"Ein deutsches Duell wäre geil"

Von Interview: Andreas Lehner
Moritz Leitner (r.) nach dem Titelgewinn 2012 im Gespräch mit Mats Hummels
© getty

Einen Tag nach der Derby-Niederlage auf Schalke traf SPOX BVB-Profi Moritz Leitner in Essen beim Live-Qualifikationsturnier der virtuellen Bundesliga von EA Sports. Ein Gespräch über die Gründe für die Niederlage, die Champions-League-Ambitionen des BVB, die Qualitäten von Trainer Jürgen Klopp und seinen Ex-Klub 1860 München.

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SPOX: Herr Leitner, wie fühlt sich die Derby-Niederlage mit ein bisschen Abstand an?

Moritz Leitner: Immer noch extrem bescheiden. Eine Niederlage ist immer ärgerlich und eine Derby-Niederlage ist noch schlimmer.

SPOX: Schalke hat Dortmund vor allem in der ersten Halbzeit klar dominiert. Was hat der BVB alles falsch gemacht?

Leitner: Wir haben einfach nicht gut gespielt. Es war anscheinend nicht unser Tag. Es bringt jetzt aber nichts mehr, zurückzuschauen. Wir müssen die Gründe kennen, warum wir nicht so gespielt haben, wie wir das in den letzten zwei Jahren oder in diesem Jahr in der Champions League schon gezeigt haben. An diese Leistungen müssen wir wieder anknüpfen, dann können wir jeden Gegner schlagen.

SPOX: Marcel Schmelzer hat nach dem Spiel gesagt, dass die Einstellung und die Konzentration nicht zu 100 Prozent da waren. Das dürfte in einem Derby eigentlich nicht der Fall sein.

Leitner: Vielleicht hat es so gewirkt. Ich glaube, die Einstellung war schon da, vor allem bei einem Derby ist jeder Spieler bei hundert Prozent. Auf der Mannschaft rumzuhacken bringt nichts.

SPOX: Hat das Champions-League-Spiel gegen Donezk eine Rolle gespielt?

Leitner: Von der Power her nicht. Ich habe mir die Laufdaten angeschaut: Wir sind einen Kilometer mehr gelaufen als Schalke. In der zweiten Halbzeit haben wir noch mehr Gas gegeben, als in der ersten - also kann es an der Kraft nicht gelegen haben.

SPOX: Also lag das Problem im Kopf.

Leitner: Das weiß ich leider nicht. Sonst hätten wir das am Samstag schon nach fünf Minuten geändert.

SPOX: In der Champions League ist der BVB schon im Viertelfinale. Beschäftigt man sich da nicht zwangsläufig auch mit dem Titelgewinn? Es sind ja nur noch vier Spiele bis ins Finale.

Leitner: In der Champions League vom Titel zu sprechen, ist schwierig. Der Titel ist eher ein Traum. Wir haben unsere Qualität in Europa bewiesen und große, namhafte Gegner geschlagen. Wir sollten uns jetzt aber erstmal den Gegner anschauen, den wir am Freitag zugelost bekommen. In diesen 180 Minuten im Viertelfinale müssen wir zeigen, dass wir bestehen können. Wenn wir jetzt vom Titel reden und dann unsere Leistung nicht bringen, wäre das sehr, sehr dumm.

SPOX: Der FC Bayern und Schalke 04 sind mögliche Gegner in der Champions League. Wären das reizvolle Lose oder wünscht man sich in der Champions League eher einen Gegner aus dem Ausland?

Leitner: Was man sich wünscht, ist erstmal egal. Weil alle Mannschaften, die so weit gekommen sind, sensationell stark sind und einiges geleistet haben. Sollte es tatsächlich Bayern oder Schalke werden, wäre es sicher ein anderes Gefühl, weil wir bisher nur internationale Mannschaften gespielt haben. Aber ein deutsches Duell wäre auch geil für die Bundesliga. Das zeigt, welche Qualität die Liga aktuell hat.

SPOX: Ein deutsches Duell würde auch die Chance zur Revanche bieten. Egal, ob Bayern oder Schalke kommt.

Leitner: Wenn es dazu kommen sollte, wollen wir vergessen machen, dass wir in der Liga gegen Schalke und im Pokal gegen Bayern nicht gut gespielt und verloren haben. Unser erstes Ziel ist aber weiterzukommen, der Gegner ist da wurscht.

SPOX: Sie sind auf Schalke für die letzte Viertelstunde eingewechselt worden. Wie sehen Sie ihre Rolle im Team aktuell?

Leitner: Ich bin noch immer relativ jung, spiele beim Deutschen Meister und Pokalsieger in einer super Truppe, in der jeder Spieler richtig Qualität hat. Da ist es natürlich schwer, die Konkurrenz ist ziemlich groß. Ich versuche im Training, dem Trainer zu zeigen, dass ich auch da bin und spielen will.

