War's das für den "Verteidigungsminister"?

Von SPOX
Für Anatolji Tymoschtschuk (l.) brechen in München nach dem Martinez-Transfer schwere Zeiten an
© Getty

Nach dem Martinez-Coup des FC Bayern stellt sich die Frage, was aus den anderen Mittelfeld-Kandidaten der Münchener wird und wie deren Perspektiven nach dem teuersten Bundesliga-Transfer aller Zeiten aussehen. Für einige wird sich kaum etwas ändern. Für den ehemaligen "Verteidigungsminister" aber dürfte die Zeit beim Rekordmeister langsam ablaufen.

Anzeige
Cookie-Einstellungen

Der Transfer von Javi Martinez zu Bayern München eröffnet dem Rekordmeister neue Möglichkeiten in der Mittelfeldgestaltung. Als sicher gilt, dass der Spanier zusammen mit Bastian Schweinsteiger die Positionen im defensiven Mittelfeld bekleiden soll.

Unweigerlich stellt sich dann aber auch die Frage, was mit den anderen Kandidaten für diese Position wird und wie deren Perspektiven nach dem teuersten Bundesliga-Transfer aller Zeiten aussehen. Für einige wird sich kaum etwas ändern. Für den ehemaligen "Verteidigungsminister" aber dürfte die Zeit in München langsam ablaufen.

Anatolij Tymoschtschuk (33, seit Juli 2009 im Verein, Vertrag bis 2013)

Der Ukrainer trotzte wochenlang seinem Schicksal - letztlich wohl vergebens. Die Art und Weise, wie sich Tymoschtschuk im Champions-League-Finale der Ausführung eines Elfmeters widersetzte, hat aus dem früher "Verteidigungsminister" genannten 33-Jährigen den Abschusskandidaten Nummer eins gemacht.

Unter anderem war es Tymoschtschuks Verhalten, das Uli Hoeneß in den Tagen danach zu den vehementen Forderungen nach einem "Wadenbeißer wie Jeremies" verleitete. Dieser größtmögliche Unfall Mitte Mai hat die Bayern in ihrer Denkweise nachhaltig erschüttert, ein Sinnbild für das große Versagen war Tymoschtschuk.

"Auf der Sechs haben wir ein richtiges Problem", hat Hoeneß vor wenigen Tagen nochmals bekräftigt. Die Bosse seien "zur Erkenntnis gekommen, dass wir auf der sehr wichtigen Position Sechs vor der Abwehr einen sehr, sehr starken Mann brauchen".

Anatolji Tymoschtschuk wird dieser "sehr, sehr starke Mann" nicht mehr sein. Vor drei Jahren kam er von Zenit St. Petersburg mit der Empfehlung, die Bayern aus dem Europapokal gefegt zu haben und in der Hoffnung, sein zweifellos vorhandenes strategisches Geschick in die Mannschaft zu tragen.

Den Durchbruch hat Tymoschtschuk in München aber nie geschafft, letztlich ist er bis heute ein Ergänzungsspieler - trotz 13 Startelfeinsätzen in der letzten Bundesliga-Saison auf der Doppel-Sechs. Martinez' Qualitäten ähneln denen von Tymo so sehr, dass der Ukrainer im Normalfall kein halbwegs wichtiges Spiele mehr von Beginn an absolvieren dürfte. Die Aussicht auf regelmäßige Einsätze tendiert gen Null.

Tymoschtschuks Zeit in München begann vor wenigen Wochen schon abzulaufen. Der Martinez-Deal hat jetzt alles nochmal beschleunigt. In erster Linie ihm gilt Matthias Sammers Aussage vom Donnerstag, im Hinblick auf den einen oder anderen Spielerverkauf: "Wenn jemand das Bedürfnis hat, kann er gerne auf uns zukommen."

Da hilft Tymoschtschuk auch die Zusatzqualifikation nicht viel, zur Not auch in der Innenverteidigung spielen zu können. Das kann Martinez ja ebenfalls.

Allerdings, das ist auch Bayern-Stil: Die sportliche Leitung selbst wird in der Richtung von sich aus nicht aktiv werden. "Wir gehen definitiv auf keinen Spieler zu", sagt Sammer. Tymoschtschuks Vertrag läuft noch diese Saison, danach wäre er ablösefrei.

Luiz Gustavo (25, seit Januar 2011 im Verein, Vertrag bis 2015)

Der Brasilianer kam erst vor anderthalb Jahren aus Hoffenheim, kostete in der Winterpause damals satte 15 Millionen Euro. Gustavo ist der Standby-Stammspieler, mal drin in der Mannschaft, dann wieder nur Ersatz. Wirklich unverzichtbar war er bis jetzt nur in seltenen Fällen.

Beim Bundesliga-Saisonauftakt des FC Bayern in Fürth spielte Gustavo auf der Sechserposition und das auch recht ordentlich. Letzte Saison durfte er 17-mal von Beginn an auf der Doppel-Sechs ran. Im Verein wissen sie, was er kann - kennen allerdings auch seine Schwächen. Im Passspiel hat der 25-Jährige noch ordentlich Luft nach oben, lediglich vier Tore in über 140 Bundesliga-Spielen sind auch keine sonderlich beeindruckende Bilanz.

Trotzdem gibt es einige Pluspunkte, die klar für Gustavo sprechen: Er kann jederzeit auch links in der Viererkette aushelfen. Dazu ist er etwa im Vergleich zu Tymoschtschuk deutlich jünger und der einzige "echte" Linksfuß im defensiven Mittelfeld der Bayern.

