Das Halbjahr Heynckes

Von Florian Bogner
Das erste Halbjahr nach Jupp Heynckes' Rückkehr als Bayern-Trainer neigt sich dem Ende
© Getty
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18. Oktober: Die Bayern bestehen im San Paolo, bringen aus Neapel ein 1:1 mit. Manuel Neuer muss zwar erstmals seit langem wieder hinter sich greifen (Eigentor Badstuber), stellt aber wettbewerbsübergreifend mit 1146 Minuten ohne Gegentor einen neuen Klubrekord auf.

20. Oktober: Uli Hoeneß tritt mal wieder aufs Gas. Der FCB-Präsident sagt in einem Interview: "Bei Jürgen Klinsmann haben wir für zigtausend Euro Computer gekauft. Da hat er den Profis in epischer Breite gezeigt, wie wir spielen wollen. Wohlgemerkt: wollen!" Heynckes habe dagegen "einen Flipchart und fünf Eddingstifte. Da kostet einer 2,50 Euro. Und da malt er auf die Tafel die Aufstellung des Gegners und sagt ein paar Takte dazu. Mit Heynckes gewinnen wir Spiele für 12,50 Euro, und bei Klinsmann haben wir viel Geld ausgegeben und wenig Erfolg gehabt." Touche.

23. Oktober: Bayern gerät erstmals seit Saisonstart wieder in Rückstand, verliert 1:2 in Hannover. Boateng fliegt nach einer Schubserei vom Platz. Heynckes ist mit der Leistung dennoch zufriedener "als bei manchen 7:0- oder 5:0-Spiel". Kurz zuvor hatte er seine Forderung nach weiteren Stars erneuert: "Wir müssen die Mannschaft nicht nur ergänzen, sondern weiter verstärken! Klar ist: Der FC Bayern sollte für jede Saison zwei absolute Top-Stars verpflichten."

26. Oktober: Im Pokal wird der FC Ingostadt von einer B-Elf mit 6:0 weggeputzt. David Alaba spielt klasse, Takashi Usami läuft erstmals in der Allianz Arena auf und besorgt als Joker gleich ein Tor. Heynckes, der ansonsten nicht so viel rotieren lässt wie in Leverkusen, wird bestätigt und wiederholt sein Wechselspiel später im unbedeutenden letzten CL-Gruppenspiel gegen Manchester City (0:2).

31. Oktober: Oliver Kahn schreibt in seinem Blog auf "eurosport.yahoo.de": "Ich gehe davon aus, dass sich in der Tabelle bis zum 34. Spieltag keine gewaltigen Veränderungen mehr ergeben werden und der FCB mit zehn Punkten Vorsprung deutscher Meister wird." Abwarten, Oliver.

1. November: Nach zahlreichen Lobesarien (Hoeneß: "Er erhebt Fußball zur Kunst") wiegelt Heynckes ab. "Wenn ich solche Worte höre, fühle ich mich zurückversetzt in meine Zeit als Spieler mit Borussia Mönchengladbach. Da haben wir große Zeiten erlebt, wo wir manchmal Fußball zelebriert haben. Aber das sind meine Spieler, meine Mannschaft und unser Betreuerteam, die optimal zusammenarbeiten. Ich bin nur ein Teil des Ganzen, mehr nicht", sagt der Coach.

2. November: Der 3:2-Erfolg gegen den SSC Neapel gerät zum Pyrrhus-Sieg, weil sich Bastian Schweinsteiger im Luftkampf mit Gökhan Inler das Schlüsselbein bricht. Nach der Szene weicht merklich Luft aus dem Stadion, die Mitspieler sprechen hinterher von einem "Schockzustand". Ohne seinen Steuermann spielt der FCB fortan unausgeglichen und hat die nächsten Spiele arge Probleme, die rechte Balance zu finden.

18. November: Der FCB verlebt eine äußerst ruhige Jahreshauptversammlung mit viel Applaus für die bisherigen Leistungen. Rummenigge stellt klar, dass man bezüglich einer Vertragsverlängerung mit Heynckes erstmal die gesamte Saison abwarten will: "Jupp will im Moment keinen Vertrag verlängern - nicht, weil er aufhören will am 30. Juni 2013, sondern weil er die Ziele, die wir alle anstreben, erstmal einfahren möchte. Dann werden wir uns im Sommer 2012 hinsetzen und schauen, wie es aussieht."

