BVB: Crunchtime für Kuba und das Kollektiv

Von Jochen Tittmar
Borussia Dortmund hat ohne Mario Götze bislang zwei Spiele gewonnen und zwei verloren
© Getty

Dem Ausfall von Mario Götze kann Borussia Dortmunds Trainer Jürgen Klopp etwas Gutes abgewinnen. Seine Mannschaft muss nun jedoch dauerhaft beweisen, nicht von der Genialität des 19-Jährigen abhängig zu sein. Für Jakub Blaszczykowski kommt dessen Verletzung allerdings gerade recht.

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"Es ist aber nichts Dramatisches."

Jürgen Klopp war am Montag noch guter Dinge. Selbst Mario Götze, der nun mit einer Stressreaktion am Schambein bis zu zwei Monate pausieren muss, twitterte am Dienstagmittag noch von seiner Hoffnung, bald wieder beim BVB mitmischen zu können.

Daraus wird aber nichts, wie sich kurz nach Götzes Tweet herausstellte. Dortmund wird sechs bis acht Wochen ohne seinen Shootingstar auskommen müssen. Spieler wie der Ex-Bremer Ümit Davala oder auch Bayerns Arjen Robben hatten mit einer ähnlichen Blessur übermäßig lange zu kämpfen.

Robben bezeichnete die Entzündung seines Schambeins sogar als "schlimmste Verletzung in meinem Leben", da der genaue Heilungsverlauf kaum abschätzbar sei.

Hoffnung auf schnellere Genesung als bei Robben

Bei Götze, dessen Adduktorenprobleme aus der Vorbereitung nun ihre Ursache gefunden haben, scheint das Ausmaß nicht ganz so groß zu sein. Er leidet lediglich an einer Vorstufe der Schambeinentzündung, muss aber dennoch gänzlich pausieren.

"Mario braucht jetzt absolute Ruhe und darf erst einmal gar nichts machen", erklärte Manager Michael Zorc, "anschließend wird entschieden, wie er in der Reha gezielt aufgebaut wird". Immerhin sei "die Sache früh genug erkannt worden", so Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke, der damit die Hoffnung verbindet, dass der 19-Jährige nicht ähnlich lange ausfällt wie seinerzeit Robben.

Götze darf zur Ruhe kommen

Was heißt Götzes Ausfall nun für ihn und die Borussia? Klopp sah in der Nachricht zunächst auch einen kleinen Vorteil: "Das einzig Positive an dieser Verletzung ist, dass er jetzt endlich einmal ein paar Tage Ruhe hat und nicht in der Öffentlichkeit auftaucht."

Ein richtiger Einwand des Trainers. Der Hype um Götze nahm in der Vorrunde bisweilen groteske Ausmaße an. Ob Heilsbringer des deutschen Fußballs, der nächste Lionel Messi, Gerüchte über millionenschwere Transfers - die Meldungen in der Öffentlichkeit überschlugen sich.

Dass dieser Rummel nicht spurlos an Götze vorbei ging, gab dieser unumwunden zu: "Es ging alles sehr schnell. Es war auch nicht so einfach, wie es vielleicht von außen schien, das alles in dieser kurzen Zeit zu verarbeiten. Es ist natürlich nicht so einfach, normal zu bleiben. Man bewegt sich plötzlich in anderen Sphären", sagte der Mittelfeldspieler in einem Interview mit der "FAZ".

Das Kollektiv ist gefragt

Ein wenig spiegelte sich das auch in seinen Leistungen wider. Gerade gegen Ende der Hinrunde fehlte ihm die Leichtigkeit und Konstanz, zudem konnte man eine gewisse Müdigkeit konstatieren. Man muss medizinisch nicht extrem bewandert sein, um zu erkennen, dass eine Stressreaktion auch etwas mit den vielen Spielen, den ständigen Reisen und den äußeren Einflüssen zu tun hat.

Klopp mahnt daher Geduld an und verweist auf die Tatsache, "dass wir es mit einem blutjungen Burschen zu tun haben". Götze "Eins-zu-eins zu ersetzen, ist unmöglich", sagt Watzke zwar verständlicherweise, dennoch betonen die Vereinsverantwortlichen seit Monaten unisono, dass keine Abhängigkeit von Götze bestehe.

