Auf dem Zahnfleisch

Von Andreas Lehner
Betretene Mienen kamen bei Hannover 96 zuletzt häufiger vor
© Getty

Hannover 96 wirkt ausgelaugt. Die Mannschaft ächzt unter der Belastung und wird zum Opfer der hohen Erwartungen. Trainer Mirko Slomka arbeitet am nächsten Entwicklungsschritt und wird seinen Vertrag wohl verlängern.

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Gejammert wird nicht bei Hannover 96. Dabei hätten die Niedersachsen allen Grund dazu. 26 Pflichtspiele hat das Team von Trainer Mirko Slomka in dieser Saison schon absolviert - so viele wie keine andere Mannschaft in Deutschland. Aufgrund der Qualifikationsrunde für die Europa League ist Hannover seit dem 2. August im Dauereinsatz.

Öffentliches Gezeter ist trotzdem nicht zu hören, und auch weder nötig noch gewollt. Zum einen sind die 96er froh und stolz, zum zweiten Mal in Folge im europäischen Wettbewerb dabei zu sein. Zum anderen ist der Mannschaft der körperliche Verschleiß auch Spiel für Spiel anzusehen.

Schlechte Zahlen, gute Zahlen?

Drei der letzten vier Bundesligaspiele gingen verloren. Selbst heim 2:0-Heimsieg gegen Greuther Fürth vergangene Woche gab es Pfiffe von den Zuschauern. Die Ansprüche sind schnell gestiegen, solide Leistungen und 20 Punkte nach 15 Spieltagen reichen nicht mehr aus, um alle zufrieden zu stellen.

Das Abrutschen auf Tabellenplatz zwölf tut sein Übriges. Dabei hat 96 nur einen Punkt weniger auf dem Konto als zum selben Zeitpunkt der vergangenen Saison, kämpft am Donnerstag als Tabellenführer der Gruppe L in Valencia gegen Levante um den Gruppensieg und steht im Achtelfinale des DFB-Pokals.

Regeneration statt Training

Die nächsten Gegner lauten UD Levante, Bayer Leverkusen, Fortuna Düsseldorf und Borussia Dortmund. Kein leichtes Programm für eine Mannschaft, die auf dem Zahnfleisch daherkommt und auch personell weiter gebeutelt wird.

Neben den Langzeitverletzten Felipe (Hüft-OP) und Leon Andreasen (Kreuzbandriss) wird gegen Bayer auch Karim Haggui (5. Gelbe) pausieren müssen. Mit Mario Eggimann steht somit nur noch ein gelernter Innenverteidiger zur Verfügung.

Slomka muss Lösungen entwickeln für diese Situation, mehr als Flickschusterei ist laut dem Trainer aber nicht drin. Zeit, um Abläufe und Verhaltensmuster einzustudieren, ist nicht vorhanden. Der Europapokal-Rhythmus lasse keine Taktikeinheiten zu, "weil wir den Spielern eher eine Pause gönnen müssen."

Der nächste Entwicklungsschritt

Dabei bräuchte Slomka ausgerechnet jetzt die Zeit, um das Spiel seiner Mannschaft wieder weiterzuentwickeln. Das schnelle Umschaltspiel, mit dem Hannover in den letzten beiden Spielzeiten in die Riege der Spitzenteams aufgestiegen ist, hat vorerst seinen Zauber verloren.

Die von Slomka proklamierte Zehn-Sekunden-Regel von Balleroberung bis Torabschluss ist zwar weiter Richtlinie, aber nur noch selten umsetzbar. Die Gegner haben sich auf das Spiel der Hannoveraner eingestellt und versuchen, die überfallartigen Gegenangriffe der 96er zu vermeiden.

Slomka hat reagiert und das Spiel seiner Mannschaft umgestellt. Längere Ballbesitzzeiten und Passstafetten gehören nun dazu. Dass dieser nächste Entwicklungsschritt Zeit in Anspruch nimmt, ist klar.

Nur ist Zeit im Profifußball bekanntlich Mangelware. "Die Erwartungshaltung ist extrem hoch", sagt Mittelfeldspieler Sergio da Silva Pinto. Präsident Martin Kind erhöhte vor dem Spiel gegen Fürth via Stadionheft den Druck auf Mannschaft und Trainer. Er sprach von einer "schwierigen Situation" und von einer "wegweisenden" Partie.

Slomkas Vertragsverlängerung rückt näher

Wo die Reise hingeht, werden auf dem Platz die letzten vier Spiele des Jahres 2012 zeigen. Viel wichtiger scheint aber nach wie vor die Situation im Hintergrund. Seit Wochen verhandeln Manager Jörg Schmadtke und Kind mit Slomka über eine Vertragsverlängerung bis 2016 - Slomkas aktueller Kontrakt läuft noch bis 2013.

Trotz zahlreicher positiver Signale von beiden Seiten und Aussagen Slomkas pro Hannover fehlt weiterhin die Unterschrift. Der VfL Wolfsburg und der FC Bayern gelten nach wie vor als potentielle neue Arbeitgeber des 45-Jährigen.

Die letzten Aussagen von Kind lassen aber auf eine schnelle Einigung mit 96 schließen. "Ich würde sogar darauf wetten", sagte der 96-Chef im Radiosender "NDR 2" auf die Frage, ob Slomka bis zum 20. Dezember einen neuen Vertrag unterschreiben werde.

Laut "Bild" könnte alles sogar noch schneller gehen und der Vertrag noch in dieser Woche unterschrieben und die Einigung vor dem Spiel gegen Levante bekannt gegeben werden. Die endgültige Klarheit könnte auch noch mal ein Schub für die letzten Aufgaben dieses Jahres sein und so die eine oder andere Lücke im Kräftehaushalt ausgleichen.

Denn Ziel muss es sein, sich mit einem positiven Gefühl ins neue Jahr zu retten. "Ja, wir haben bald Urlaub", sagt Schmadtke, "vier Spiele noch, dann ist Urlaub. Das ist auch gut so, für alle Beteiligten, glaube ich."

Hannover 96: Ergebnisse und Termine