Meisterhafter Kircher - schwacher Dingert

Von Patrick Völkner
Den Inbegriff eines abgeklärten und souveränen Unparteiischen verkörpert momentan Knut Kircher
© Getty

Die Bundesliga-Schiedsrichter standen zuletzt wieder regelmäßig im Fokus der Kritik. Wie üblich mehrten sich auch in diesem Herbst die Proteste gegen die Unparteiischen. Wir analysieren ihre Leistungen mit Hilfe unseres faktenbasierten Bewertungssystems und präsentieren die Tops und Flops der Liga: Wer sind die besten Referees im deutschen Profi-Fußball? Welche Unparteiischen wirken überfordert?

Anzeige
Cookie-Einstellungen

Auch in dieser Saison fällt die Schiedsrichterbilanz zur Winterpause höchst durchwachsen aus. Nach gutem Start ließen die Leistungen der Referees zuletzt deutlich zu wünschen übrig. Vor allem Körpersprache und Auftreten bleiben in einigen Fällen hinter den Ansprüchen zurück. Überzeugen konnten dagegen Knut Kircher und auch Wolfgang Stark, jedenfalls bis zur Partie zwischen dem BVB und dem VfL Wolfsburg am 16. Spieltag.

Schwacher Herbst: Fast schon traditionell erlebten die Schiedsrichterleistungen auch in dieser Saison wieder zum Herbst einen deutlichen Einbruch. So erhöhte sich die Fehlerquote seit dem letzten Schiri-Check nach dem 8. Spieltag von 0,79 auf nunmehr 0,88 Fehlentscheidungen zum Hinrunden-Ende. Die Durchschnittsnote verschlechterte sich im gleichen Zeitraum von 2,99 auf 3,11.

Zum gleichen Zeitpunkt der vergangenen Spielzeit war die Durchschnittsnote zwar besser (3,07), die Zahl der Fehlentscheidungen pro Spiel lag mit 1,05 aber deutlich höher. Die Diskrepanz erklärt sich durch das unsichere Auftreten einiger Referees, die - ohne dass sie sich übermäßig viele Fehlentscheidungen leisten - zu keiner Zeit wirkliche Souveränität ausstrahlen.

Beispielhaft dafür steht der Auftritt von Tobias Welz am zurückliegenden 17. Spieltag. Welz erlaubte sich im Rahmen der Partie zwischen dem FC Bayern und Borussia Mönchengladbach zwar keinen klaren Fehler (die Elfmeterentscheidung nach Boatengs Handspiel war zweifelhaft, aber jedenfalls vertretbar), wirkte über die gesamte Spieldauer jedoch auffallend unsicher. So gab er seine großzügige Linie im Laufe des Matches auf und pfiff gegen Ende geradezu nervtötend kleinlich. Seine an sich fehlerfreie Leistung wurde dementsprechend letztlich mit der SPOX-Note 3,5 bewertet.

Mangelnde Souveränität ist auch das Problem des Stuttgarter Unparteiischen Markus Schmidt, der nach neun Jahren Bundesliga noch immer keine Autorität verkörpert und weiterhin erhebliche Defizite in Sachen Körpersprache aufweist. Dies zeigte sich zuletzt am 15. Spieltag bei der Partie Leverkusen gegen Nürnberg, die Schmidt zu keinem Zeitpunkt im Griff hatte und mit überzogener Gestik im Laufe des Spieles immer weiter aus der Kontrolle verlor (SPOX-Note 4,5).

Flops & Tops: Noch schlechter als Schmidt ist augenblicklich nur Christian Dingert platziert, der in seinen sechs Spielleitungen dieser Saison überhaupt noch nicht zu gefallen wusste. Der 32-jährige Dingert, seit 2010 als Bundesliga-Schiedsrichter im Einsatz und ab kommendem Jahr auch auf der FIFA-Liste geführt, ist derzeit meilenweit von dem Ideal eines überzeugenden Spielleiters entfernt.

