Das Duell: Genie gegen Innenverteidiger

Von Jochen Tittmar
Die universelle Allzweckwaffe des BVB: Kevin Großkreutz kann (fast) überall spielen
© getty

Aufgrund einer Operation an der Hüfte wird Lukasz Piszczek Borussia Dortmund wohl die gesamte Hinrunde über fehlen. Deshalb streiten sich nun Allzweckwaffe Kevin Großkreutz und Neuzugang Sokratis um den Platz als Rechtsverteidiger. Im Hintergrund züchtet die Borussia Erik Durm heran, den Trainer Jürgen Klopp aus einem bestimmten Grund für Dortmunds außergewöhnlichsten Spieler hält.

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"Ich bringe ihm ein bisschen Deutsch und ein paar Dortmund-Lieder bei. Dann erzähle ich ihm noch was vom Derby, damit er alles weiß, was er wissen muss." Kevin Großkreutz hat ein straffes Programm für seinen Zimmerkollegen Henrikh Mkhitaryan festgelegt. Zu schade, dass man dem Unterricht, den im Vorjahr Leonardo Bittencourt genießen durfte, nicht beiwohnen kann.

Großkreutz ist im Trainingslager im schweizerischen Bad Ragaz also auch als Integrationsbeauftragter gefragt. Auch wenn die Belegung der Zimmer wie gewohnt per Los entschieden wurde, trifft es sich ganz gut, dass Mkhitaryan den polyvalentesten aller BVB-Spieler an seiner Seite hat.

Ruf als Allzweckwaffe

Denn Großkreutz ist nicht nur der ideale Mann, wenn es darum geht, einem Neuzugang die schwarzgelbe Welt nahe zu bringen. Besonders in der abgelaufenen Spielzeit erarbeitete er sich den Ruf, auch auf dem Feld als Allzweckwaffe zu dienen.

Während er in seinen ersten beiden Spielzeiten in Dortmund fast ausschließlich im linken Mittelfeld zum Einsatz kam und dort bis zu acht Saisontore schoss, ist die Luft für ihn kontinuierlich dünner geworden. Der Transfer von Marco Reus verdrängte ihn dann vollends aus der Startformation. Großkreutz profitierte jedoch in dieser Zeit von seiner Spielintelligenz und der Eigenschaft, sich rasant an neue Umgebungen anzupassen.

So kam er außer im Sturm und der Innenverteidigung auf allen anderen Positionen zum Einsatz und machte dort meist solide Spiele, da es ihm gelingt, gewisse Defizite durch eine enorme Leistungsbereitschaft und einen großen Willen wettzumachen.

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Hätte sich Rechtsverteidiger Lukasz Piszczek nicht einer Operation unterziehen müssen, die ihn voraussichtlich die gesamte Hinrunde kosten wird, wäre Großkreutz' Weg in die erste Elf erneut ein weiter gewesen. Nun aber befindet sich das Trainerteam um Jürgen Klopp auf der Suche nach dem geeigneten Ersatz für den Polen, der sich in den letzten Jahren zu einem unverzichtbaren Element im BVB-Spiel gemausert hat.

Klopp: Großkreutz ist ein taktisches Genie

Den Kampf um die Piszczek-Nachfolge, das steht bereits fest, fechten Großkreutz und Neuzugang Sokratis gegeneinander aus. Schon gegen Ende der Vorsaison, als der von Hüftproblemen geplagte Piszczek in manchen Begegnungen eine dringend notwendige Pause verordnet bekam, vertrat ihn Großkreutz in der Viererkette.

Beim 3:1-Heimsieg gegen Hannover, als er die ersten beiden Treffer von Robert Lewandowski in Piszczek-Manier auflegte, absolvierte er seine beste Partie und bewies, dass er den komplexen Anforderungen auf dieser Position - mehr Spieler vor als hinter sich zu haben, andere Räume dicht machen zu müssen und dazu die gesamte Länge des Spielfelds zu nutzen - gerecht werden kann.

"Großkreutz ist ein taktisches Genie, der kann fast alles spielen", lobte Klopp den Dortmund Jung'. Auch Sokratis hat an der Weser einige Spiele auf der rechten Abwehrseite hingelegt und gezeigt, dass er als gelernter Innenverteidiger das Offensivspiel nicht nur aus Erzählungen kennt.

