Eine Frage des Respekts

Von Fatih Demireli
Jupp Heynckes beendet seine Trainerlaufbahn zum Ende der Saison
© Getty

Vor Weihnachten eröffnete Jupp Heynckes den Vorgesetzten des FC Bayern München, seine Engagement beim FC Bayern beenden zu wollen. Die Welt dreht sich um seinen Nachfolger Josep Guardiola, doch diese Situation ist den Münchenern nicht gerade angenehm. Aus Respekt vor Heynckes, der die Unterstützung seiner Spieler genießt. Womöglich bleibt er dem FC Bayern sogar treu.

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Die Gefühle waren gemischter Natur. Soll es die absolute Vorfreude sein? Ja, durchaus. Oder doch eher die Zurückhaltung ob des Respekts. Ja, auch.

Vorfreude auf Josep Guardiola. Auf den Lionel Messi unter den Trainern. Auf den Mann, der den modernen Fußball, so wie er heute gespielt wird, perfektioniert hat und damit 14 Titel in vier Jahren gewann. Auf den neuen Trainer des FC Bayern München.

Hoeneß: Heynckes hätte gerne weitergemacht

Respekt vor Josef "Jupp" Heynckes. Vor dem Freund des FC Bayern. Vor dem Spielerversteher par excellence und dem Verantwortlichen für eine der besten Hinserien in der Geschichte des deutschen Rekordmeisters. Vor der Trainerlegende, die am 30. Juni 2013 ihre 49-jährige Profi-Laufbahn voraussichtlich beenden wird.

Diese respektvolle Zurückhaltung ging bis ins Detail. Wer am Mittwochnachmittag die Webseite des FC Bayern besuchte, um den wohl größten Trainercoup der deutschen Fußball-Geschichte offiziell zu vernehmen, sah die große Überschrift "Jupp Heynckes beendet seine Trainer-Karriere". Darüber - quasi als Zusatznotiz - die Information, dass Pep Guardiola ab Juli neuer Trainer der Münchener wird.

"Wer hätte auf Heynckes folgen können?"

Am Donnerstagvormittag war die Gratwanderung zwischen Vorfreude und Zurückhaltung noch deutlicher zu spüren. Ausdrücklich war die Freude der Redner Karl-Heinz Rummenigge, Philipp Lahm und Manuel Neuer auf Guardiola, aber fast noch ausdrücklicher die Hochachtung vor Heynckes. Und das sollte auch so verstanden werden.

"So viele Möglichkeiten hat es ja nicht gegeben, jemand zu finden, der auf Jupp Heynckes hätte folgen können", sagte Kapitän Lahm fast im Wortlaut der Pressemitteilung, die der FC Bayern am Mittwoch rausgeschickt hatte, um den baldigen Regierungswechsel in der bayerischen Landeshauptstadt zu verkünden. Neuer nickte zustimmend.

Heynckes ist beliebt bei seinen Spielern, beliebt bei seinen Vorgesetzten und auch bei allen anderen, die sich in der Welt des FC Bayern bewegen. Daher hält man sich in München noch zurück, um die Ankunft Peps zu feiern. "Wir wollen hier keine Show machen", sagte Rummenigge. Deswegen verschiebt sich die Vorstellung des neuen Mannes auch auf den Sommer. Wenn die Saison vorbei ist - und wenn Heynckes weg ist.

Irgendwann vor Weihnachten, so genau konnte Rummenigge den Zeitpunkt nicht definieren, trat Heynckes an den Vorstand heran, um eine Tendenz seiner lang erwarteten Entscheidung mitzuteilen. Diese hieß: Das Ende der Karriere, wie es Heynckes schon im vergangenen Sommer in einem Interview mit der "Süddeutschen Zeitung" zumindest angedeutet hatte.

Wäre Heynckes geblieben?

Doch dann kamen die rekordträchtige Hinrunde, die der FC Bayern mit Wut im Bauch über zwei titellose Jahre hinlegte, und schier überbordende Lobeshymnen für Spieler und Trainer. Die Möglichkeit, dass Heynckes das Karriereende noch einmal verschieben könnte, schien realistisch, zumal das Münchener Fußball-Konstrukt funktionierte.

