"Meine Herren, Sie haben Körper wie Adonis"

Von Interview: Haruka Gruber
1997: Schulz (l.) mit den jugendlichen Lou Richter, Oliver Welke und Gaby Papenburg (v.r.)
© Imago

Vom Polizisten zum Nationalspieler, vom Journalisten zum Berater: So außergewöhnlich Michael Schulz als Fußballer war, ging es in seinem Leben weiter. Nachdem er es erst mit knapp 26 zum Fußball-Profi und dann dennoch zum deutschen Nationalspieler (EM-Teilnahme 1992) geschafft hatte, wechselte er die Seiten und arbeitete als TV-Journalist (u.a. "ran" und "LIGA total!"). Jetzt ist er Spielerberater und Mitglied von Lutz Pfannenstiels Klima-Projekt "Global United". Der Grenzgänger im Interview.

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SPOX: Louis van Gaal soll einmal gesagt haben: "Alle Journalisten sind Idioten." Die Frage an den früheren Fußballer und Journalisten sowie heutigen Spielerberater: Stimmt das?

Michael Schulz: Die Aussage ist natürlich falsch und völlig übertrieben, das müssen wir nicht diskutieren. Was er vermutlich meint: Dass sich viele Journalisten anmaßen, über Dinge zu urteilen, von denen sie definitiv keine Ahnung haben. Ich erwarte nicht, dass ein Journalist über eine Fußballlehrer-Lizenz verfügt. Aber dann darf ein Journalist auch nicht so tun, als ob er wüsste, wie es ist, am letzten Bundesliga-Spieltag vor 80.000 Zuschauern auf den Platz zu stehen.

SPOX: Sie wechselten nach der Bundesliga-Karriere zum TV. Ging Ihnen als Ex-Profi in einer Redaktionssitzung etwas besonders auf die Nerven?

Schulz: Dieses Hinterherhecheln nach irgendwelchen News. Als Otto Rehhagels Rückkehr nach Berlin feststand, hat jeder versucht, eine Stunde vor allen anderen noch irgendein Zitat zu bekommen, obwohl klar ist, dass nichts gesagt wird und gleich die Pressekonferenz ansteht. Bei manchen Kollegen wird in solchen Momenten der Jagdinstinkt geweckt, was ich bedenklich finde. Denn dieser Instinkt führt dazu, dass manchmal zu Mitteln gegriffen wird, die unfassbar sind. Ich habe es am eigenen Leib erlebt.

SPOX: Zum Beispiel?

Schulz: Ende der 80er Jahre gab es eine Blutgrätscher-Debatte um mich, so wie letzte Saison bei Paolo Guerrero. Die Presse diskutierte sogar über einen Entzug meiner Spielerlizenz. Ich wurde von den Journalisten richtig aggressiv angegangen und war plötzlich der Wahnsinnige, der auf die Psychocouch muss. Von daher sagte ich mir: "Nö, mit Euch Vögeln rede ich nicht mehr." Das führte dazu, dass Journalisten versuchten, mich am Telefon zu erpressen. Nach dem Motto: "Wenn Du nicht mit uns sprichst, schreiben wir, was wir wollen!" Ich ging nicht darauf ein und es wurden Interviews gedruckt, obwohl ich nie mit denen gesprochen hatte. Es gab heftige Sachen.

SPOX: Wie ist es Ihnen gelungen, die Phase auszusitzen?

Schulz: Die Frage ist, wie es der Einzelne durchhält. Man muss dafür hartgesotten sein. Damals gab es ja noch keine Autorisierung von Interviews, es war insgesamt rauer als heute. Deswegen habe ich zum ersten Interview nach langer Zeit zur Sicherheit den damaligen Dortmunder Manager Michael Meier als Zeugen mitgenommen.

SPOX: Sie sagen, dass es damals rauer zuging. Die heutige Spielergeneration wird Ihnen widersprechen.

Schulz: Ach, die heutige Generation hat keine Ahnung, wie es vor 20 Jahren zuging. Heute werden nach dem Abpfiff vielleicht drei Spieler vorgeschickt, die Interviews geben, früher hingegen war die Jagd eröffnet. Überall und bei jedem Training standen die Journalisten direkt dran. Heute gibt es Pressesprecher, die die Mannschaft abschirmen, früher musste man selbst zum Journalisten nein sagen oder sich selbst gegen eine unfaire Berichterstattung wehren, was natürlich viel unangenehmer war.

SPOX: Dafür gab es zu Ihrer Zeit noch nicht das Internet, das einiges zur Hysterie beiträgt.

Schulz: Es steht jedem frei, ob er sich von der Hysterie anstecken lässt oder nicht. Ich kenne einige Spieler, die gar nichts lesen, egal ob in Zeitungen oder im Internet. So habe ich es häufig praktiziert. Es gibt einem eine gewisse Souveränität: Man hat keine Ahnung, was geschrieben wird, und grüßt deswegen vor dem Training freundlich jeden Journalisten. Die, die mich an die Wand nageln wollten, wunderten sich, warum ich nicht sauer bin, und ärgerten sich selbst tierisch. So entwickelt man als Fußballer eine positive Gleichgültigkeit und merkt, dass vieles belanglos ist.

SPOX: Es gibt zahlreiche Gegenbeispiele.

Schulz: Absolut. Ich wundere mich über solche Jungs, die jede Internet-Seite und jedes Fan-Forum nach Kommentaren über sich durchscannen. Ich halte das für kritisch, weil man sich unnötig unter Druck setzt. Mal einen Bericht lesen, ist nicht verkehrt. Jeden Scheiß ernst zu nehmen, ist gefährlich. Die Jungs sind gut beraten, die Medien von der lustigen Seite zu betrachten oder den Konsum auf ein Minimum zu reduzieren. Irgendwann wirst du sonst wahnsinnig.

SPOX: Ihr langjähriger Trainer und Förderer Otto Rehhagel gilt wie van Gaal als Medienfeind. Hat es Sie nicht davon abgehalten, in den Journalismus zu wechseln?

Schulz: Dass er nicht viel hält von der Berufsgattung, ist bekannt. Wobei man einschränken muss: Er akzeptiert jemanden und war zugänglich, wenn dieser seriös arbeitet und mit ihm klarkommt. Deswegen fand ich den Journalismus so interessant: Ich wusste, dass man es besser machen kann, und wollte es ausprobieren, obwohl ich genauso wusste, dass ich nie zu den Highend-Journalisten gehören werde.

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