"Ich neige nicht zum Größenwahn"

Von Interview: Manuel Schumann
Borussia Mönchengladbachs Patrick Herrmanns großes Ziel ist die Nationalmannschaft
© Getty

Borussia Mönchengladbachs Shootingstar Patrick Herrmann wird immer wieder mit Marco Reus verglichen, was ihn unglaublich nervt. Vor dem Spiel gegen Bayer Leverkusen (Sa., 15.30 Uhr im LIVE-TICKER) spricht der 21-Jährige bei SPOX über seine Stärken und Schwächen, seinen großen Traum und den neuen Stil der Borussia.

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SPOX: Patrick Herrmann, vor fünf Jahren spielten Sie noch in der Jugend des 1. FC Saarbrücken - welche Ziele hatten Sie damals?

Patrick Herrmann: Ich habe schon immer davon geträumt, Bundesliga-Profi zu werden. Darauf habe ich kontinuierlich hingearbeitet. Schon zu jener Zeit habe ich dem Fußball alles untergeordnet, nur so hat man freilich die Chance, ganz nach oben zu kommen. Beim FCS konnte ich mich hervorragend entwickeln - eine tolle Zeit!

SPOX: Mittlerweile sind Sie Stammspieler bei einem Traditionsverein, verdienen eine Menge Geld und gelten als eines der größten Talente des deutschen Fußballs. Wovon träumen Sie nun?

Herrmann: Ich will irgendwann einmal für die A-Nationalmannschaft auflaufen. Das ist mein großes Ziel.

SPOX: Und ich dachte, das Thema "Nationalmannschaft" würde Sie nerven?

Herrmann: Tut es auch. Ich werde beinahe täglich darauf angesprochen. Aber wer redet schon gern öffentlich über seine Träume? Ich will nicht darüber reden, sondern vielmehr daran arbeiten, meinem Ziel näher zu kommen - Schritt für Schritt. Ich bin doch erst 21 Jahre alt und habe hoffentlich eine lange Karriere vor mir. Weshalb sollte ich mich jetzt zusätzlich unter Druck setzen? Es ist gefährlich, wenn man alles auf einmal will. Außerdem weiß ich, dass es in Deutschland unheimlich schwer ist, Nationalspieler zu werden - die Konkurrenz ist groß.

SPOX: Wie ist es, wenn man in den Medien fast ausnahmslos gelobt wird? Nervfaktor: wohl eher gering, oder?

Herrmann: Ich freue mich über jedes Lob, das ist doch klar. Dennoch habe auch ich schon Phasen erlebt, in denen nicht alles rund lief. Ich weiß daher, wie schnell die Stimmung kippen kann. Zwei, drei schlechte Spiele und es könnte wieder ungemütlich werden. Aber daran will ich nicht denken, derzeit läuft ja alles prima.

SPOX: Anders gefragt: Kann Lob gefährlich sein?

Herrmann: Für mich nicht. Es ehrt mich, wenn die Zeitungen positiv über mich berichten. Mein Umfeld würde mir sofort sagen, wenn ich Gefahr liefe abzuheben. Glücklicherweise ist das noch nicht nötig gewesen - das hängt aber wohl auch damit zusammen, dass ich extrem fixiert bin auf den Sport. Ich neige nicht zum Größenwahn (lacht).

SPOX: Gibt es eigentlich eine Frage, die Sie nicht mehr hören können?

Herrmann: Eindeutig der Vergleich mit Marco Reus! Den habe ich schon gefühlte tausendmal gelesen -"Marcos Nachfolger", "Der neue Reus" und so weiter. Ich finde, so langsam reicht es. Marco ist ein Weltklassespieler und ein super Typ. Ich halte es für zu hoch gegriffen, wenn man mich auf eine Stufe mit ihm stellt.

SPOX: Stimmt es, dass Lucien Favre intern besonders kritisch mit jenen Spielern umgeht, die in den Medien zuvor viel gelobt wurden? Sozusagen um gegenzusteuern?

Herrmann: Unser Trainer lässt sich nicht von außen beeinflussen, er lobt oder kritisiert Spieler, wenn er es für richtig hält. Lucien Favre ist ein sachlicher Typ, zudem sehr akribisch. Er bleibt seiner Linie stets treu und legt keine großen Stimmungsschwankungen an den Tag. Das schätzt die Mannschaft an ihm. Man weiß genau, woran man ist. Er ist ein Coach, der viel Energie und Zeit investiert, um einzelne Spieler weiterzuentwickeln. Im Gegenzug verlangt er von uns, dass wir intensiv an unseren individuellen Schwächen arbeiten.

SPOX: Apropos "Schwächen": Woran arbeiten Sie gerade?

