"Die Lampe habe ich immer noch"

Von Interview: Jochen Tittmar
Dortmunds Felipe Santana erzielte in seinen ersten drei Bundesligaspielen jeweils ein Tor
© Imago

Felipe Santana von Borussia Dortmund ist der wahrscheinlich beste Innenverteidiger der Bundesliga - unter den Reservisten. Der Brasilianer kommt beim BVB nicht an Mats Hummels und Neven Subotic vorbei. Im Interview spricht der 25-Jährige über Eingewöhnungsprobleme in Deutschland, eine Harley aus Gelsenkirchen und seine Situation beim deutschen Meister.

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SPOX: Herr Santana, wie sind Sie eigentlich zum Fußball gekommen?

Felipe Santana: Das fing an, als ich noch ganz klein war. Ich glaube, mit ungefähr sechs Jahren habe ich das erste Mal so richtig Fußball gespielt. Es ging in der Schule los und verlagerte sich dann in der Freizeit auf die Straßen in unserer Nachbarschaft.

SPOX: Im Kindesalter will man auf dem Fußballplatz ja immer einer der großen Stars sein. Wer waren Sie damals?

Santana: Ronaldo. Der war damals natürlich in aller Munde. Zu ihm habe ich aufgeschaut. Es war schon unglaublich, wie er damals abgegangen ist.

SPOX: Heutzutage dürfte ein Stürmer aber eher nicht auf Ihrer Favoritenliste ganz oben stehen.

Santana: Ich bewundere Barcas Carles Puyol. Er verkörpert für mich den idealen Verteidiger. Spiele von ihm schaue ich mir unheimlich gerne an.

SPOX: Hatten Sie vor Ihrem Wechsel nach Deutschland eigentlich eine Ahnung von der Bundesliga?

Santana: Natürlich, in Brasilien ist der deutsche Fußball sehr bekannt und auch angesehen. Von Bayern München mit Giovane Elber oder auch von den Brasilianern bei Bayer Leverkusen bekam man schon genug mit. In dieser Zeit entstand dann auch bei mir der Wunsch, eines Tages in Deutschland zu spielen. Ich wusste schon früh, dass die Bundesliga eine starke Liga ist. Daran hat sich seitdem ja auch nichts geändert.

SPOX: Jetzt sind Sie schon fast vier Jahre lang in Deutschland. Wenn Sie sich zurück erinnern an die Anfangszeit, was blieb Ihnen da am meisten haften?

Santana: Eine Menge. Ich bin natürlich ohne Vorurteile nach Deutschland gekommen, konnte aber relativ schnell feststellen, dass die Menschen schon etwas ernster sind. Das Klischee, dass wir Brasilianer eben viele Späße machen, stimmt schon. Es ist gut, wie konzentriert hier jeder seine Arbeit verrichtet.

SPOX: Wie sah es mit den klassischen Eingewöhnungsproblemen aus?

Santana: Ganz am Anfang hatte ich natürlich meine liebe Mühe mit der Sprache. Ich weiß noch, wie komisch es für mich war, zum ersten Mal in meinem Leben Schnee zu sehen. Ich musste mich auch erst an die Art des Fußballs, den Jürgen Klopp spielen möchte, gewöhnen. Das hat zwar nicht ewig gedauert, braucht aber am Anfang immer eine gewisse Zeit.

SPOX: Aus der damaligen Zeit gibt es auch die Geschichte mit der Lampe aus dem Baumarkt. Sie haben sich angeblich von einem Bekannten Vokabeln geben lassen und sind dann alleine losgezogen.

Santana: Ja, das stimmt auch (lacht). Ich habe die Wörter studiert und mir ein paar Sätze auf die Handfläche geschrieben. Dann bin ich in den Baumarkt gefahren und habe gehofft, dass die mich dort verstehen.

SPOX: Und?

Santana: Die Lampe habe ich immer noch (lacht).

SPOX: Vokabeln pauken mit Lehrern ist also nichts für Sie?

Santana: Nein, meine Sprachschule war die Straße und der tägliche Umgang mit meinen Kollegen. So konnte ich Tag für Tag neue Wörter und natürlich auch ganze Sätze dazulernen. Das ist bis heute natürlich auch noch nicht abgeschlossen. Am meisten Schwierigkeiten bereitet mir die Grammatik oder auch der Wechsel der Wörter im Vergleich zum Portugiesischen. 'Vinte e um' beispielsweise heißt wörtlich übersetzt zwanzig und eins, im Deutschen muss man dann einundzwanzig daraus machen.

SPOX: Als Sie zum BVB kamen, waren immerhin noch Ihre Landsmänner Dede und Tinga da. Wie froh waren Sie darüber?