Besonders deutlich wurde dies zuletzt bei der Partie zwischen dem FC Augsburg und dem SC Freiburg am 15. Spieltag. Das an sich leicht zu handelnde Match bekam Dingert nie recht in den Griff und nahm durch einen verweigerten Strafstoß nach Foul von Sankoh an Santini zudem noch entscheidenden Einfluss auf den Spielverlauf (SPOX-Note 4,5).

Den Inbegriff eines abgeklärten und souveränen Unparteiischen verkörpert indes momentan Knut Kircher. Die Wahl zum Schiedsrichter des Jahres und der erste Platz in unserem Schiri-Check (sowohl zum Ende der Vorsaison als auch jetzt zum Hinrunden-Abschluss) sprechen eine deutliche Sprache: Kircher ist der derzeit beste Referee der Fußball-Bundesliga.

Belegt wird dies durch eine Fehlerquote von 0,5 und eine hervorragende Durchschnittsnote von 2,3. Vor allem aber zeichnen Kircher die Ruhe und Sachlichkeit aus, mit der er auch in hitzigen Phasen die Gemüter ohne große Theatralik zu besänftigen weiß.

Kircher, dessen acht letzte Bundesliga-Einsätze jeweils mit Noten im 2er- oder 1er-Bereich bewertet wurden, überzeugte nicht nur durch eine vorbildliche Körpersprache, sondern erlaubte sich zudem nur kleinere Fehlentscheidungen. So unterließ er bei der Partie HSV gegen Bayern (10. Spieltag) und Hoffenheim - Bremen (15. Spieltag) jeweils die gebotenen Verwarnungen gegen Rudnevs bzw. Schröck, blieb ansonsten aber vollständig fehlerfrei. Eine herausragende Leistung.

Starks schwarzer Tag: Eine absolut vorzeigenswerte Hinserie lieferte auch FIFA-Schiedsrichter Wolfgang Stark ab - bis zum Spiel des BVB gegen den VfL Wolfsburg am 16. Spieltag. Stark, dem an den ersten 15 Spieltagen nur eine einzige Fehlentscheidung unterlaufen war (unterlassene Gelbe Karte gegen Schalkes Jones am 12. Spieltag in Leverkusen), erwischte einen rabenschwarzen Tag und erlaubte sich letztlich sechs schwere Patzer:

Dass Dortmunds Lewandowski beim Führungstreffer durch Marco Reus knapp im Abseits stand, war für Stark und sein Gespann dabei schwer zu erkennen. Deutlicher gestaltete sich dagegen die Abseitsstellung von Vierinha, in dessen Folge es zum Handelfmeterpfiff nach Schmelzers Abwehraktion kam. Die Fernsehbilder belegten dabei eindeutig, dass kein Handspiel vorlag. Elfmeterentscheidung und Platzverweis erwiesen sich damit als falsch.

Auch das Zustandekommen des Wolfsburger Führungstreffers war nicht korrekt: Simon Kjaer stand bei Naldos Schuss im strafbaren Abseits, da er Dortmunds Keeper Weidenfeller die Sicht verdeckte. Schließlich fiel auch der Dortmunder Ausgleichstreffer auf irreguläre Weise. So war schon der vorangegangene Eckstoß nicht regelfonform, da der Ball bereits vor Fagners Einschreiten die Torauslinie überquert hatte. Die Elfmeterentscheidung selbst muss als überzogen bewertet werden: Kjaers Einschreiten gegen Lewandowski war nicht strafstoßwürdig.

Mit sechs Fehlentscheidungen und vier irregulären, aber gleichwohl anerkannten Treffern, bildet Wolfgang Starks Leistung zweifelsohne den Tiefpunkt der Schiedsrichterleistungen der Hinserie und wurde folgerichtig mit der SPOX-Note 6 bewertet. Gleichwohl ist die Polemik, mit der Stark im Anschluss - gerade von BVB-Seite angegriffen wurde - zwar emotional nachvollziehbar, in der Sache aber unangemessen. Denn auch wenn der falsche Elfmeterpfiff und vor allem der unberechtigte Platzverweis gegen Schmelzer ganz sicher (mit) spielentscheidend waren, bleibt festzustellen, dass die Dortmunder selbst auch von drei Fehlentscheidungen profitierten.