"Es ist gut, wenn er kommt, dann gibt es mehr Konkurrenz", sagte er am Samstag in Fürth. Die Verpflichtung Martinez' sieht er auch angesichts des Fünfjahresvertrags eher mittel- bis langfristig als Gefahr. "Ich glaube, dass ich weiter im defensiven Mittelfeld spielen kann", erklärte Gustavo, räumte aber auch ein: "Aber ein Spieler für 40 Millionen kann das sicher auch gut..."

Immerhin hat der Brasilianer erst letzte Woche noch Rückendeckung von seinem Trainer erhalten. "Ich schätze ihn sehr auf der Position des Sechsers", sagte Heynckes. Da war der Transfer des 40-Millionen-Mannes aber noch in der Schwebe...

Emre Can (18, seit Juli 2009 im Verein, Vertrag bis 2014)

Der Teenager ist einer der Gewinner der Vorbereitung, wurde von Trainer Heynckes oft gelobt und in den ersten Pflichtspielen folgerichtig eingesetzt - wenngleich auch nur links in der Viererkette als Ersatz für den verletzten David Alaba.

Cans eigentliches Betätigungsfeld ist das defensive Mittelfeld, wo er dank seiner Dynamik auch in sehr jungen Jahren schon auf sich aufmerksam machen konnte. Der Nachwuchsspieler soll auf der Position sachte an höhere Aufgaben herangeführt werden und lernen, eine der ersten Optionen war er auch vor dem Martinez-Transfer nicht.

David Alaba (20, seit Juli 2008 im Verein, Vertrag bis 2015)

In der abgelaufenen Saison kam der Österreicher größtenteils als linker Verteidiger zum Einsatz, dahin gehen auch die Planungen des FC Bayern. In den Phasen der Schweinsteiger-Verletzungen rückte er aber auch insgesamt siebenmal von Beginn an ins defensive Mittelfeld.

Heynckes sieht in ihm auch weiterhin eine Alternative für die Zentrale. Einen direkten Konkurrenten um einen Platz im Team stellt Martinez aber nicht dar für Alaba. Dafür dürften sich beider Einsatzgebiete nur sehr selten überschneiden.

Toni Kroos (22, seit Juli 2006 im Verein, Vertrag bis 2015)

Bisher war es so, dass Kroos neben Bastian Schweinsteiger besonders gegen defensiv ausgerichtete Mannschaften die erste Option in der Besetzung der Doppel-Sechs war. Sobald Martinez fit ist und Fuß gefasst hat in der Mannschaft, sinken Kroos' Chancen auf einen Platz vor der Viererkette aber drastisch.

"Ich denke, dass ich hier bei Bayern meinen Platz gefunden habe", sagt er selbstbewusst und in der Gewissheit, dass seinem Spiel eine Position in vorderer Linie ohnehin mehr entgegenkommt. Letzte Saison begann er in der Liga zehnmal auf der Doppel-Sechs. Das dürfte sich ab sofort ändern.

"Wenn Bayern bereit ist, 40 Millionen zu zahlen, dann gehe ich davon aus, dass das ein Top-Spieler ist - und Top-Spieler habe ich gerne in der Mannschaft", sagt Kroos über den neuen Rivalen.

Kroos wird sich eher auf die offensiven Positionen konzentrieren müssen, denn wenn Martinez und Schweinsteiger fit sind, ist auch für den deutschen Nationalspieler kein Platz im defensiven Mittelfeld.

Bastian Schweinsteiger (28, seit Juli 1998 im Verein, Vertrag bis 2016)

Ihm wird der Martinez-Deal am wenigsten anhaben. "Für Bastian bedeutet das speziell überhaupt nichts", sagt Trainer Heynckes. "Bastian ist im Moment auf dem Weg zurück zur Topform. Er ist einer der besten Mittelfeldspieler Deutschlands. Das wird er wieder beweisen."

Schweinsteiger ist unantastbar. Sobald er wieder fit und bei einhundert Prozent ist, wird er auch wieder spielen. Alles andere ist undenkbar. Schweinsteiger selbst zeigte sich zuletzt einigermaßen reserviert dem Transfer gegenüber.

"Es gibt viele Spieler, die gut sind. Auch Luiz Gustavo, Anatolij Timoschtschuk und Toni Kroos haben es in der vergangenen Saison gut gemacht. Ich bin der Meinung, dass unsere Spieler, die wir haben, auch gut sind." Keiner ist aber so wichtig wie Schweinsteiger. 18-mal spielte er letzte Saison von Beginn an im defensiven Mittelfeld.

Im Zusammenspiel mit einem der zweikampfstärksten und passsichersten Spieler der abgelaufenen Primera-Division-Saison soll Schweinsteiger das Mittelfeld dominieren. Das ist der Plan. "Wir sind im defensiven Mittelfeld sehr gut aufgestellt", sagte Heynckes neulich noch. Jetzt haben die Bayern sowohl in der Spitze als auch in der Breite europäisches Topniveau.

Die Innenverteidiger

Daniel van Buyten, Dante und Jerome Boateng sollten zumindest ein wenig hellhörig werden. In Bilbao ließ Trainer Marcelo Bielsa seinen besten Mittelfeldspieler besonders in wichtigen Spielen auch gerne in der Innenverteidigung auflaufen - unter anderem im Europa-League-Endspiel gegen Atletico Madrid, in dem Martinez dann gegen Falcao einen wahren Alptraum erlebte.

Nicht nur deshalb füllte der Spanier die Position in der Abwehrzentrale nur ungern aus, Martinez selbst sieht sich im Mittelfeld deutlich besser aufgehoben. "Ich habe das Glück, auf zwei Positionen spielen zu können", sagt er trotzdem. Ein wenig Flexibilität kann ja nicht schaden.

Dass er bei den Bayern aber allenfalls in extremen Notsituationen hinten aushelfen wird, dürfte auch klar sein.

Der Kader der Bayern im Überblick

Artikel und Videos zum Thema