Für das Team bietet sich daher nun die Gelegenheit, den Gegenbeweis anzutreten und zu demonstrieren, dass Dortmunds Fußballarbeit nur über das Kollektiv funktioniert und nicht auf die spontanen Eingebungen eines Hochtalentierten angewiesen ist.

Doch als Götze nach seiner Roten Karte in Leverkusen zwei Spiele fehlte, verlor die Borussia prompt beide Partien (jeweils 1:2 gegen Hertha BSC und Hannover).

Kuba wollte weg

"Es ist wichtig, dass er weiß, dass es auch ohne ihn geht", betont Klopp demonstrativ und verweist auf die beiden letzten Spieltage, als die Borussia in Freiburg und Hamburg mit 9:2 Toren gewann - und zwar ohne Götze.

Der Coach sagt zwar, dass personell nun nicht mehr viel passieren dürfe. Doch der Kader des Meisters ist mittlerweile breit genug aufgestellt, um zumindest vier potentielle Götze-Vertreter bereitzustellen. Kevin Großkreutz, Ivan Perisic und Moritz Leitner können rechts im Mittelfeld bedenkenlos eingesetzt werden.

Götzes Verletzung - so unfair es sich auch anhört - kommt aber in erster Linie vor allem für Jakub Blaszczykowski wie ein Geschenk daher. Der Pole zeigte zuletzt ansteigende Form, absolvierte eine starke Vorbereitung und wird daher auch die nächsten Partien für Götze auflaufen.

Das aktuelle Hoch des Polen kommt insofern überraschend, da Kuba noch Ende September öffentlich sein Reservistendasein anprangerte. "Ich bin nicht zufrieden damit, wie ich hier eingesetzt werden. Warten wir mal bis Dezember. Einige Dinge enden eben irgendwann. Wenn ich keine Gelegenheiten bekomme, öfter zu spielen, würde ich mein Spiel irgendwo anders - nicht unbedingt in Dortmund - probieren", sagte der gefrustete 26-Jährige.

PR in eigener Sache

Der Kapitän der polnischen Nationalmannschaft, der in über vier Jahren in Dortmund nie die in ihn gesetzten Erwartungen erfüllen konnte und zu inkonstant und torungefährlich auftrat, hat nun etwa vier Monate Zeit, sich für die EM im eigenen Land noch besser in Form zu bringen. Er sollte diese Phase aber auch dringend nutzen, um bei seinem ständigen Arbeitgeber Werbung in eigener Sache zu betreiben.

Mit dem Transfer von Marco Reus sind Kubas Chance auf regelmäßige Einsatzzeiten beim BVB im kommenden Jahr nicht gerade gestiegen. Jetzt hat er die Möglichkeit auf regelmäßige Spielpraxis. Zeigt er als Götze-Vertreter konstante Darbietungen und liefert als Sahnehäubchen noch eine ordentliche EURO 2012 ab, dürften seine Chancen bei den Westfalen, aber auch bei anderen Klubs erheblich steigen.

Polnische rechte Seite

Dortmunds Fußball wird sich ohne Götze und mit Blaszczykowski natürlich nicht grundlegend ändern. Dennoch ist Kuba als reiner Flügelspieler deutlich eindimensionaler veranlagt als Götze.

Während Götze gerne intuitiv auch die Seite wechselt oder immer wieder das Zentrum aufsucht, ist der Aktionsradius des Polen etwas eingeschränkter.

Das muss allerdings nicht zwingend ein Nachteil sein. Künftig spielt Kuba mit einem seiner engsten Vertrauten beim BVB im Rücken. Bekleidete Rechtsverteidiger Lukasz Piszczek zusammen mit seinem Landsmann die rechte Seite, bewiesen beide sowohl offensiv als auch defensiv eine gute Abstimmung, die mit weiteren Einsatzzeiten sicherlich noch verbessert werden kann.

Und vorne lauert auch noch Kumpel Robert Lewandowsk, der dritte Pole, auf fachgerechte Hereingaben.

Die beiden letzten Partien haben eines angedeutet: Die Schwächung durch Götzes Ausfall hält sich in Grenzen.

Der Götze-Ersatz: Jakub "Kuba" Blaszczykowski im Steckbrief

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