"Die Bundesliga hat immer Antworten gefunden"

SID
Reinhard Rauball (l.) zusammen mit DFB-Präsident Wolfgang Niersbach
© Getty

Von ihrer Geburtsstunde 1963 über den Skandal zu Beginn der 1970er Jahre bis zur Gründung der Deutschen Fußball-Liga (DFL) im Jahr 2000 - seit knapp einem halben Jahrhundert begleitet Reinhard Rauball die Bundesliga. Im ersten Teil des Exklusivinterviews mit der "dapd" spricht der 65 Jahre alte DFL-Präsident über markante Meilensteine und künftige Grenzen der Vermarktung und des Sponsoring.

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Frage: Herr Rauball, erfüllt es Sie mit Stolz, die Bundesliga als Liga-Präsident in die 50. Saison zu führen?

Reinhard Rauball: Es macht mich grundsätzlich stolz, dass ich den Ligaverband seit 2007 als Präsident führen darf. Und es macht mich stolz, dass es eine Vielzahl verdienter Menschen gegeben hat, die die Bundesliga zu einer solchen Stabilität geführt haben. Das Jubiläum ist ein großes Ereignis; aber wichtiger und für mich bedeutender sind die inhaltlichen Themen - und wie diese in den vergangenen 50 Jahren gemeistert worden sind.

Frage: Wie lebhaft ist Ihre Erinnerung an den Bundesligastart 1963?

Rauball: Sehr lebhaft. Auch an das Jahr davor, als die Gründung der Liga beschlossen wurde. Die Berichterstattung von diesem Außerordentlichen Bundestag in Dortmund war sehr ausführlich. Zulassungskriterien, Professionalisierungsgedanke - über all das haben alle Fußballer zu der Zeit gesprochen. Ich war 15 und spielte bei Dortmund 95, damals Zweitligist im Westen, in der B-Jugend.

Frage: Nach weniger als zehn Jahren bedeutete der Bundesliga-Skandal Anfang der 70er Jahre den ersten erheblichen Einschnitt. War dieser Malus wichtig, weil für alle Zeiten prägend?

Rauball: Dieses Thema hat für mich mehrere Aspekte. Zunächst einmal war es ein herber Rückschlag für die Bundesliga, die sich langsam, aber sicher entwickelt hatte - auch international. Borussia Dortmund war 1966 Europapokalsieger geworden. Dann kam dieser schwere Rückschlag. Zunächst war für mich persönlich sehr erfreulich, dass Borussia Dortmund nicht betroffen war. Daneben war ich als Jurist an dem damaligen Prozess gegen Schalker Spieler und Verantwortliche beteiligt. Gemeinsam haben mein Doktorvater, Professor Ingo von Münch, und ich ein Gutachten in diesem Zusammenhang geschrieben. Darin ging es um die Frage der Zulässigkeit von lebenslangen Sperren, die vom DFB verhängt wurden. Wir haben das verneint.

Frage: Die Sportgerichtsbarkeit hatte damals ihre Geburtsstunde...

Rauball: ...und sie hat ihre Bewährungsprobe glänzend bestanden. Ein Mann wie Hans Kindermann (Chefankläger des DFB - Anm. d. Red.) ist damals zu einer Person der Zeitgeschichte geworden, weil er vollständig aufgeklärt und Verurteilungen vorangetrieben hat. Das hat der Sportgerichtsbarkeit ihren heutigen hohen Stellenwert innerhalb der Verbände eingebracht.

Frage: Auf das Bosman-Urteil Mitte der 90er Jahre antwortete die Bundesliga Anfang des neuen Jahrtausends, indem sie die Klubs zur Schaffung von Nachwuchsleistungszentren verpflichtete.

Rauball: Die Bundesliga hat auf die großen Herausforderungen der jeweiligen Zeit immer Antworten gefunden. Zeitnah nach dem EM-Fiasko 2000 hat der deutsche Fußball damals eine gute, eine nachhaltige Antwort gegeben. Ein weiterer Punkt, der der Liga damals sehr zu schaffen gemacht hat: die Kirch-Krise 2002. Da haben die maßgeblichen Leute - allen voran Werner Hackmann, Wilfried Straub und Wolfgang Holzhäuser - es hinbekommen, dass dieser sehr tiefe Einschnitt für die Bundesligavereine folgenlos geblieben ist. Er ist vollständig verheilt.

Frage: War die vorangegangene Gründung der DFL im Dezember 2000 der wichtigste Meilenstein in der Epoche der modernen Bundesliga?

