Zeit für mehr Handschrift

SID
Trainer Thorsten Fink steht vor einer nicht weniger schwierigen zweiten Saison mit dem HSV
© Getty

Nach der Saison ist vor der Saison! Die Bundesligisten arbeiten längst mit Hochdruck auf die Spielzeit 2012/2013 hin. SPOX beleuchtet die Baustellen aller 18 Vereine - im Duett mit einem Mitglied der User-Redaktion. Diesmal: Der Hamburger SV.

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Von SPOX-Redakteur Stefan Rommel

Wie die Saison laufen würde, konnte man eigentlich schon relativ früh sehen - weil man quasi gar nichts sah. Ein zusammengewürfelter Haufen versuchte sich in Anweisungen eines Trainer zu fügen, der schon eine Halbserie davor mit seinen Vorstellungen kaum Erfolg hatte.

Dass der HSV am Ende nicht abgestiegen ist, sondern mit Platz 15 gerade noch so daran vorbeigeschrammt ist, können sich die Verantwortlichen leise auf die Brust schreiben. Leise.

Was kommt von Fink?

Trainer Thorsten Fink galt schnell als Heilsbringer, dabei gewann auch er kaum Spiele. Am Ende waren es sechs Siege aus 25 Spielen unter ihm.

Letztlich, und das sollte für die Vorbereitung der kommenden Saison als Mahnmal gelten, ist der HSV auch deshalb nicht abgestiegen, weil es in Lautern, Köln und der Hertha tatsächlich drei Mannschaften gab, die eine derart desaströse Rückrunde hingelegt und den Hamburgern die Abstiegsplätze unfreiwillig weggeschnappt hatten.

Blog"Es fehlt die Umsetzung eines Konzepts!"

Finks taktischem Kniff mit einem der beiden Sechser als Spielgestalter und hochstehenden Außenverteidigern zur Schaffung von Überzahlsituationen im Mittefeld ist leicht zu begegnen, auch die Motivationsschiene hatte sich schnell abgenutzt. Der Trainer muss jetzt Fußballlehrer sein und handwerkliche Dinge ändern in der Sommerpause.

Mentalität der Mannschaft fraglich

Und er muss die Laissez-faire-Mentalität seiner Mannschaft umkrempeln. Selbst in der heiklen Lage im Frühjahr litten einige Spieler offenbar immer noch an Selbstüberschätzung. Erfolgserlebnisse (Siege in Berlin, Köln oder Punktgewinne gegen die Bayern oder in Gladbach) vernebelten die Sinne für das Wesentliche. Die Mannschaft hat keine Konstanz in ihren Leistungen, auch wenn ihr Fink stets bescheinigt, viel mehr zu können, als das was sie zeigt.

Dem Team fehlt es aber an Kreativität aus dem offensiven Mittelfeld heraus, dazu schreien 57 Gegentore (36 unter Fink) nach einem anderen Defensivkonzept. Wobei Fink da phasenweise schon wichtige Schritte getan hat. Ein Spieler wie Raffael, an dem der HSV angeblich interessiert sein soll, wäre eine gute Lösung.

Arnesen vor schwerer Aufgabe

Sportdirektor Frank Arnesen wird sich auch an dieser Sommerpause messen lassen müssen. Er kennt die Liga jetzt, mit den Transfers von Rene Adler und Artjoms Rudnevs hat er schon zwei Marken gesetzt und sich vom Vorwurf, B-"Ware" aus West-London nach Hamburg zu holen, ein Stück distanziert.

Dabei ist die Lage angespannt, der Klub muss seinen Sparkurs weiter fortsetzen. Selbst ein Verkauf von Paolo Guerrero, der Spieler, der bis zu seinem Total-Blackout gegen VfB-Keeper Sven Ulreich unter Fink enorm aufgeblüht war, steht im Raum.

Den Fans, die zu jeder Phase hinter dem Klub standen, muss jetzt noch ein Jahr des Aufbaus kommuniziert werden. Überhöhte Erwartungen helfen niemandem, eine realistische Einschätzung des Leistungsvermögens dürfte von vornherein mehr Ruhe und Gelassenheit bringen. Alles andere wäre schon wieder falsch gedacht.

Der Klub muss endlich aus seinen Fehlern auch lernen. Nur dann hat die schlimme letzte Saison am Ende vielleicht doch noch ein wenig Gutes.

 

Wir brauchen einen positiv Verrückten

Von mySPOX-User gartenzwerg

"Er ist ein extrem hungriger Junge, der sich auch menschlich sehr gut in unsere Mannschaft einfügen wird," sagte Sportdirektor Frank Arnesen über den lettischen Zugang Artjoms Rudnevs bei dessen Vorstellung. Menschlich einfügen... Ist das nun ein Versprechen oder eine Drohung?

Brauchen wir nicht eher einen Typen, der sich dadurch von der Mannschaft abhebt, dass er seinen Siegeswillen nicht vor den Mikros, sondern auf dem Platz zeigt? Jemanden, der seine Mitspieler anfeuert, unterstützt, sich nicht zu schade ist, nach dem Fehler eines Kollegen für diesen in die Bresche zu springen? Und wäre es nicht toll, wenn dieser Jemand auch noch Fußballspielen könnte, Dynamik und Esprit in unser Spiel bringen würde?

Versteht mich nicht falsch, die Verpflichtungen von Rudnevs und Rene Adler machen durchaus Sinn und sind durch die Abgänge von Mladen Petric, David Jarolim und Romeo Castelen auch finanzierbar, doch das Hauptproblem werden beide nicht beheben.

Dafür bedarf es einen positiv Verrückten. Eines Gravesen oder Töfting, die es einst geschafft haben, eine Mannschaft mitzunehmen. Und damit Problem gelöst hatten, an dem Jarolim und Westermann gescheitert sind.

Die zeig(t)en zwar immer vorbildlichen Einsatz, konnten diese Eigenleistung aber nicht auf ihre Mitspieler übertragen, sind dazu fußballerisch limitiert und daher auch keine Führungsspieler.

Die Rahmenbedingungen haben sich beim HSV verbessert. Vorstand und Aufsichtsrat blieben auch in der Krise ruhig und mit Arnesen und Trainer Thorsten Fink kam die Stabilität in die sportliche Leitung, die eine nachhaltige Nachwuchsarbeit und damit auch nachweisbare Ergebnisse in diesem Bereich ermöglichen.

Auch die wirtschaftliche Situation sollte sich in den nächsten Jahren, wenn die letzten Raten der Hoffmann-Transfers beglichen sind, entspannen. Jetzt muss man nur noch aus der Mannschaft eine solche machen. Doch das versucht die europäische Trainergilde schon seit 25 Jahren. Erfolglos.

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