Von unvermittelbar zu heiß begehrt

Von SPOX
Mirko Slomka ist seit Januar 2010 als Trainer bein Hannover 96 tätig
© Getty

Nach 21 Monaten Arbeitslosigkeit rettete Trainer Mirko Slomka Hannover 96 vor der Zweitklassigkeit und formte aus der Grauen Maus der Liga einen Klub mit Europacup-Ambitionen. Nun ist der 45-Jährige begehrter denn je und scheint bereit für den nächsten großen Schritt seiner Karriere.

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"Should I Stay Or Should I Go", schallt es bei Mirko Slomkas Auftritt im "NDR Sportclub" aus den Boxen. Verabschiedet wird Hannovers Trainer nach dem gut zehnminütigen Gespräch mit der pikanten Wahl zwischen zwei CDs: Dem "Stern des Südens" und "Nie zum FC Bayern" von den Toten Hosen.

Helsingborgs IF - Hannover 96 (19.00 Uhr im LIVE-TICKER)

Auch auf Spieltags-Pressekonferenzen drehen sich die Fragen der Journalisten derzeit verhältnismäßig wenig um die Bundesligapartien der 96er. Wo immer Mirko Slomka dieser Tage auch auftaucht, konfrontiert man ihn mit demselben Thema: Die Spekulationen über einen möglichen Wechsel zum Rekordmeister.

Slomka: Gute Gespräche mit 96

Und immer wieder reagiert der meistgehypte Coach der Liga mit gewohnter Sachlichkeit: "Wir sind in guten Gesprächen mit 96, die mein Berater Harun Arslan führt. Ich konzentriere mich auf das Sportliche. Wir haben noch mindestens 16 Spiele bis zur Winterpause - alles an Ablenkung wäre jetzt unnötig und will ich nicht."

Slomka hoffe, dass der bereits weitgehend ausverhandelte Dreijahresvertrag bis Weihnachten unter Dach und Fach ist, damit er, der Klub und auch seine Spieler Planungssicherheit haben.

Das Thema Bayern wird er bis dahin wohl auch weiterhin so gekonnt diplomatisch umschiffen wie zuletzt im "NDR Sportclub": "Die Bayern haben 24 Punkte und alles gewonnen. Warum sollten die jemals einen anderen Trainer verpflichten?"

Spekulationen selbst angeheizt

Dabei ist der 45-Jährige selbst nicht ganz unschuldig, dass das Thema zuletzt derart hochkochte. "Die Spekulationen sind verständlich vor dem Hintergrund, dass die Verträge von Jupp Heynckes und mir auslaufen", hatte er in einem "Bild"-Interview gesagt und dabei zudem betont, wie gut das Verhältnis zwischen ihm und Uli Hoeneß sei.

Es scheint, als wolle Slomka sich keine Tür vorzeitig verschließen. Zum einen giert der ehrgeizige Coach danach, "auch mal um Titel mitzuspielen" und diese "am liebsten zu gewinnen." Ein bei 96 wohl nur schwer zu verwirklichender Traum.

Zum anderen gibt es für den Mathe- und Sportlehrer eigentlich kaum einen Grund für einen Tapetenwechsel. Der im nahe gelegenen Hildesheim geborene Slomka ist seit dem Studium in Hannover verwurzelt, hat Eltern, Familie und Freunde in seiner Nähe und hätte laut eigener Aussage wohl bei keinem anderen Verein "so viel Privatleben".

Wie auch immer Slomkas Plan aussieht, weiß derzeit wohl nur er selbst. Klar ist: Die Schlagzeilen der letzten Wochen dürften seine Verhandlungsposition im Vertragspoker mit Hannover 96 jedenfalls nicht verschlechtern.

21 Monate Arbeitslosigkeit

Eine Position, an der Slomka Gefallen finden dürfte. Denn nicht immer hatte er ein derart großes Standing. Als Nachfolger von Oliver Reck erreichte er mit Schalke 2006 das Europa-League-Halbfinale, wäre 2007 um ein Haar Meister geworden und führte die Königsblauen ein Jahr später ins Viertelfinale der Königsklasse.

Dazu entdeckte und förderte er dort Spieler wie Manuel Neuer, Mesut Özil, Heiko Westermann, Jermaine Jones oder Benedikt Höwedes.

Dennoch fand Slomka mit seiner strategisch kühlen und reservierten Art nicht viele Freunde auf Schalke, Vorbehalte begleiteten ihn seit dem ersten Arbeitstag - 2008 folgte die Entlassung. Slomka habe die Mannschaft sportlich nicht weiter entwickelt, hieß es am Ende.