Davon abgesehen sind sämtliche Statistiken, die eine Abneigung Wolfgang Starks gegenüber dem BVB belegen sollen, an den Haaren herbeigezogen. Fakt ist: Wolfgang Stark hat vor dem Match gegen den VfL Wolfsburg in den letzten anderthalb Jahre drei Bundesligaspiele mit BVB-Beteiligung geleitet und sich dabei eine einzige Fehlentscheidung zu Schulden kommen lassen - und zwar zu Gunsten des BVB: Mats Hummels hätte am 4. Spieltag der Saison 2011/2012 im Spiel gegen Bayer Leverkusen zwingend Gelb-Rot sehen müssen - Wolfgang Stark unterließ jedoch die gebotene Verwarnung.

Spiele der Dortmunder wird Wolfgang Stark gleichwohl auf absehbare Zeit nicht mehr pfeifen. Womit der BVB nun schon der zweite Verein ist, für den der Ergoldinger Referee nicht mehr angesetzt wird. Seit dem Dezember 2007 leitet Stark nach massiven Protesten von Klaus Allofs keine Partien mit Bremer Beteiligung mehr.

Gut trotz Fehlern: Die Zahl der Fehlentscheidungen in einer Partie ist grundsätzlich nur ein - wenn auch wichtiger - Gradmesser für die Bewertung der Schiedsrichterleistung. Dies zeigt sich beispielhaft an Felix Brychs Leitung der Begegnung Fürth gegen Nürnberg am 13. Spieltag, die trotz dreier Fehler letztlich noch mit der SPOX-Note 3 bewertet wurde.

In diesem Fall kamen dem Unparteiischen zwei Faktoren zu Gute. Zum einen waren sowohl Per Nilssons elfmeterreifes Foul an Edgar Prib als auch Sararers Spucken nur bei genauester Betrachtung der Fernsehbilder erkennbar. Zum anderen hatte Brych die hitzige Partie ansonsten gut im Griff und vermochte durch sein beruhigendes Auftreten eine mögliche Eskalation zu vermeiden. So bleibt am Ende als einzig vorwerfbarer Fehler die unterlassene Verwarnung gegen Fürths Edu (nach Foulspiel an Balitsch) bestehen. Insofern wiegen in einem solchen Fall die drei objektiv falschen Entscheidungen weniger schwer als die doch insgesamt ordentliche Leitung der Partie.

Umgekehrt darf die niedrige Fehlerquote eines Unparteiischen nicht überbewertet werden. So liegt Bastian Dankert, der zu Saisonbeginn zum Erstligaschiedsrichter befördert wurde, momentan auf Platz 2 der Schiedsrichter-Tabelle, eben auch weil er sich im Schnitt so wenige Fehler leistet wie keiner seiner Kollegen (Quote 0,3). Und dennoch wäre es nach vier Spielleitungen viel zu früh, in ihm einen neuen Top-Schiedsrichter zu sehen.

Gleichwohl machen seine Leistungen wie auch die von Daniel Siebert, ebenfalls Erstliga-Novize und augenblicklich mit einer Durchschnittsnote von 3,4 auf Platz 15, durchaus Mut, dass es um den Nachwuchs doch nicht so schlecht bestellt ist. Denn auch wenn Siebert bei seinem bis dato letzten Einsatz am 12. Spieltag (Hamburg - Mainz, Note 5,5) komplett enttäuschte, hat er - wie Dankert auch - das Zeug zu einem soliden Bundesligaschiedsrichter.

Bundesliga: Der komplette Spielplan