19. November: Im Spitzenspiel setzt es eine empfindliche 0:1-Heimniederlage gegen ein nicht berauschendes, aber defensiv sehr diszipliniertes Borussia Dortmund. Wieder fehlt den Münchnern nach einem Rückstand die zündende Idee. Immerhin ist Arjen Robben zurück in der Startelf, ihm mangelt es aber noch an Spielpraxis.

22. November: Mit einem 3:1 gegen Villarreal macht der FCB den Gruppensieg in der Champions League perfekt. Die richtige Mischung hat Heynckes aber immer noch nicht gefunden, in der Mittelfeldzentrale wird jedenfalls fleißig durchrotiert: Mal spielt Alaba den offensiveren Part auf der Sechs, mal Kroos.

27. November: Bayern verliert die Tabellenführung mit einem 2:3 in Mainz nach exakt drei Monaten wieder. Nutznießer: Dortmund. Nach drei Niederlagen in fünf Spielen kommt erstmals deutlichere Kritik auf. "Wir haben einen negativen Trend", sagt Christian Nerlinger. Man habe teilweise "grundlegende Eigenschaften vermissen lassen". Daniel van Buyten findet bei SPOX ungewöhnlich harte Worte: "Am Anfang der Saison sind wir mehr gelaufen, manchmal sogar umsonst. Aber wir sind gelaufen. Wir müssen dem Gegner auch mal wehtun, indem wir mehr in die Tiefe gehen und die Laufwege machen. Wir sind viel zu brav. Wir müssen wieder mehr als Team auftreten, im Endeffekt müssen wir wieder richtig professionell auftreten. Momentan ist alles ein bisschen so wie letzte Saison."

3. Dezember: Eine starke zweite Halbzeit reicht zu einem 4:1 über Verfolger Werder Bremen - und zur Rückkehr an die Tabellenspitze. Arjen Robben trifft doppelt vom Elfmeterpunkt und befindet sich damit endlich wieder überm Berg. Der vergrippte Heynckes sieht gegen Werder ein Team, "das intakt ist und zusammenhält. Der eine ist für den anderen da. Das gibt mir nicht nur Optimismus für die nähere Zukunft, sondern das zeigt mir, dass es in Mainz ein Ausrutscher war."

5. Dezember: In Berlin kommen Gerüchte auf, Markus Babbel könnte Heynckes ab 2013 als Bayern-Coach beerben. Hoeneß reagiert belustigt, sagt: "Totaler Blödsinn. Sie können sicher sein, dass wir den Jupp Heynckes nicht zum Frühstücksdirektor machen werden. Er hat einen Vertrag bis Juni 2013, und über den werden wir sicher keine Sekunde nachdenken." Thema gegessen.

9. Dezember: Danijel Pranjic und Ivica Olic kommen unter Heynckes kaum zum Einsatz. Wechsel im Winter stehen zur Debatte, der Coach will aber niemanden abgeben. "Ich lasse nicht zu, dass Olic geht", sagte er: "Ich glaube, er findet wieder zurück zu alter Stärke." Unter Heynckes müssen sich alle fügen, der Trainer erklärt jedem Spieler aber auch ruhig und besonnen, was er denkt.

15. Dezember: Zwei Spiele gegen den 1. FC Köln und im Pokal beim VfL Bochum stehen noch aus. Heynckes will erst danach sein Halbjahresfazit ziehen, sagt aber: "Wenn wir beide Spiele gewinnen, dann freue ich mich auf die Winterpause. Und auf Weihnachten." Für die Rückrunde kündigt der Coach indes schon mal an: "Wenn Bastian Schweinsteiger zur Verfügung steht und sich Robben Spiel für Spiel seiner Normalform annähert, haben wir eine Truppe, die auf ganz hohem Niveau Fußball spielen kann - und solche Teams sind dann meistens auch sehr erfolgreich."

16. Dezember: Heynckes gewinnt mit dem FC Bayern die Herbstmeisterschaft: 3:0-Sieg über den 1. FC Köln, obwohl die Münchner wegen Franck Riberys Gelb-Roter Karte fast eine Stunde in Unterzahl waren. Heynckes missfallen solche Disziplinlosigkeiten - aber wie immer verzichtete er öffentlich auf eine Abmahnung. Typisch für den Stil des Bayern-Trainers.

Jupp Heynckes im Steckbrief

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