Allerdings besteht zwischen beiden Spielern ein Unterschied: Während dem Griechen auf dieser Position dann doch eher das Verteidigen entgegenkommt, ist Großkreutz ein Spieler offensiver Prägung. Für Klopp gilt es nun, den Akteur auszuwählen, der die Balance zwischen beiden Teildisziplinen dauerhaft am besten halten kann.

"Ich nehme die Rolle an"

"Wir denken nicht darüber nach, ob Kevin das spielen kann - wir wissen, dass er es kann", sagt Klopp. "Ich will spielen, egal wo. Ich bin da in der Bundesliga schon ein paarmal zum Einsatz gekommen und habe das immer gut gemacht. Das ist sicher eine Option", meint Großkreutz.

Er wird dabei im Hinterkopf haben, dass ihm die Piszczek-Pause eine große Gelegenheit bietet, sich womöglich auch langfristig in einer neuen Position festzubeißen. "Ich nehme diese Rolle an und ich finde es auch gut, dass ich so viele Positionen spielen kann. Es ist schon ein anderes Spiel als weiter vorne: Ich muss die Innenbahn oft zu machen, damit keinen Pässe in die Gasse gelangen. Man darf dort keine Fehler machen", sagt Großkreutz im Gespräch mit SPOX.

Eine Lösung mit Großkreutz hätte für Klopp den Vorteil, dass er Sokratis auf seinem Kerngebiet einsetzen und in der Innenverteidigung vom Saisonstart weg rotieren könnte.

Unabhängig davon, wer den Zweikampf bis zum Anpfiff der 51. Bundesligasaison für sich entscheiden wird, knüpft auch der Verein an den Piszczek-Vertreter die Hoffnung, damit nicht nur für die Zeit dessen Ausfalls eine ernsthafte zweite Option zu schaffen.

Im Vorjahr sah man sich dazu gezwungen, den leidenden Piszczek bis zum Champions-League-Finale durchschleppen zu müssen, da Großkreutz, der nun die gesamte Vorbereitung über als Rechtsverteidiger weiter geschult wird, noch keine gleichwertige Alternative darstellte.

Durm ist der "außergewöhnlichste Spieler" den der BVB hat

Langfristig erscheint es sogar möglich, dass mit Erik Durm ein Spieler aus der U 23 den Mann hinter Piszczek - so er denn nach seiner Genesung sofort wieder einsatzbereit ist - geben wird. 29 Tore erzielte der 21-Jährige in seinen letzten beiden Spielzeiten für den 1. FSV Mainz 05, ehe er im vergangenen Sommer zu den Amateuren des BVB wechselte - als Stürmer. Durm kam jedoch nicht nur im Angriff, sondern häufig auch im linken Mittelfeld zum Einsatz.

In einem Gespräch, dass bereits in der Rückrunde stattfand, verriet Klopp ihm den Plan, ihn zur neuen Saison ausschließlich als Rechtsverteidiger auszubilden. Mit diesem Hintergrund überrascht es dann auch nicht mehr, dass Durm in den ersten vier Testspielen der Profis die rechte Seite beackerte. "Er war Feuer und Flamme von dieser Perspektive", erzählt Klopp.

"Die ersten Spiele haben gezeigt, dass das Potential dafür da ist. Was das Körperliche angeht, ist er der außergewöhnlichste Spieler, den wir haben. Er hat unfassbare Werte und ist nicht nur ausdauernd, sondern auch sehr schnell. Das Einschalten in die Offensive funktioniert tadellos und in der Defensive hatte er viele gute Momente, aber er muss sich eben noch dran gewöhnen. Er ist jetzt in der Ausbildung."

Die wird er sowohl bei den Profis, als auch beim Team von David Wagner absolvieren. Ein ambitioniertes Projekt, das für Klopp spannend zu beobachten sein wird.

"Das wird ein Abchecken von Optionen", äußert Klopp gegenüber SPOX auf die Frage, wie genau seine Planungen aussehen. Allerdings aus der Warte heraus, in Großkreutz oder Sokratis bereits über eine beruhigende Option zu verfügen - im Idealfall auch nach der Rückkehr von Piszczek.

Der Kader des BVB im Überblick