"Bundesliga ist Profiteur des Financial Fairplay"

SID
Sieht die Bundesliga auf einem sehr guten Weg - wenn die UEFA Wort hält: Reinhard Rauball
© Getty

Fünf verschiedene Meister seit 2000, dazu wirtschaftlich überwiegend gesunde Klubs - die Bundesliga steht vor der 50. Saison hervorragend da. Und es könnte noch besser werden, sagt Ligapräsident Reinhard Rauball. Im zweiten Teil des großen "dapd"-Exklusivinterviews erklärt er, weshalb die Bundesliga sich auch nicht mehr vor England mit der Premier League zu verstecken braucht, und weshalb ein harter Kurs des europäischen Fußballverbandes UEFA in Sachen Financial Fairplay überfällig ist.

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Frage: Herr Rauball, wie sind Ihre Erwartungen an die Jubiläumssaison?

Reinhard Rauball: Dass sich die Bundesliga weiterhin stabil entwickelt. Nicht immer zwangsläufig Rekorde sind mein Thema, sondern Nachhaltigkeit ist der für mich wichtige Gesichtspunkt. Zwei Drittel der Bundesligisten haben zuletzt Gewinne erwirtschaftet. Sportliche Höchstleistungen bei wirtschaftlicher Seriosität - diesen Weg zu forcieren und zu unterstützen, das ist unerlässlich.

Frage: Was bedeutet das für den Wettbewerb?

Rauball: Unser höchstes Gut ist der sportliche Wettbewerb, und dieser ist so spannend wie in keiner anderen Topliga in Europa: Mit Bayern München, VfL Wolfsburg, Werder Bremen, VfB Stuttgart und Borussia Dortmund gab es fünf verschiedene Deutsche Meister in diesem Jahrtausend und dazu zwei Beinahe-Meister mit Schalke 04 und Bayer Leverkusen, die teilweise bis zur letzten Sekunden hoffen durften. Diese Spannung in Verbindung mit tollen Stadien, die die sichersten und besten in der Welt sind, ist einzigartig.

Frage: Wirtschaftliche Stabilität, infrastrukturelle und sportliche Qualität - wo rangiert die Bundesliga mit diesem Stilmix inzwischen im europäischen Vergleich?

Rauball: Was die Spannung des Wettbewerbs, die Infrastruktur und die wirtschaftliche Prosperität anbelangt, muss die Bundesliga sich vor niemandem mehr verstecken. Auch nicht vor England mit der Premier League.

Frage: Womit begründen Sie das?

Rauball: Wenn ich beispielsweise sehe, wie sich einige Klubs in England, Spanien oder Italien verschulden; wenn ich sehe, dass ein Traditionsverein wie der FC Portsmouth nicht zum ersten Mal in die Insolvenz geschliddert ist - da muss man nachdenklich werden. All das ist meiner Ansicht nach undenkbar in Deutschland und der Bundesliga. Dazu sind genügend Stellschrauben errichtet worden, die so etwas verhindern. Nicht ein einziges Mal in 49 Jahren Bundesliga ist ein Klub im Laufe einer Saison in Konkurs bzw. Insolvenz gegangen. Damit ist klar: Unsere Richtung stimmt, unsere Vorgaben haben sich bewährt.

Frage: Auch hinsichtlich der 50+1-Regel?

Rauball: Diese Regelung, die wir wie einen Augapfel hüten und auch juristisch verteidigt haben, ist für meine Begriffe der Schlüssel dazu, dass die Stabilität der Klubs und ihre wirtschaftliche Leistungsfähigkeit auch in Zukunft erhalten bleiben werden. Die geringfügige Modifizierung der Grundregel, wonach Investoren, die sich mehr als 20 Jahre im Klub engagieren, größere Anteile erwerben dürfen, ist geltendem Recht geschuldet und daher unabdingbar. Aber auch diejenigen, die von dieser Ausnahmeregelung Gebrauch gemacht haben oder künftig machen werden, beziehe ich mit ein. Wer zwei Jahrzehnte einen Verein unterstützt hat, der lässt ihn nicht plötzlich morgen hängen.

Frage: Mönchengladbach in den 70ern, Bremen in den späten 80ern und 90er-Jahren - würde es der Bundesliga gut tun, wenn nun Dortmund sich in ähnlicher Weise auf Dauer als Rivale des FC Bayern etablieren könnte?