Rauball: Nicht alle, vor allem nicht die Traditionalisten im DFB, sind mit Hurra auf den neuen Zug aufgesprungen. Durch die Gründung der DFL erhielt die Professionalisierung der Bundesliga einen neuen Schub. Bei den TV-Erlösen wurde die Trendwende geschafft, sie stiegen auf ein Rekordniveau. Noch besser sind die Zahlen, die durch den neuen Fernsehvertrag mit im Jahresmittel 628 Millionen Euro ab 2013 gelten.

Frage: Dazu jagt seit Jahren ein Zuschauerrekord den nächsten. Doch ganz sorgenfrei ist dieser Bereich in der Gegenwart trotzdem nicht.

Rauball: Zunächst haben Sie recht: Mit mehr als 44.000 Zuschauern im Schnitt war die Bundesliga in der vergangenen Saison so populär wie nie zuvor. Der durchschnittliche Kartenpreis beträgt weniger als 23 Euro. Dies ist auch auf den Erhalt der Stehplätze zurückzuführen. Im Kampf gegen die Abschaffung der Stehplätze sind sich DFB- und Ligaführung zu 100 Prozent einig.

Frage: Doch wegen einer zunehmenden Zahl von Krawallen in den Stadien und beängstigenden Bildern von komplett in Rauch gehüllten Tribünen droht die Politik mit Konsequenzen.

Rauball: Wir müssen zusehen, dass wir mit Hilfe der 99,6 Prozent friedlicher und vernünftiger Fans Überzeugungsarbeit bei jenen 0,4 Prozent Unverbesserlichen leisten, die unsere Argumente bis jetzt ignoriert, damit wir dieses Damoklesschwert der Abschaffung von Stehplätzen ein für alle Mal von der Agenda der Politik beseitigt bekommen.

Frage: Seit einigen Jahren spielt kein Klub aus den neuen Bundesländern in der Bundesliga. Ist die Angliederung des Ostens ein Sorgenfall?

Rauball: Ja, aber das ist eben die Kehrseite der freien Marktwirtschaft, die durch die Wiedervereinigung auch im Osten grundsätzlich gewollt war. Die Klubs litten nach dem Mauerfall natürlich unter dem Weggang der Stars der DDR-Oberliga. In Ostdeutschland sind daher neue Wege gefordert, dazu zählt insbesondere die Nachwuchsarbeit, in der der Kreativität nur wenige Grenzen gesetzt sind. Geduld ist erforderlich. Unlösbar ist diese Aufgabe jedenfalls nicht.

Frage: Eine Aufstockung der Bundesliga auf 20 Mannschaften...

Rauball: ...wurde zu allen Zeiten diskutiert. Aber nach meiner Meinung haben 18 Mannschaften den Erfolg der Bundesliga erspielt, daran sollten wir auch in der näheren Zukunft festhalten. Ein Gedanke, der aus nachvollziehbaren Gründen von den Vereinen im Tabellenmittelfeld immer wieder ins Gespräch gebracht wird, die zum einen nicht international spielen und die zum anderen auch nicht so viele Nationalspieler abstellen müssen. Für sie wären zwei weitere Heimspiele gleichbedeutend mit Zusatzeinnahmen. Für die Spitzenmannschaften ist der Fall anders gelagert.

Frage: Sehen Sie Grenzen der Vermarktung und des Sponsoring?

Rauball: Wo gut gearbeitet wird, wird es immer neue Erkenntnisse geben und immer neue Ergebnisse - das war vor fünf Jahren so und wird in fünf Jahren wieder so sein. Das ist aber nicht allein entscheidend. Ich bin jedenfalls zuversichtlich, dass die Bundesliga stabil bleibt und dass sie auch ihrer gesellschaftlichen Verantwortung weiter gerecht wird. Nehmen Sie beispielsweise das Thema Integration. Hier ist der Fußball ein ganz wesentlicher Faktor. Dazu kommen Aktionen für den Kampf gegen Hunger in der Welt und für Fairness oder die Aktion 'Sportler für Sportler'. Wir haben die Kampagne für München 2018 unterstützt ebenso unterstützt wie die Robert-Enke-Stiftung. Regelmäßig führen wir den 'Tag des Vergessens' im Hinblick auf das durch, was politisch im Dritten Reich passiert ist; mit dem Julius-Hirsch-Preis ehrt der deutsche Fußball die Basisarbeit in den Vereinen in diesem so sensiblen Bereich. Aber alles muss erst einmal erarbeitet werden, und in diesem Punkt dürfen wir nicht nachlassen.

Der Bundesliga-Spielplan der Jubliäumssaison

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