SPOX: Sind Sie mit Ihrer Einsatzzeit in dieser Saison bisher zufrieden? In der Rückrunde ist es ein bisschen weniger geworden.

Leitner: Ich muss auch realistisch bleiben. Es hilft mir nicht, wenn ich sage: Ich muss so und so lange spielen. Ich muss mich weiterentwickeln und es dem Trainer so schwer wie möglich machen, mich nicht aufzustellen.

SPOX: Täuscht der Eindruck, oder sind Sie seit der Rückkehr von Nuri Sahin eher ein Kandidat für die offensive Dreierreihe und nicht mehr für die Sechs?

Leitner: Auf Schalke wurde ich auf der Sechs eingewechselt.

SPOX: Das erste Mal in der Rückrunde...

Leitner: Für einen Spieler ist das natürlich gut, wenn er auf mehreren Positionen spielen kann. Ich wurde früher schon auf der Zehn eingewechselt. Und ob ich auf der offensiven Sechs spiele oder auf der Zehn, macht nicht so viel Unterschied. Der Trainer hat auch nicht zu mir gesagt, dass ich jetzt nur noch für die offensive Reihe in Frage komme.

SPOX: Sie haben vor einem Jahr gesagt, dass Sie beim BVB jeden Tag besser werden. Was haben Jürgen Klopp und seine Assistenten so Besonderes an sich, dass man das so intensiv spürt?

Leitner: Wir haben einen super Trainerstab, der viel mit einem spricht und einem viele Tipps zur Verbesserung gibt. Außerdem haben wir so viel Qualität im Kader, dass du von jedem Spieler etwas lernen kannst. Das ist für einen jungen, lernwilligen Spieler hilfreich.

SPOX: Was haben sie beim BVB konkret gelernt?

Leitner: Natürlich lernt man nicht das Fußball spielen von heute auf morgen, ein gewisses Talent war schon vorher da. Taktisch ist unser Coach sehr, sehr gut. Man lernt die kleinen, feinen Sachen. Das gilt für individual-taktische Abläufe genauso wie für Feinheiten im Mannschaftsverbund. Wie muss ich mich als Mannschaft positionieren oder wie reagiere ich, wenn ich mich in einer Eins-gegen-eins-Situation beweisen muss? Wenn man diese Situationen öfter erlebt, weiß man besser, wie man damit umgehen muss.

SPOX: Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke hat angekündigt, dass der Kader in der Breite und in der Spitze verstärkt werden soll. Wie nehmen Sie das als Spieler wahr, der jetzt schon sehr oft auf der Bank sitzt?

Leitner: In dieser Saison kamen mit Nuri und Marco schon zwei nicht so billige Spieler. Wenn der Chef so viel Geld hat...(lacht) Nein, das ist Aufgabe und Entscheidung des Vereins. Ich mache mir darüber keine Gedanken.

SPOX: Kommt eine Leihe grundsätzlich in Frage oder wollen Sie sich auf jeden Fall bei Borussia Dortmund durchsetzen?

Leitner: Ich habe vor zwei Wochen erst auf Facebook zu Gerüchten verschiedener Zeitungen Stellung genommen und erklärt, dass da nichts dran ist. Wir haben noch eine lange Saison und wichtige Spiele vor uns. Darauf konzentriere ich mich. Was dann passiert, wird man sehen. Ich habe noch lange Vertrag und will mich gegen diese brutale Konkurrenz durchsetzen.

SPOX: Als sich der BVB auf dem Trainingsgelände von 1860 München auf das Pokalspiel gegen Bayern vorbereitet hat, war auf Facebook auch zu lesen: "Wieder dahoam". Wie intensiv verfolgen Sie das Geschehen bei den Löwen noch?

Leitner: Ich bin zwar jetzt schon zwei Jahre weg, habe aber 13 Jahre fast täglich an der Grünwalder Straße trainiert und für Sechzig gespielt. Ich bin dort aufgewachsen, deshalb schaue ich immer noch genau hin, was die Löwen machen.

SPOX: Der Abstand von 1860 zu Rang drei ist wieder etwas geringer geworden. Trauen Sie den Löwen den Aufstieg noch zu?

Leitner: Das ist das Interessante an Sechzig. Wenn sie ein Spiel gewinnen, wird vom Aufstieg gesprochen. Wenn sie ein Spiel verlieren, wird vom Abstieg gesprochen. Ich wünsche ihnen den Aufstieg natürlich von Herzen.

SPOX: Sie sind gebürtiger Münchner und dort bei 1860 groß geworden. Macht das den Zweikampf mit Bayern noch reizvoller als er ohnehin schon ist?

Leitner: Ja. Als Dortmunder ist das Duell schon reizvoll. Aber als Ex-Löwe ist das nochmal eine Schippe mehr.

Moritz Leitner im Steckbrief