Bremen in der Krise: In Zeiten wie diesen

Von Stefan Rommel
Thomas Schaafs Vertrag bei Werder Bremen läuft noch bis Juni 2014
© getty
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Andere Spieler wie Diego, Per Mertesacker, Torsten Frings oder Frank Baumann hielten den Laden auch in den heiklen Phasen noch irgendwie zusammen und waren in den wichtigen Spielen zur Stelle. All das fehlt heute. Dazu kommt das viel zitierte und diskutierte Fehlverhalten in der Defensive, das für Bremen auch schon in früheren Tagen charakteristisch war, vom glanzvollen Offensivspiel aber fast immer überlagert wurde.

Wenn die Verantwortlichen heute den Umbruch ausrufen, müssten sie genau genommen zweieinhalb Jahre zurückgehen. Als Mesut Özil den Klub verließ, bedeutete sein Weggang einen Einschnitt, dem Schaaf in seiner konzeptionellen Ausrichtung bis heute hinterherzuhecheln scheint.

Stillstand der Talente

Probiert hat er seitdem schon nahezu alles, die Spielsystem durcheinandergewürfelt, neues Personal gekauft, getüftelt, verworfen, wieder neu ausgerichtet. Als einzige Konstante hielten sich die eher bescheidenen Ergebnisse.

Wohl kaum zufällig war Özil auch der Letzte, den Schaaf vom hoffnungsvollen Talent zum Star formte. Seitdem scheint er sein Händchen dafür verloren zu haben.

Enorm veranlagte Spieler wie Marko Arnautovic, fußballerisch hinter Franck Ribery und Mario Götze mit der beste Spieler der Bundesliga, Eljero Elia oder Mehmet Ekici stagnieren in ihren Leistungen. Sebastian Prödl ist seit Jahren im Klub und kommt über seinen On-Off-Zustand nicht hinaus, Clemens Fritz hat seine besten Tage hinter sich, Kevin de Bruyne wirkt mehr und mehr launisch, als dass er seine fantastischen Qualitäten im Sinne der Mannschaft einbringt.

"Thomas Schaaf hat viele Spieler geformt, im Moment fällt ihm das vielleicht ein bisschen schwerer", sagt Jürgen L. Born diese Woche. Die Gründe dafür liegen für ihn auch auf der Hand - und sie sind nicht vollumfänglich beim Trainer zu suchen. "Es gibt Spieler, die gut sind, uns aber nicht gehören, und es gibt Spieler, die weg wollen - das sind Tatbestände, die mich sehr nachdenklich stimmen."

Viele Mosaiksteinchen

Dazu gesellt sich eine eher unterdurchschnittliche Transferbilanz, gute Griffe wie Sokratis waren früher an der Tagesordnung. Heute bestätigen sie als Ausnahme die Regel.

Und die fehlende Durchlässigkeit von Spielern aus dem Nachwuchsbereich - die es dann auch dauerhaft in der Bundesliga packen.

Die vielen kleinen Mosaiksteinchen ergeben das Gesamtbild und Tabellenplatz 14.

Und sie bewegen die Kritiker dazu, den Grat zwischen Loyalität dem verdienten Trainer gegenüber und der vermeintlichen Unvernunft als so schmal wie noch nie zu bezeichnen. Es stellt sich auch die Frage nach dem Sinn: Wofür steht Werder Bremen in diesen Tagen?

Was macht Eichin?

Mitten drin in diesem Durcheinander muss nun Thomas Eichin seine Rolle finden. Er ist schon nach wenigen Tagen zu einem kleinen Hoffnungsträger geworden. Eichin spricht im Gegensatz zum bisweilen sehr verkopft wirkenden Schaaf eine klare Sprache.

Das dürfte allerdings auch in gewissem Maße Kalkül sein. Eichin muss sich erst in Ruhe ein Bild machen - so gut das eben noch geht angesichts des durchaus denkbaren Abstiegskampfs in den kommenden Wochen. Dass er jetzt schon vorprescht, war kaum zu erwarten. Und dass er, kaum drei Wochen im Amt, jetzt den Königsmörder spielt und Schaaf nach 14 Jahren als Cheftrainer von seinen Aufgaben entbindet, dürfte noch nicht einmal der schärfste Kritiker verlangen. Der allgemeine Sprachgebrauch lautet: Thomas Schaaf kann sich in Bremen nur selbst entlassen.

Dass der Sportdirektor Eichin im Dezember zum Vorstellungsgespräch in Schaafs Urlaubsdomizil nach Salzburg reisen musste, um sich von seinem Angestellten das Go für das Engagement in Bremen einzuholen, ist eine pikante Episode am Rande. Mehr aber auch nicht.

Lemke fährt die alte Linie

Die Wagenburg steht so oder so. Es gibt keine Trainerdiskussion in Bremen. "Selbst wenn ich die Verdienste von Thomas ausblenden würde und nur die letzten drei Wochen betrachten würde, bin ich sicher, dass wir aus dieser Situation mit Thomas sicherlich besser rauskommen als ohne ihn", sagt Eichin.

"Wir stimmen mit der Geschäftsführung vollends darin überein: Jetzt wäre es das Falscheste, den Trainer infrage zu stellen, sagte Aufsichtsratschef Willi Lemke, neben Schaaf die zweite Zielscheibe für die Kritiker. "Ganz im Gegenteil: Wir stärken unsere sportliche Leitung!"

Lemke fährt dabei die Linie aus den guten alten Zeiten, wirkt in seiner Haltung beratungsresistent. Eichin dagegen kommt als Neuling deutlich objektiver daher. "Ich habe festgestellt, dass man ein bisschen Angst vor der Situation hat im ganzen Umfeld. Da müssen wir raus, müssen positiv agieren." Er weiß aber auch: "Wir haben im Moment eine Situation, die nicht ungefährlich ist."

Es drohen fatale Folgen

Er bringt schon jetzt ein bisschen neuen Wind rein. Die Frage wird sein, ob er auch in Bremen die in Köln praktizierte harte Hand in schweren Zeiten durchziehen wird. Und die erscheinen derzeit sehr real. Sollte die Mannschaft den internationalen Wettbewerb verpassen, ist der Verbleib von Spielern wie Sokratis, Arnautovic oder De Bruyne eher ungewiss.

Bisher ist Werder von großem Verletzungspech weitgehend verschont geblieben. Diese Woche aber meldeten sich Joseph Akpala (Innenbandriss) und Raphael Wolf (Kreuzbandriss) für längere Zeit ab. Zwar sind beide nicht erste Wahl, eine Fortsetzung ähnlicher Missgeschicke wäre eine neue Baustelle, die Werder nicht gebrauchen kann.

Also bleibt die Hoffnung, dass die Mannschaft ihrem Trend eine Kehrtwende verleihen kann, am besten gleich am Samstag in Mönchengladbach (18.15 Uhr im LIVE-TICKER). "In einer jungen Mannschaft hast du oftmals nicht diese erfahrenen Spieler, die in bestimmten Situationen wissen, was zu tun ist. Jetzt muss sich herauskristallisieren, wer das Heft in die Hand nimmt", sagt Eichin.

Dass sich dafür in 24 Spielen niemand so recht zuständig gefühlt hat, übersieht er dabei offenbar geflissentlich. Seine Erwartungshaltung ist jedenfalls relativ optimistisch: "In diesen Phasen werden solche Jungs geboren, aus denen vielleicht mal ein Effenberg oder ein van Bommel wird."

Werder Bremen in der Übersicht