwohl seit Jahren ein eiserner Sparkurs gefahren wurde, folgte im letzten Jahr überraschend der Aufstieg ins Fußball-Oberhaus. Im Interview mit SPOX spricht Arnold über den verfrühten Bundesliga-Aufstieg, Taktik-Fachmann Torsten Lieberknecht, sein Geburtsland Südafrika und die sprichwörtliche Sparsamkeit der Schwaben.

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SPOX: Herr Arnold, Sie sind in Südafrika geboren, haben das Land allerdings schon nach zwei Jahren wieder verlassen. Haben Sie noch Kontakt dorthin?

Marc Arnold: Nicht mehr viel. Zwei Cousins meiner Mutter leben noch dort. Kontakt besteht aber nur bei Familienfeiern.

SPOX: Über weitere Auslandsstationen sind Sie schließlich nach Deutschland gekommen und haben dort viele Jahre im Schwabenland gelebt, wo die Menschen einem Klischee zufolge geizig und sparsam sind. Ist diese Mentalität auch ein Teil Ihrer Philosophie als Manager? Immerhin fahren Sie mit Eintracht Braunschweig seit 2008 einen "eisernen Sparkurs".

Arnold: Inwieweit das, zumindest unterbewusst, Teil meiner Mentalität ist, kann ich gar nicht beurteilen. Es lag vor allem daran, dass der Sparkurs notwendig war, um den Verein wieder auf die Beine zu stellen. Umso besser, dass die sportliche Qualität darunter nicht gelitten hat. Im Gegenteil: Wir haben es mit diesen Rahmenbedingungen geschafft, in die Bundesliga aufzusteigen.

SPOX: Ein Bundesligaaufstieg ist Ihnen auch als Profi in der Saison 1997/98 mit Hertha BSC gelungen. Damals wurde die Mannschaft mit vielen neuen Spielern verstärkt, die am Anfang auch spielten. Siege fuhr die Hertha aber erst ein, als die "Aufstiegshelden" wieder in der Startelf standen. Ist eine eingespielte Mannschaft wichtiger als teure Stars oder Zukäufe?

Arnold: Das muss jeder für sich entscheiden. Wir sind der Meinung, dass das der richtige Weg für uns ist. Natürlich spielen auch die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen eine Rolle. Wir haben in den letzten Jahren sehr gute Erfahrungen damit gemacht, eine Mannschaft zusammenzuhalten und mit einer eingespielten Truppe aufzulaufen. Wichtig ist auch der Zusammenhalt im Team. Das war in den letzten Jahren immer unsere Stärke. Wir wissen aber auch, dass der Sprung in die Bundesliga nochmal eine Nummer größer ist. Die Qualität der Spieler ist dort viel höher. Es wird spannend sein zu sehen, wie weit wir in der Bundesliga mit unserer Philosophie kommen.

SPOX: In der dritten und zweiten Liga verfolgten Sie stets einen Drei-Jahres-Plan: Klassenerhalt - im Mittelfeld etablieren - oben anklopfen. Was ist für die nächsten drei Jahre geplant?

Arnold: Unser Drei-Jahres-Plan wurde jetzt ja bereits in der zweiten Liga verfehlt, weil wir schon nach zwei Jahren aufgestiegen sind (lacht). Wir werden dieses großartige Geschenk "Bundesliga", das wir uns erarbeitet haben, mit aller Kraft angehen und versuchen, eine gute Rolle zu spielen. Wir wollen uns weiterentwickeln und im Idealfall halten wir die Klasse.

SPOX: Die Entwicklung der Eintracht unter Ihrer und Torsten Lieberknechts Führung ist schnell vorangeschritten. An welchen Punkten orientieren Sie sich? Die Bundesliga ist den Trainer und für Sie als sportlicher Leiter ja Neuland.

Arnold: Das ist richtig. Wir versuchen uns an den Erfahrungen zu orientieren, die wir als aktive Spieler machen konnten. Natürlich sind die Rahmenbedingungen im Vergleich zur zweiten Liga anders: Die Zahlen haben phasenweise eine Null mehr, die Anfragen von Presse und Medien häufen sich. Aber das sind alles Dinge, die man schnell lernt. Das ist ja keine Mondphysik. So was entwickelt sich im Laufe einer Saison und damit haben wir auch kein Problem.

