Ricken: "Durchschnitt reicht nicht mehr"

Von Interview: Jochen Tittmar
Lars Ricken (l.) begann wie Jürgen Klopp im Juli 2008 mit seiner Arbeit bei Borussia Dortmund
© Imago

1997 schoss Lars Ricken das entscheidende Tor im Champions-League-Finale für Borussia Dortmund. Seit über vier Jahren arbeitet der 36-Jährige nun für den BVB als Nachwuchskoordinator. Im Interview spricht Ricken über seine Aufgabe als Troubleshooter der Borussia, die Wichtigkeit der zweiten Mannschaft in der Philosophie des Vereins und die Rolle aus Ausbildungsverein Nummer eins.

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SPOX: Herr Ricken, nach dem Ende Ihrer Karriere wollten Sie ein Trainee-Programm auf der BVB-Geschäftsstelle absolvieren. Da kam dann aber Ihr aktueller Posten dazwischen. Wie lief das damals genau ab?

Lars Ricken: Ich habe dieses Programm nur für ein paar Wochen gemacht und war dabei in der Organisation. Ursprünglich sollte es durch alle Bereiche der Verwaltung gehen, um den Verein von allen Seiten besser kennen zu lernen.

SPOX: Und dann ging Ihr Vorgänger Edwin Boekamp mit Michael Skibbe zu Galatasaray.

Ricken: Genau. Es war dann relativ schnell klar, dass es sinnvoll sein könnte, wenn ich den Job übernehme. Eddy hatte mich auch vorgeschlagen. Ich persönlich musste nicht lange überlegen. Ich bin Dortmunder, war Profi und bin selbst den Weg von der Jugend bis nach oben gegangen. Ich kann also mitreden (lacht). Wäre ich beim BVB beispielsweise ins Marketing eingestiegen, dann wäre ich auf Menschen mit 15 Jahren Berufserfahrung getroffen. Das wäre nicht einfach gewesen.

SPOX: Jetzt sind Sie seit über vier Jahren in diesem Job. Hätten Sie gedacht, einmal einen solchen Weg einzuschlagen?

Ricken: Mir war schon als Spieler klar, dass ich nicht unbedingt Trainer werden möchte. Ich habe während meiner Karriere bereits BWL an der Fernuni in Hagen und Sportmanagement sowie -marketing am IST-Studieninstitut in Düsseldorf studiert. Ich wusste da natürlich noch nicht, wo das irgendwann einmal enden wird. Nun sind diese Fachgebiete für meinen Job sehr brauchbar. Ich bin zufrieden, so wie es jetzt ist.

SPOX: Wie sieht denn Ihr Arbeitsalltag aus, gibt es da überhaupt eine strukturierte Woche?

Ricken: Nein. Das ist nicht möglich, da ich zu unterschiedlichen Zeiten im Büro, auf Trainingsplätzen oder bei Spielen bin. Ich bin hier der Troubleshooter, irgendetwas liegt immer an. Das kann dann morgens sehr früh oder abends sehr spät sein. Die Jugendmannschaften trainieren zudem immer erst um 18 Uhr und wenn danach noch Gespräche geführt werden müssen, dann kann das lange gehen. Grundsätzlich ist es so, dass ich mir einen Überblick über die Jahrgänge verschaffe, natürlich auch im eigenen Verein. Ich muss Leistungsfähigkeit und Entwicklungspotential unserer Jugendspieler bewerten, um in Verhandlungen eine klare Position einzunehmen.

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SPOX: Ihr Büro befindet sich direkt neben dem von Michael Zorc, Profis und Nachwuchs trainieren auf demselben Gelände. Spricht man dann zwangsläufig spontan miteinander oder gibt es regelmäßige Meetings?

Ricken: Die Wege in der Geschäftsstelle, aber auch auf dem Trainingsplatz, sind in der Tat sehr kurz, wir laufen uns alle ständig über den Weg. Wenn Michael Zorc etwas lauter spricht, dann höre ich ihn. Wir tauschen uns täglich aus und brauchen nicht ständig einen Termin festzulegen. Es gibt auch alle zwei, drei Wochen turnusmäßige Sitzungen mit den Trainern und Scouts, um sich gegenseitig auf dem Laufenden zu halten.

SPOX: Nach den Profis ist die U 23 Dortmunds wichtigste Mannschaft. Derzeit kämpft das Team in der 3. Liga um den Klassenerhalt. Wie wichtig ist aus Vereinssicht die Teilnahme der zweiten Mannschaft an der 3. Liga, gibt es eine Vorgabe?

Ricken: Wir wollen im Nachwuchsbereich eine führende Rolle spielen, daher ist es schon eine Hausnummer, wenn man sagen kann, dass man zusammen mit dem VfB Stuttgart der einzige Profiverein ist, dessen zweite Mannschaft in der 3. Liga spielt. Das ist ein Qualitätsmerkmal unserer Arbeit. Natürlich haben wir das Ziel, dauerhaft in der 3. Liga zu bleiben - aber nicht um jeden Preis.

SPOX: Heißt?

Ricken: Wir werden niemals drei oder vier gestandene Spieler holen, die die anderen führen sollen. Wir bauen auf eine organische Entwicklung unserer Spieler anhand der gesammelten Erfahrungswerte. Das ist ein wenig vergleichbar mit den Profis und der Champions League: Da ist man nach dem ersten Jahr auch nicht vom Weg abgekommen, sondern hat auf Weiterentwicklung und Erfahrungswerte gebaut.

Der Kader von Borussia Dortmunds U 23 im Überblick

SPOX: Anders formuliert: Andere Zweitvertretungen stellen das ergebnisbezogene Arbeiten hinten an und setzen sich zur ersten Aufgabe, den einzelnen Spieler weiter zu entwickeln - egal, ob das Team am Ende dann sportlich absteigt. Stehen beim BVB auch die Inhalte über den Ergebnissen?

Ricken: Es muss sich nicht zwangsläufig beißen, aber wir leben das schon extrem. Koray Günter und Marvin Ducksch könnten beide noch U 19 spielen, sind aber fester Bestandteil der U 23. Said Benkarit und Jeremy Dudziak gehören zum jungen Jahrgang der A-Jugend, stehen aber ebenfalls im Kader der U 23. Und das, weil wir ihnen einfach den nächsten Schritt auf angemessenem Niveau zutrauen. Günter klopft ja sogar ans Tor der Profis.

SPOX: Wie professionell ist Dortmunds U 23?

Ricken: Das ist im Prinzip unsere zweite Profimannschaft. Wir packen deren Trainingswochen mit sehr vielen Inhalten voll, um den Einzelnen zum Profispieler auszubilden. Das geht, weil niemand mehr im Kader einer Ausbildung oder der Schule nachgehen muss. Das Training findet nicht nur jeden Tag abends, sondern auch dreimal die Woche vormittags statt. Wir arbeiten dabei im individuellen Bereich, also in taktisch-technischer oder athletischer Hinsicht und machen Life-Kinetik. Insgesamt dient unsere U 23 auch als sehr gute Plattform für Spieler, die es bei uns aus unterschiedlichsten Gründen nicht schaffen, um einen möglichen Plan B in Angriff zu nehmen.

 

Seite 2: Ricken über den BVB als Ausbildungsverein Nummer 1 und Watzkes Kritik