Santana: Sehr. Ich war in dieser Zeit ja laufend mit den beiden zusammen. Wir haben in unserer Freizeit viel zusammen gemacht. Die meiste Zeit waren wir im Haus von Dede. Mittlerweile habe ich vor allem mit Rafinha und Renato Augusto viel Kontakt.

SPOX: Sie sind leidenschaftlicher Motorrad-Fahrer und Besitzer einer Harley Davidson. Die Maschine stammt jedoch von einem Schalke-Fan aus Gelsenkirchen. Das müssen Sie natürlich erklären.

Santana: Das dachte ich mir schon (lacht). Ich war eben irgendwie schon immer ein großer Fan von Motorrädern. Ich hatte seit jeher den Traum, mir eines Tages eine echte Harley zu kaufen. Nachdem wir die Meisterschaft gewonnen haben, dachte ich, dass es nun der richtige Zeitpunkt sei, diesen Traum endlich zu verwirklichen. Ich habe mit Marcelo Bordon gesprochen, der mir dann die Nummer von einem Hersteller aus Gelsenkirchen gab. So kam der Kontakt zustande. Dort habe ich mir die Maschine nach meinen Vorstellungen zusammenstellen lassen. Ich habe jetzt ein echtes Höllengerät (lacht).

SPOX: Sie haben weite Teile der Vorbereitung aufgrund von Sprunggelenksproblemen verpasst. Wie sehr haben Sie das Verletzungspech in letzter Zeit verflucht? Schließlich waren Sie am Ende der Hinrunde sehr nah dran, Neven Subotic zu verdrängen...

Santana: Es ist natürlich schade, aber man muss realistisch bleiben: Verletzungen kommen im Fußball eben vor, so einfach ist das. Ich kann ja nicht mit einer Blessur einfach weiterkicken. Jetzt bin ich wieder mit dabei und trainiere sehr gut. Es ist alles offen.

SPOX: Dennoch hat man nicht unbedingt das Gefühl, dass Sie sich dank Ihrer guten Leistungen einen Vorsprung herausarbeiten konnten.

Santana: Dazu kann ich wenig sagen. Letztlich entscheidet immer der Trainer, wer spielen darf. Seine Entscheidung respektiere ich immer.

SPOX: Klopp sagte, dass bei Ihnen zu Beginn der Hinrunde das Selbstvertrauen "nicht so da" gewesen wäre. Hatte er damit Recht?

Santana: Nein, da würde ich nicht mit ihm übereinstimmen. Ich denke, ich habe gezeigt, dass mein Selbstvertrauen mit der Spielpraxis immer weiter wächst. Das ist ja auch normal - je regelmäßiger man spielt, desto sicherer wird man. Als das durch die Verletzung von Neven gegeben war, habe ich meine Aufgabe als Innenverteidiger sofort erfüllt und konnte der Mannschaft helfen.

SPOX: Sie werden vor allem für Ihre Schnelligkeit, Zweikampfstärke und Zuverlässigkeit gelobt. Als Schwachpunkt wird oft die Spieleröffnung genannt. In welchem Bereich sehen Sie für sich den größten Nachholbedarf?

Santana: Individuell arbeite ich selbstverständlich in allen möglichen Bereichen, um mich eben ständig zu verbessern. Die Kritik an meiner Spieleröffnung hängt meiner Ansicht nach mit der fehlenden Spielpraxis zusammen. Wenn man selten spielt, kann man nicht davon ausgehen, dass sofort alles perfekt zusammenläuft.

SPOX: Da Sie oft nur auf der Bank sitzen, ist Ihre Zukunft beim BVB immer wieder ein Thema. Wie ist der Stand der Dinge?

Santana: Ich muss natürlich an meine Zukunft denken, gerade wenn ich so selten zum Einsatz komme. Sollte sich dann die eine oder andere Chance ergeben, muss man sich darüber natürlich unterhalten. Nicht mehr und nicht weniger. Aktuell gibt es aber keine Tendenz.

SPOX: Bremens Naldo stand kurz vor einem Wechsel in die Heimat, um in Brasilien noch mehr im Fokus zu stehen und somit seine Chance auf eine WM-Teilnahme 2014 zu erhöhen. Ist das für Sie nachvollziehbar?

Santana: Ich glaube eigentlich nicht, dass es vorteilhafter ist, in Brasilien sozusagen vor der Haustüre zu spielen. Der Nationaltrainer ist sehr gut informiert und weiß natürlich auch über die Entwicklung von uns 'Europäern" Bescheid. Daran sollte es nicht scheitern. Es ist mein großer Traum, eines Tages in der Selecao zum Einsatz zu kommen.

SPOX: Haben Sie auch Träume auf Klubebene?

Santana: Einen konkreten Klub kann ich Ihnen nicht nennen. Die Premier League könnte ich mir später aber einmal vorstellen, doch bis dahin ist noch genügend Zeit.

Felipe Santana im Steckbrief

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