Hätten - und das darf spekuliert werden - Rummenigge, Uli Hoeneß und Matthias Sammer versucht, Heynckes zu einem Verbleib zu überreden, wäre "Don Jupp" möglicherweise sogar geblieben. Uli Hoeneß bestätigt im "ZDF": "Man hatte das Gefühl, hätten wir Druck gemacht, hätte er sich erweichen lassen." Stattdessen "haben wir uns damit intensiv auseinander gesetzt und mit Guardiola verhandelt", wie Rummenigge erklärte. Intensiv, nachdem die erste Kontaktaufnahme schon länger zurückliegt und erste Annährungsversuche schon gestartet wurden.

Für Heynckes sind es - womöglich - die letzten Monate auf professionellen Parkett. Auch wenn es kaum zu erwarten ist, dass der FC Bayern in der laufenden Spielzeit keinen Titel holt, wäre anzunehmen, dass der 67-Jährige im Fall der Fälle nicht viel zu verlieren hätte. Wäre da nicht die neu entfachte Motivation, die Heynckes seit Beginn dieser Saison an den Tag legt.

Zu spüren war sie schon im Trainingslager im Sommer in Trentino, als sich Heynckes vor Eifer sogar einen Muskelfaserriss zuzog. Es war die Zeit, als Sammer frisch zum FC Bayern gekommen war, um dem kriselnden Rekordmeister auf die Beine zu helfen. Heynckes erkannte die Situation und reagierte mit einer neuen Gangart: Auch öffentlich griff er an und legte sich zwischenzeitlich sogar mit Sammer an.

Keine neue Situation

Nun wird er im Sommer nachbesetzt. Heynckes wird sich beweisen, einen würdevollen Abschied hinlegen wollen und alle sollen dabei helfen. "Das ist unser großes Ziel", sagte Rummenigge. Auch Lahm erklärte, dass man Heynckes mit "mindestens einem Titel" verabschieden wolle.

Um das Ziel zu erreichen, gilt bis Sommer die absolute Konzentration auf den Fußball. Und nicht auf Pep, der in dieser Phase den FC Bayern aus dem fernen New York beobachten und analysieren und erste Maßnahmen in Zusammenarbeit mit Sammer und Co. in die Wege leiten wird. Der laufende Spielbetrieb soll nicht gestört werden, und Heynckes lässt sich auch nichts anmerken.

"Verändert hat er an sich oder am Training nichts", sagte Neuer, obwohl Heynckes' Entschluss schon länger feststand. Mit ersten Spielern sprach der Trainer direkt nach seiner offiziellen Verkündung. Mit den Kapitänen, aber auch mit Leistungsträgern wie Neuer. Auf sie kann Heynckes zählen.

Es dürfte anders laufen als bei Louis van Gaal, dessen Ablösung im Sommer während der Saison angekündigt worden war. Der Niederländer hielt nicht bis zum Schluss durch.

Das Angebot

Was nach dem Sommer für Heynckes kommt, ist unklar. Der private Plan sieht vor, dass Heynckes ab Sommer mit Frau Iris und Hund Cando auf seinen geliebten Bauernhof im niederrheinischen Schwalmtal zurückkehrt. Dann gibt's Spaziergänge en masse. So wie es Heynckes eigentlich schon weit früher geplant hätte, wäre ihm kein neuer Frühling im Profigeschäft dazwischen gekommen.

Von dort aus könnte der "absolute Fußball-Fachmann" (Rummenigge) seine Berater-Funktion ausüben, die ihm der FC Bayern angeboten hat. "Ich hatte ein langes Gespräch mit ihm", sagte Rummenigge. "Wir würden uns freuen, wenn wir ihn weiter mit einbeziehen dürfen."

Ob Heynckes annimmt, bleibt abzuwarten. Die Entscheidung ist vertagt. Heynckes bekommt für die Entscheidung die Zeit, die er benötigt. Das gebietet der Respekt.

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