Herrmann: Es wäre seltsam, würde ich behaupten, es sei keine Luft mehr nach oben. Zurzeit arbeite ich an meinem linken Fuß, der deutlich schwächer ist als der rechte.

SPOX: Im vergangenen Oktober sah es düster aus in Gladbach, die gesamte Mannschaft wirkte stark verunsichert, speziell die Abwehr wurde nach dem schlechten Saisonstart heftig kritisiert.

Herrmann: Nach der überragenden letzten Saison war die Erwartungshaltung zu Beginn der neuen Runde riesig, klar. Zwar war das für uns keine große Überraschung - unser Trainer hatte uns schließlich gewarnt -, dennoch mussten wir Spieler lernen, damit umzugehen. Eine derartige Situation hatten wir zuvor noch nicht erlebt. Eins muss man aber fairerweise hinzufügen: Lucien Favre hatte bereits kurz nach Saisonende versucht, die Erwartungen in der Öffentlichkeit herunterzuschrauben, doch das wollten damals viele nicht hören.

SPOX: Welche Rolle haben die Neuzugänge zu jener Zeit gespielt?

Herrmann: Es spielten sicherlich viele Faktoren eine Rolle. Zwar haben wir tolle Spieler dazubekommen, trotzdem ist es unheimlich schwer, in kurzer Zeit drei Leistungsträger zu ersetzen (Marco Reus, Roman Neustädter, Dante, Anm. d. Red.). Auch wenn es viele wahrscheinlich nicht mehr hören können: So was braucht seine Zeit. Mittlerweile kann jeder sehen, dass die Mechanismen greifen. Wir spielen wesentlich kompakter als zu Saisonbeginn. Dass einige Fans nach den ersten Partien unruhig wurden, kann ich dennoch absolut verstehen.

SPOX: Auch Lucien Favre stand damals enorm unter Druck - haben Sie das im Trainingsalltag gespürt?

Herrmann: Überhaupt nicht! Unser Trainer hat in dieser Phase keine verrückten Sachen gemacht, es ist nie ein Thema gewesen, alles über den Haufen zu werfen. Er hat an uns appelliert, weiter hart zu arbeiten und den eingeschlagenen Weg nicht zu verlassen. Rückblickend kann man sagen: Er hat mit allem Recht behalten.

SPOX: Was unterscheidet die Borussia 2011/12 von der 2012/13?

Herrmann: Im vergangenen Jahr haben wir eher auf das schnelle Konterspiel gesetzt, das hat uns damals stark gemacht. Marco und ich haben gut miteinander harmoniert.

SPOX: Und in der laufenden Runde?

Herrmann: Wir spielen mehr auf Ballbesitz, häufiger über die Außen und setzen meist auf das 4-3-3-System. Zuvor haben wir fast ausschließlich im 4-4-2 gespielt. Ich denke, wir sind inzwischen variabler.

SPOX: Spielen die Gegner mittlerweile anders gegen Sie als noch vor eineinhalb Jahren?

Herrmann: Absolut. Die anderen Klubs haben unser Spiel genau analysiert, das merkt man. Ein gutes Beispiel: Die Partie gegen Hoffenheim. Wir spürten genau, wie die TSG sich auf uns eingestellt hatte. Sie standen tief, agierten kompakt und aggressiv. Das war extrem schwierig. Gegen Düsseldorf haben wir dann wesentlich besser gespielt, dominanter und zudem mit mehr Druck über die Außen. Die Folge: Wir hatten deutlich mehr Torchancen.

SPOX: Wer war in dieser Saison bislang Ihr härtester Gegenspieler?

Herrmann: Am härtesten war es -und das überrascht sicherlich die wenigsten- gegen Bayern München. Ob Alaba oder Dante - die haben unheimlich schnelle und konsequente Spieler hinten drin. Gegen Bayern bekommst du nur wenig Raum zum Spielen, die gehen sofort auf den Mann und wollen das Heft in die Hand nehmen. Sie sind in diesem Jahr einfach bärenstark, das muss man neidlos anerkennen. Wir konnten mit dem Punkt daher gut leben (lächelt).

SPOX: Am Samstag kommt der Tabellendritte Bayer Leverkusen in den Borussia-Park - was erwarten Sie?

Herrmann: Bayer ist zurzeit sehr, sehr stark - speziell ihr Konterspiel ist phänomenal. Kießling, Schürrle, Castro - das hat schon was! Das sind schnelle Leute, die das System verinnerlicht habe. Ich bin überzeugt davon, dass wir sie nur dann schlagen können, wenn wir eine Top-Leistung bringen. Klar ist aber auch: Wir erstarren nicht in Ehrfurcht. Wir sind derzeit gut drauf und wollen unbedingt drei Punkte.

Patrick Herrmann im Steckbrief