"Im Fußball geht es ganz schnell. In beide Richtungen", sagte Slomka. Auf die Königsklasse folgten schließlich 21 Monate Arbeitslosigkeit für den Coach. Er selbst sah sich damals bei Klubs wie Hamburg oder Wolfsburg, doch dort fiel die Wahl auf andere Kandidaten.

Slomka rettet Hannover

Slomka haftete so schnell das Image des schwer vermittelbaren Trainers an, der ständig als Kandidat gehandelt, letztlich aber nie verpflichtet wurde. Schließlich kam es über Umwege als TV-Experte und Hospitanzen bei Real Madrid, dem FC Arsenal und dem AS Rom zur Zweck-Ehe mit Hannover 96 - doch weder war der Klub Slomkas Wunschziel, noch war Slomka Hannovers Wunschtrainer.

Im Januar 2010 übernahm er die Niedersachsen in ihrer schwersten Phase: Nach dem Tod von Robert Enke taumelte 96 dem Abstieg entgegen. Nach sechs Auftaktniederlagen war sein Kredit schon fast verspielt, doch Slomka führte das gebeutelte Team am Ende doch zum Klassenerhalt.

Auch zu Beginn der nächsten Saison stand Slomka nach dem peilnichen Aus in der ersten Pokalrunde Gegen Elversberg vor der Demission. Doch eine starke Serie in der Liga verschafften ihm die nötige Zeit, sich sein Ansehen als Trainer zurückzuerarbeiten.

Strukturwandel in Hannover

Entgegen aller finanziellen und strukturellen Möglichkeiten führte er das Team mit dem vielzitierten Überfallfußball auf einen sensationellen vierten Rang. Doch die eigentliche Sensation war, dass Slomka den Erfolg bestätigten konnte: Das Europa-League-Viertelfinale Platz sieben in der Folgesaison unterstrichen die Nachhaltigkeit von Slomkas Methoden.

"Wir wollten dem Verein einen neuen Stempel aufdrücken, mit unserer Spielweise und mit unserem ganzen Auftreten gegenüber Fans und in der Öffentlichkeit", sagte Slomka.

Besonders in puncto Fitness ging er neue Wege bei Hannover 96. Slomka initiierte die Zusammenarbeit mit dem Sportwissenschaftler Prof. Jürgen Freiwald, der die Trainingssteuerung fortan begleitete und optimierte.

Zudem kamen GPS-Geräte im Training zum Einsatz. Die Wissenschaft erhielt Einzug bei 96. "Was unsere Strukturen betrifft, sind wir inzwischen nah dran an einem Spitzenverein", glaubt der Coach.

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Slomka überrascht vom 96-Erfolg

Und diese Einschätzung trifft nach guten zwei Jahren nun auch auf sportlicher Ebene zu: Zusammen mit Manager Jörg Schmadtke verwandelte Slomka Hannover 96 von einer Grauen Maus zu einem konstant um internationale Plätze mitspielenden Team. "Dass wir so erfolgreich sein würden, hätten wir nicht gedacht", gibt sich der Trainer bescheiden.

Eine Bescheidenheit, die man auch in München zu schätzen weiß. Spätestens seit Louis van Gaal möchte man dort nicht mehr auf Egozentriker setzen. Mirko Slomka mit seiner ruhigen und diplomatischen Art wäre folglich eine Idealbesetzung für die vermeintlich vakant werdende Trainerstelle.

Zudem hat sich Slomka bei 96 auf professionellste Art und Weise in der fruchtbaren Zusammenarbeit mit Manager Schmadtke arrangiert, obwohl ihr Verhältnis nicht gerade als freundschaftlich gilt. Ein weiterer Pluspunkt im Hinblick auf eine mögliche Zusammenarbeit mit Matthias Sammer.

Bereit für den nächsten Schritt

Dass Slomka junge Spieler á la Zieler, Schmiedebach oder Rausch entwickeln kann, hat er bereits bewiesen. Und dank seiner großen Lernfähigkeit ist Slomka auch zuzutrauen, sich schnell im Umgang mit eine Gruppe von gestandenen Superstars zurechtzufinden, wie er sie auf seinen bisherigen Stationen noch nicht in Bayern-ähnlicher Form erlebte.

"Das Rüstzeug für einen Spitzenklub bringt er mit", sagte auch Schmadtke der "Sport-Bild": "Er ist eloquent, die Medienarbeit macht ihm keinerlei Mühe. Er ist in der Lage, eine Mannschaft zu führen, und auf dem Trainingsplatz hat er deutliche Stärken."

Slomkas Unaufgeregtheit und Professionalität, der strukturelle Weitblick und die fundierte trainingswissenschaftliche und fußballerische Kompetenz: Er scheint bereit für den nächsten großen Schritt seiner Trainerkarriere. Wenn er denn will - und tatsächlich gewollt wird.

Mirko Slomka im Steckbrief