Internationale Schärfe und nationale Dominanz

Von Jochen Tittmar / Andreas Lehner / Fatih Demireli
In der letzten Saison verloren die Bayern dreimal gegen Dortmund, zuletzt 2:5 im DFB-Pokalfinale
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Die Aufträge des FC Bayern

Nationale Dominanz zurückgewinnen

Am 15. Mai 2010 besiegte der FC Bayern im Berliner Olympiastadion Werder Bremen mit 4:0. Arjen Robben, Ivica Olic, Franck Ribery und Bastian Schweinsteiger erzielten die Tore. Es war eine Gala, ein Offensivspektakel - und es war der letzte Titel des FC Bayern.

Seit zwei Jahren wartet der Rekordmeister auf eine Trophäe, besonders auf die Deutsche Meisterschaft, die zwei Mal in Folge an Borussia Dortmund ging. In München muss man sich eingestehen, dass beide Titelvergaben völlig berechtigt und verdient waren, weil Dortmund nicht nur fleißig Punkte sammelte, sondern auch spielerisch auftrumpfte. Ganz nach dem Gusto des FC Bayern also, der seit Jahren den Anspruch stellt, sowohl zu gefallen als auch das Schöne zu vergolden.

Spielerisch glänzte Bayern durchaus, aber nur in bestimmten Phasen, als man beispielsweise im vergangenen Herbst zehn Pflichtspiele in Folge gewann. Aber zu unkonstant lieferten die Münchner Höchstleistungen. In der vergangenen Saison verlor man nicht nur zu viele Punkte, sondern auch den Mut. Christian Nerlinger Aussage, dass man den Titel abschreiben müsse, und das schon im März, schlug den Münchenern schwer aufs Gemüt, denn dies war längst nicht mehr das gewohnte und bekannte "Mia san Mia". Anders denkt Matthias Sammer, der den Erfolg darin sieht, indem man sich auf die "eigene Identität" beruft. Die Identität des FC Bayern beinhaltet vor allem Dominanz - diese müssen sie in dieser Saison zurückgewinnen.

Kurzfristig Erfolg haben, langfristig Denken

"Wir müssen etwas verändern", sagte Udo Lattek 1974 seinem Präsidenten Wilhelm Neudecker. Der Bayern-Boss: "Sie haben Recht. Sie sind gefeuert." Trainerentlassungen sind beim FC Bayern nichts Neues und machten auch nie einen Halt vor großen Namen. Allerdings Trainerwechsel gab es beim FC Bayern zuletzt zu viele. Viele gute Ideen wurden schnell wieder verworfen, weil der Erfolg sich nicht einstellte. Ottmar Hitzfeld war nach Befinden der Bayern-Bosse der einzige Mann, der das Star-Ensemble in München führen konnte und wurde gegangen, weil er in einem Europapokalspiel zu heftig rotierte.

Jürgen Klinsmann kam als Reformer, als Erfinder des neuen FC Bayern und war schnell wieder weg. Mit Louis van Gaal war "endlich wieder ein Fußball-Lehrer" da, wie es Uli Hoeneß ausdrückte. Aber das Ego des Niederländers war den Machern zu ausgeprägt. Nun ist Jupp Heynckes wieder da, der zwischen Klinsmann und van Gaal aushalf. Mit jedem Trainer kam eine neue Philosophie, eine neue Idee - langfristig entwickelte sich fast nichts, weil die Philosophien teils zu unterschiedlich waren. Nun ist mit Matthias Sammer ein starker Mann an der Spitze des Sportlichen, der trainerunabhängig die Richtung des Klubs vorgeben soll und wird. Nur: Die Chefs müssen ihn auch gewähren lassen.

Ein Update für Thomas Müller vornehmen

Thomas Müller hätte der große Held der Saison 2011/12 werden können. Sein Führungstreffer im Champions-League-Finale gegen den FC Chelsea schien auch der Siegtreffer zu sein - bis Didier Drogba auftauchte.

Es war die unvermeidbare Pointe einer Saison, die für Müller den ersten großen Knick in seiner Karriere darstellte. Müller, der sich selbst als "Raumdeuter" definierte, hat viel von seiner Leichtigkeit verloren, die ihn zu Beginn seiner Laufbahn ausgezeichnet hat. Die Unbekümmertheit ist weg. Ebenso sein Stammplatz. In der vergangenen Saison fand sich Müller vermehrt auf der Bank wieder, im Sommer kamen sogar Wechselgerüchte auf. Müller will aber nicht weg, Bayern ist sein Verein, hier will er erfolgreich sein und wieder zu alter Form finden.

Trainer Jupp Heynckes hat einen klaren Auftrag formuliert. "Ich erwarte von Thomas, dass er der Thomas Müller wird wie 2010: unberechenbar, läuferisch unheimlich stark, torgefährlich, mannschaftsdienlich, unermüdlich im Einsatz." Aber auch Heynckes hat einen Auftrag: Er muss für Müller ein Platz in seiner Mannschaft finden.

Auf den Außen sind nach wie vor Franck Ribery und Arjen Robben gesetzt, zusätzlich ist die Konkurrenz mit Xherdan Shaqiri größer geworden. Müller spielt aber ohnehin lieber im Zentrum, dort bevorzugt Heynckes aber einen Spielmacher wie Toni Kroos und keinen Abschlussspieler wie Müller.

Der Torschützenkönig der WM 2010 muss sich nicht neu erfinden, aber sein Spiel an die neuen Gegebenheiten anpassen und sich selbst ein Update verpassen. Um das zu schaffen, muss ihm Heynckes entgegenkommen. Vielleicht auch mit einem flexibleren System, in dem wieder mehr Platz für Müllers Läufe in die Tiefe ist. Warum nicht mal mit Müller als falscher Neun?

Mehr Rotation wagen

Kroos oder Müller? Im Prinzip beschränkten sich die Personaldebatten vor den Spielen auf die Position hinter den Spitzen. Wie zementiert wirkte die erste Elf. Heynckes vertraute seinen Spielern aus der zweiten Reihe wie Ivica Olic oder Danijel Pranjic nur selten.

"Der Kader war nicht gut genug", sagte Präsident Uli Hoeneß. Ein bitteres Eingeständnis, dass in der Vorbereitung auf die letzte Spielzeit nicht alles richtig gemacht wurde. Deshalb wurde eingekauft. Der Kader wurde quantitativ und qualitativ aufgemotzt. Ein defensiver Mittelfeldspieler soll noch kommen.

Heynckes hat in dieser Saison mehr Möglichkeiten, er muss sich aber auch trauen, diese auszunutzen. Auch die Stars mit ihren sensiblen Egos müssen die Rotation akzeptieren und still halten. Robben, Ribery und Gomez werden mehr Pausen bekommen, um in entscheidenden Spielen leistungsfähiger zu sein. Denn am Ende, so sagt Matthias Sammer, geht es nicht um den Einzelnen, sondern um das Wohl des FC Bayern.

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