Endlich wieder ausbrechen!

Von Stefan Rommel
Thomas Schaaf muss durch die vielen Abgänge abermals ein neues Team aufbauen
© Getty

Werder Bremen steht vor einer ungewissen Zukunft. Das Duo Schaaf/Allofs muss sich erinnert fühlen an seine Anfangszeit in Bremen. Es gibt unzählige Baustellen. Grundlegend muss sich aber die Stimmung im Klub ändern.

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Von SPOX-Redakteur Stefan Rommel

Ein wenig erinnert Werder in diesen Tagen an die Zeit, als Thomas Schaaf den Klub als Trainer übernahm. 1999 darbte Bremen vor sich hin, war eine graue Maus der Liga, mit der Tendenz alsbald schon abzusteigen.

Was Schaaf und Sportdirektor Klaus Allofs danach aus dem Klub gemacht haben, ist nicht weniger als eine Lebensleistung. Deren Strahlkraft nimmt aber seit zwei Jahren stetig ab und droht nun, vor einer absolut ungewissen Saison, komplett zu erlöschen.

Werder hat die schlechteste Rückrunde der Vereinsgeschichte absolviert, selbst im Abstiegsjahr 1980 waren die Bremer nicht so miserabel. Die Mannschaft verliert in Tim Wiese und Claudio Pizarro ihre beiden Aushängeschilder, dazu die ewig unerfüllte Hoffnung Marko Marin. Weitere Abgänge anderer Leistungsträger sind nicht auzuschließen.

Sokratis-Coup war eine Ausnahme

Auf die Verantwortlichen wartet eine Mammutaufgabe, in fast allen Bereichen klaffen große Löcher. Allofs ist seit drei Jahren in einer Doppelfunktion unterwegs, seitdem hakt es bei den Spielertransfers. Ausnahmen wie der Zukauf Sokratis' in der abgelaufenen Saison bestätigen da nur die Regel.

Noch mehr im Fokus steht aber Trainer Schaaf. Der hat nach einigen taktischen Experimenten in den letzten Jahren wieder auf ein 4-4-2 mit Mittelfeldraute vertraut, das System aus erfolgreicheren Tagen. Nur hatte Werder dafür kaum das passende Personal.

Die beiden tragenden Positionen im Mittelfeld (Sechser und zentraler Offensivspieler) waren qualitativ nicht ausreichend besetzt, die beiden Außenverteidiger sind offensiv zu schwach, um das Spiel permanent anzuschieben.

Die Mannschaft bekommt seit Jahren Gegentore nach denselben Mustern, ist anfällig bei schnellem Umschalten des Gegners und bei Standards, Schaaf hat die nötige Balance zwischen Offensive und Defensive nie richtig gefunden. Dass Pizarro in der Vorrunde fast nach Belieben traf, kaschierte viele Probleme.

Zum Kader passende Spielidee benötigt

Schaaf muss in der kommenden Saison eine Spielidee entwickeln, die dem Potenzial des Kaders angemessen ist. Es dürfte die größte Aufgabe seiner Amtszeit in Bremen werden. Die Struktur des Kaders ändert sich durch die namhaften Abgänge zwangsläufig, hier liegt aber auch eine Chance. Die Altlasten sind dann fast komplett runter von der Gehaltsliste, Verträge zu Konditionen der Champions-League-Zeiten gibt es dann nicht mehr.

Einige junge Spieler mussten zuletzt schon in der Bundesliga ran, auch wenn es ihnen noch an Format dafür fehlt. Der Kader benötigt jetzt eine ausgewogene Mischung, um zum einen eine einigermaßen ruhige Saison zu gewährleisten und zum anderen die jungen Spieler sachte an die Aufgaben in der Bundesliga heranzuführen. Hauruck-Aktionen wie in der letzten Saison schaden dem einen oder anderen mehr, als das sie ihm mittelfristig nutzen.

Die Mentalität der Mannschaft, die sich nur zu oft nach kurzfristigen Erfolgen wieder sicher und komfortabel fühlte, muss sich schleunigst ändern. Auch das wird eine Aufgabe des Trainerteams sein - während die medizinische Abteilung die Flut an (muskulären) Verletzungen bei den Spielern in den Griff bekommen muss.

