Zeit, dass sich was dreht

Von Jochen Tittmar
Gesichter des Abstiegs: Die Verantwortlichen von Hertha BSC
© Getty

Nach der Saison ist vor der Saison! Die Bundesligisten arbeiten längst mit Hochdruck auf die Spielzeit 2012/2013 hin. SPOX beleuchtet die Baustellen aller 18 Vereine - im Duett mit einem Mitglied der User-Redaktion. Diesmal: Hertha BSC.

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Von SPOX-Redakteur Jochen Tittmar

Hertha BSC hat eine Saison, die Mitte Oktober noch in geordneten sportlichen Bahnen verlief, auf dramatische Art und Weise in den Sand gesetzt. Es klingt martialisch, aber nicht übertrieben: Berlin wird nun in Liga zwei ums Überleben zu kämpfen haben.

Dort warten auf den Verein zahlreiche Baustellen, die perspektivisch zugeschüttet werden müssen. Dass dem mit rund 38 Millionen Euro verschuldeten Klub das Fernsehgeld um gut neun Millionen Euro schrumpfen wird und aufgrund dieser Kombination einige ertragreiche Spieler die Hauptstadt verlassen (müssen), sind nur zwei davon.

Präsidentenwahl bestimmt Zukunft

Am 29. Mai wird an der Spree ein neues Präsidium gewählt, Werner Gegenbauer ist erneut der einzige Kandidat. Sollte er im Amt bleiben, stehen auch die Chancen auf Weiterbeschäftigung für Manager Michael Preetz gut.

Dass eine Zukunft für Preetz sportlich jedoch kaum aufrecht zu erhalten ist, beweisen zwei Abstiege innerhalb von drei Spielzeiten - mit Mannschaften, die er zusammen gestellt hat. Allein in dieser Saison beschäftigte Preetz fünf unterschiedliche Trainer.

Doch ob der Manager bleiben darf oder gehen muss, viel wichtiger wird sein: Hertha BSC muss sich jetzt mit Haut und Haaren einer Strategie verschreiben, die auf lange Sicht sowohl wirtschaftliche Konsolidierung wie auch sportliche Rehabilitierung beinhaltet.

Nachwuchsarbeit stärker fördern

Das Präsidium muss einschneidende Fragestellungen neu definieren: Welche Werte wird Hertha in Zukunft vertreten? Wie schafft es der Klub, sich noch tiefer in der Hauptstadt zu verwurzeln?

Die sportlich Verantwortlichen mit dem neuen Trainer Jos Luhukay an der Spitze sind dagegen gefordert, eine fußballerische Idee, ein langfristig werthaltiges Konzept, auszuarbeiten und dieses ohne Wenn und Aber durchzuziehen. Aufgrund der eklatanten Wirtschaftslage ist es zwingend notwendig, die fabelhafte Nachwuchsarbeit endlich sinnvoll zu integrieren - auch um eine neue und letztlich höhere Identifikation mit dem kickenden Personal zu schaffen. Ab sofort gilt es zudem, schnellstens ein Spielergerüst von drei bis vier Leistungsträgern zu finden, die das Gesicht der neuen Hertha darstellen sollen.

Mit dieser Idee muss der Verein rigoros nach außen auftreten und darf sich dabei nicht wie zuletzt als Fähnchen im Wind präsentieren, das unter dem Druck und der medialen Hektik einer Millionenstadt umknickt. Hertha BSC hat nur dann eine langfristige Perspektive im Oberhaus, wenn nun nicht ausschließlich darüber nachgedacht wird, wie man unter allen Umständen den direkten Wiederaufstieg erzwingen kann.

Weitblick statt Flickschusterei

Von mySPOX-User Josh9

Ich halte es für zwingend notwendig, dass der Verein nun endlich zu einer Philosophie der ruhigen Hand findet. Statt dieser hektischen und unsäglichen Flickschusterei, sobald man sich in unruhigem Fahrwasser befindet, müssen Ziele mit Weitblick umgesetzt werden.

Weg von dieser "Wir müssen die Liga halten/aufsteigen, egal wie"-Mentalität, hin zu einer echten Idee vom Fußball, die man akribisch und geduldsam auf den Platz bringt - wie auch immer der Tabellenstand oder die Ligazugehörigkeit gerade aussehen wird.

Diese Chance wurde schon in der letzten Zweitligasaison unter Trainer Markus Babbel fahrlässig vertan. Mit großem finanziellen Aufwand, dessen negative Auswirkungen noch in die Folgesaison hineingerieten, wurde der Wiederaufstieg erzwungen. Viel individuelle Klasse und wenig Idee führten letztendlich doch zum erhofften Ziel. Der Erfolg verklärte viele Missstände, die der Weg dorthin offenbarte. Die Nachwirkungen machten sich bald unweigerlich bemerkbar.

Finanzieller Druck

Der finanzielle Druck und die Erwartungshaltung einer Weltmetropole sind enorm, doch diese Umstände führten zu Schnellschüssen, die oftmals eklatante Auswirkungen hatten und innerhalb einer laufenden Saison kaum noch reparabel waren.

Es braucht einen starken Mann, der diese Idee vom Fußball umzusetzen weiß und auch die nötige Kompetenz dafür erhält. Einen Teammanager nach englischem Vorbild halte ich für zwingend notwendig, dies würde auch Kompetenzrangeleien innerhalb des heutigen Trainer-Sportdirektor-Modells entgegenwirken.

Strukturell bedarf es auch einiger Veränderung in den Vereinsgremien. Das Sonnengott-Modell unter Dieter Hoeneß, bei dem nur abgesegnet wird, was der starke Mann vorschlägt, ist unter den derzeitigen Bedingungen keine gute Wahl. Hier braucht es ein Mehr an sportlicher Kompetenz, um als echtes Kontrollorgan auf die Geschäfte einzuwirken.

Vertrauen in Nachwuchs

Die einzige Chance, die Hertha besitzt, ist ihre Möglichkeiten und die erstklassige Vorraussetzung der Trainingsbedingungen sowie der Ausbildungsakademie in diese konzeptionelle Idee einzubinden, um jungen Spielern auch das Vertrauen zu schenken und sie in den Profibereich zu führen - in Kombination mit einem guten Scouting, das Talente erkennt, deren Potential ausschöpft und durch eine erfolgreiche sportliche Umsetzung Transfererlöse erzielen muss, um die finanzielle Lage des Vereins auf lange Sicht zu entspannen.

Hertha BSC braucht einen ruhigen, erfahrenen Steuermann, der besonnen und mit Weitblick das Schiff auch unter starkem Wellengang auf Kurs hält und langfristige Ziele immer im Auge behält.

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