Rauball: Es ist nicht wichtig, dass zwei Vereine einen Wettbewerb an der Spitze austragen. In Spanien haben wir diese Situation. Ob das aber für die spanische Liga förderlich ist, ist eine ganz andere Frage. Einige Vereine sind dort vor der Insolvenz, viele weitere sind gebeutelt von der Wirtschaftskrise des Landes. Es nützt also nichts, wenn lediglich zwei an der Spitze vorneweg marschieren - und mögen sie noch so dominant sein. In Spanien ist das Grundübel, dass zwei Vereine, Real Madrid und FC Barcelona, viel zu viel von dem Fernsehgeld bekommen, und alle anderen mit deutlichem Abstand im Prinzip nur abgefunden werden. Das manifestiert ja nur die Diskrepanz zwischen diesen zwei und den 18 übrigen Vereinen, die fast zu einem Streik geführt hätte. Bei uns herrscht neben dem berechtigten Leistungsprinzip eben immer auch ein Solidargedanke. Um also auf ihre Frage zurückzukommen: Nicht ein Duell ist unser Ziel, sondern eine Spitze, die insgesamt wettbewerbsfähig bleibt.

Frage: Also lautet das vordringlichste Ziel, dass die Bundesliga den soeben eroberten vierten Startplatz für die Champions League verteidigt und den Vorsprung gegenüber Italien festigt und ausbaut?

Rauball: Aus der Stärke des nationalen Wettbewerbs ergibt sich normalerweise automatisch eine ebensolche auch international. Natürlich hoffe ich, es gewinnt in absehbarer Zeit auch endlich einmal wieder eine deutsche Mannschaft einen internationalen Titel. Man kann und sollte Titel nicht nur herbeireden. Bayern München war in den vergangenen drei Jahren zweimal im Champions-League-Endspiel, Werder Bremen war im Finale der Europa League. Und in solchen Endspielen entscheidet die Tagesform, und manchmal auch das Glück.

Frage: Steht die Bundesliga mit der Einführung des Financial Fairplay durch die UEFA erst recht vor goldenen Zeiten?

Rauball: Die Bundesliga ist Profiteur Nummer eins des Financial Fairplay. Es verwundert nicht, dass dessen wesentliche Grundzüge sich auch am Lizenzierungssystem der Bundesliga orientiert haben. Es haben sich manche Klubs in ausländischen Ligen mit Geld, das nie in Gänze erwirtschaftet worden ist, sündhaft teures Personal geleistet. Wenn denen künftig auf die Finger geschaut wird, führt das automatisch zu einer Verbesserung der Situation der Bundesliga, deren Klubs sich größere Beschränkungen auferlegt haben."

Frage: Wenn denn mal den anderen künftig auf die Finger geschaut wird...

Rauball: Es hätte auch meinen Beifall gefunden, wenn das Financial Fairplay, wie ursprünglich geplant, schon früher zur Anwendung gekommen wäre. Denn die Leistung von Michel Platini als UEFA-Präsident wird man eines Tages maßgeblich daran messen, dass er erstens das Financial Fairplay eingeführt hat. Aber zweitens auch daran, ob es auch so angewendet wird, wie es angedacht ist.

Frage: Die Bundesliga würde eine weitere Verschiebung der praktischen Einführung des Financial Fairplay also nicht mehr hinnehmen wollen?

Rauball: Der schlimmste Fall wäre es, wenn das Thema zur unendlichen Geschichte geriete, man nur darüber spricht, es aber nicht auch anwendet. Es war jetzt genügend Zeit für alle, sich darauf einzustellen. Die Vorlaufzeit war ausreichend bemessen, es gibt keinen Grund, das Financial Fairplay noch weiter nach hinten zu schieben. Was mir aber noch mehr Sorge bereitet, ist die Kreativität in Anwaltskanzleien und Wirtschaftsprüferpraxen, die schon jetzt zutage tritt, dieses zu umgehen.

Frage: Wovon hören Sie da?

Rauball: Etwa von Modellen, wonach ein überdurchschnittlich teurer Spieler nur mit einem Minimum vom Verein bezahlt wird und ein begleitendes Konsortium den Rest finanziert, das außerhalb des Vereines steht und damit nicht dem Zugriff der UEFA unterliegt. Solche Überlegungen bereiten mir jedenfalls grundsätzlich Sorge und erfordern zwangsläufig Gegenstrategien.

Teil 1: "Die Bundesliga hat immer Antworten gefunden"

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