An alte Tugenden anknüpfen

Ein großes Problem stellt die finanzielle Lage des Klubs dar. Die Einnahmen aus der Königsklasse und hochkarätigen Spielertransfers (Diego, Özil, Mertesacker) sind ausgegeben. Eine bange Frage lautet: Wie soll Werder heute gute Spieler zukaufen können, wenn schon früher - als noch Geld da war - die Transferbilanz allenfalls mittelmäßig war? Hier sind die Flexibilität und Kreativität Allofs' gefragt. Genau wie zur Jahrtausendwende, als der Zustand des Klubs ähnlich prekär war.

Dafür muss Allofs aber auch freie Hand bekommen von einem Aufsichtsrat, der sich eng an dessen Vorsitzenden Willi Lemke orientiert, welcher wiederum nur zögerlich bereit ist, Gelder zur Verfügung zu stellen.

Es muss wieder mehr Reibung in den kompletten Verein, in den letzten Jahren hatten sich alle zu lieb, keiner wollte dem anderen auch mal weh tun, im Sinne einer konstruktiven Verbesserung der Lage. Werder hat zu lange im eigenen Saft geschmort. Es ist Zeit, mal wieder auszubrechen.

 

Seit Beginn von Allofs Doppelfunktion geht es bergab

Vom mySPOX-User kimosch

Zwischen 2002 und 2008 lotste Klaus Allofs als Bremer Sportdirektor Johan Micoud, Valerien Ismael, Miroslav Klose, Tim Wiese, Torsten Frings, Naldo, Diego, Hugo Almeida, Clemens Fritz und Per Mertesacker an die Weser. Sie alle brachten Werder kurz- oder mittelfristig weiter. Hoben das Spiel der Grün-Weißen auf ein höheres Niveau. Machten Bremen wieder zu einer Spitzenmannschaft.

Im März 2009 übernahm Allofs neben seinem Posten als Sportdirektor bei Werder Bremen auch den Job als Vorstandsvorsitzender und verpflichtete im Sommer des selben Jahres Marko Marin. Anschließend wurden für Marko Arnautovic, Wesley und Mehmet Ekici, welche alle tragende Rollen in Werders Spiel übernehmen sollten, knapp 18 Millionen bezahlt. Der Stadionausbau zog und zieht sich immer mehr hin, verschlingt Million um Million. 2009 wurde der letzte Titel gewonnen. In der vorletzten Saison konnte Werder nur knapp dem Abstieg entrinnen. In der zurückliegenden Spielzeit wurde das Saisonziel "Europapokal" nach katastrophaler Rückrunde verpasst. Bringen wir es auf den Punkt: Seitdem Allofs in Doppelfunktion bei Werder arbeitet, ging es Stück für Stück bergab!

Ärger an allen Fronten

Der Posten des Sportdirektors bei einem Bundesligisten ist ein Full-Time-Job. Bei einem Verein, der einen kompletten Kaderumbruch vollziehen muss, umso mehr. Aber Allofs ist immer noch als Doppeljobber unterwegs, muss den Spagat zwischen Geschäftsführung und sportlicher Leitung schaffen, sich dabei noch mit Willi Lemke, den Medien, einer offenkundig miserablen medizinischen Abteilung und abwanderungswilligen Profis befassen, und dabei droht ihm der Verein zu entgleiten.

Ich halte Klaus Allofs für einen fähigen Geschäftsführer, sofern ich das aus meiner Warte beurteilen kann. Ich halte ihn für einen hervorragenden Sportdirektor, der oft genug sein Näschen für Spitzentransfers bewiesen hat. Aber ich bin der Meinung, dass er mit der Doppelfunktion dieser Posten überfordert ist.

Ich habe keinen Einblick in das Tagesgeschäft bei Werder, ich weiß nicht, in welcher Weise beispielsweise Frank Baumann Allofs unterstützt. Meine Meinung ist subjektiv, sie ist von Emotionen gekennzeichnet. Ich sehne mich nach Spitzenfußball, lieber heute als morgen, obgleich mir klar ist, dass ein Umbruch Zeit braucht.

Aber ich habe die Befürchtung, so lange Klaus Allofs Sportdirektor UND Geschäftsführer ist, wird Werder den Weg zurück in die Spitzengruppe der Bundesliga nicht finden. Nicht bei all den Nebenkriegsschauplätzen, die es abseits der Kaderumstrukturierung gibt. Hausaufgabe für Werder, neben all den offenkundigen Aufgaben, ist meiner Meinung nach auch die Auflösung der Doppelfunktion Klaus Allofs.