SPOX: Den Vergleich mit Vorjahres-Auf- und Absteiger Greuther Fürth hören Sie nicht so gerne. Schon eher gewisse Ähnlichkeiten mit Freiburg oder Mainz, die sich mit einer ähnlichen Philosophie in der Bundesliga etabliert haben. Können Sie sich von der Arbeit dieser Vereine etwas abschauen?

Arnold: Man beobachtet schon, wie Vereine das gemacht haben, die von den Rahmenbedingungen her vergleichbar sind. Es gibt aber kein Allheilmittel. Düsseldorf hat im letzten Jahr einen anderen Weg als Fürth eingeschlagen, viele neue Spieler verpflichtet und ist wieder abgestiegen. Am Ende des Tages ist es wichtig, dass du als Verein weißt, was und wohin du möchtest. Wir haben uns in Braunschweig entschieden, keine wirtschaftlich wilden Sachen zu machen, sondern alles sehr vernünftig und wohl kalkuliert umzusetzen. Wir wollen unseren eigenen Weg weiter gehen.

SPOX: Freuen Sie sich besonders auf den Niedersachen-Gipfel gegen Hannover 96 und das Derby gegen Wolfsburg?

Arnold: Wir freuen uns auf jedes Bundesligaspiel. Es ist aber klar, dass diese Spiele aufgrund der sportlichen Rivalität etwas ganz Besonderes für uns und unsere Fans sind. Wir hoffen, dass es sich für alle Beteiligten darauf reduziert und alle vernünftig miteinander umgehen.

SPOX: Gerade beim Duell gegen Wolfsburg treffen zwei unterschiedliche Philosophien aufeinander. Ein konstanter Sparkurs auf der einen, ein mächtiger Konzern und Geldgeber im Hintergrund der Mannschaft auf der anderen Seite. Eigentlich ein unfaires Duell, oder?

Arnold: Man muss neidlos anerkennen, dass sich der VfL Wolfsburg seit 1997 in der Bundesliga hält und, im Gegensatz zu anderen Vereinen, nie wieder abgestiegen ist. Natürlich sind wirtschaftliche Aspekte auf diesem Niveau auch ausschlaggebend, vor allem wenn man sieht, welche Umsätze Bayern München und Borussia Dortmund generieren. Da hat man die Möglichkeit, Spieler zu transferieren, die eine sehr hohe Qualität mitbringen. Aber damit beschäftigen wir uns derzeit nicht. Wir wissen, was wir hier haben und werden nie vergessen, wo wir herkommen.

SPOX: Können Sie sich denn vorstellen, auch mal einen Klub wie den VfL zu managen, wo man nicht so ganz genau auf das Geld achten muss?

Arnold: Damit habe ich mich noch nie beschäftigt. Ich habe meinen Vertrag in Braunschweig kürzlich bis 2017 verlängert und fühle mich sehr wohl hier. Wir haben ein vertrauensvolles Miteinander im Verein. Das nächste Jahr wird eine große Herausforderung, auch für mich persönlich. Was über 2017 hinaus passiert, darüber mache ich mir jetzt noch keine Gedanken.

SPOX: Torsten Lieberknecht wird von vielen Experten als Taktik-Fachmann wie Lucien Favre beschrieben. Andere sehen in ihm einen Motivationskünstler wie Jürgen Klopp. Sie kennen den Trainer bestens. Was ist Torsten Lieberknecht für ein Typ?

Arnold: Torsten Lieberknecht ist einer der Hauptprotagonisten des Erfolges der letzten Jahre. Welche Fähigkeiten oder Stärken er von anderen Trainern hat, kann ich nicht einschätzen. Er ist eine ganz eigene Marke und wird die Mannschaft auch in dieser Saison akribisch auf die einzelnen Bundesligaspiele vorbereiten. Er hat die taktischen Möglichkeiten und Variationen des Teams für die Bundesliga noch weiter erhöht. Wir werden uns als geschlossene Einheit präsentieren, ein unangenehmer Gegner sein und wollen vor allem zu Hause den einen oder anderen Großen ärgern.

Marc Arnold im Steckbrief