Gladbach ist mehr als Reus und ter Stegen

Von Fatih Demireli
Stranzl, Neustädter, Jantschke und Co.: Das sind Gladbachs Schattenmänner
© spox

Borussia Mönchengladbach startet durch und kann sogar aus eigener Kraft Herbstmeister werden. Doch der Erfolg ist nicht nur Marco Reus oder Marc-Andre ter Stegen zu verdanken. Trainer Lucien Favre hat eine homogene Mannschaft mit wichtigen Korsettstangen. Bei SPOX stellt Sportdirektor Max Eberl die Schattenmänner Roman Neustädter, Tony Jantschke und Co. vor.

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Borussia Mönchengladbach gegen Borussia Dortmund: Am Samstag (15.15 Uhr im LIVE-TICKER und auf Sky) steigt im Borussia-Park das Schlagerspiel des Zweiten gegen den Ersten. Beide Mannschaften können aus eigener Kraft die Herbstmeisterschaft holen. Mönchengladbach gelang das zuletzt 1976...

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Vier Spieler stehen permanent im Fokus, wenn es um die neuen, erfolgreichen Fohlen geht: Marco Reus, Marc-Andre ter Stegen, Dante und Juan Arango. Doch die Gladbacher haben viel mehr zu bieten als dieses Quartett. SPOX und Gladbachs Sportdirektor Max Eberl stellen die Spieler vor, die großen Anteil am Aufschwung haben.

Filip Daems

33 Jahre | Linker Verteidiger | 12 Saisoneinsätze, 3 Tore

Situation: Zwischen der aktuellen Hinrunde und der Hinserie der Vorsaison liegen Welten - und das nicht nur punktemäßig. Viele Spieler haben sich enorm gesteigert: Filip Daems ist wohl das beste Beispiel. In der Vorsaison eine der "Sündenböcke" für den Fast-Abstieg, gewann er unter Lucien Favre zu alter Stärke zurück. "Ich war in der letzten Hinrunde mit mir auch nicht zufrieden", sagt der Belgier. "Dann lief es aber besser. Für die Mannschaft und für mich." Schon in der vergangenen Rückrunde begann dieser Prozess und dennoch holte Gladbach in Oscar Wendt einen Champions-League-erprobten Außenverteidiger, der Daems den Platz streitig machen sollte. Wendt spielt nicht, dennoch ging der Transfer voll auf - auch wenn Daems den Wendt-Effekt nur bedingt zugeben will: "Selbstverständlich nimmt man aber zur Kenntnis, dass die Konkurrenz deutlich größer geworden ist. Trotzdem habe ich in der Vorbereitung nichts anders gemacht, als in den Jahren zuvor." Daems spielt konstant und Favre hat keinen Grund seinen Routinier rauszunehmen. Zum Leidwesen von Wendt...

Das sagt Max Eberl:"Wenn eine Mannschaft Selbstvertrauen tankt und mit den Anweisungen des Trainers eine Struktur entwickelt, dann ist es für jeden einzelnen Spieler möglich besser zu spielen und sich zu entwickeln - egal im welchen Alter. Filip Daems ist ein Beispiel dafür. Er hat davon profitiert, dass mit Lucien Favre eine neue Struktur entstanden ist."

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Tony Jantschke

21 Jahre | Rechter Verteidiger | 14 Saisoneinsätze

Situation: Eines ist sicher: Er kann besser kicken, als dass er singen kann, wie dieses Video beweist. Seine fußballerischen Fähigkeiten reichen ohnehin, um positiv aufzufallen. Er ist eine der Entdeckungen unter Favre, der den Youngster quasi wie ein Neuzugang in der Mannschaft installierte und dafür Kapitän Tobias Levels opferte. Levels suchte nach Saisonende das Weite, Jantschke ist in seiner Entwicklung dagegen mindestens einen Schritt weiter fortgeschritten. Weder Oscar Wendt, der rechts spielen kann, noch Top-Talent Matthias Zimmermann kommen an ihm vorbei. Jantschke geht seine Rolle eher konservativ als forsch an - zur Freude von Disziplinfanatiker Favre. Für Jantschke ist es trotz des jungen Alters fast schon ein verspäteter Durchbruch, ist er doch schon seit 2008 bei den Profis.

Das sagt Max Eberl: "Unter Hans Meyer hat er erste Bundesliga-Erfahrung sammeln können. In einem Dortmund-Spiel hat er sich schwer verletzt und war im Anschluss nicht mehr vordergründig Stammspieler: Immer wieder im Kader, im Training dabei, aber weil Tobias Levels gespielt hat, hatte er Probleme. Mit jedem neuen Trainer gibt es eine neue Konstellation. Bei Lucien Favre hat er seine Chance genutzt. Tony ist nicht nur bei uns eine feste Größe, sondern auch in der U-21-Nationalmannschaft, wo er Kapitän ist. Tony spielt sicher keinen aufregenden, aber einen äußerst soliden und konstruktiven Part. Er ist sehr zweikampfstark und hält Marco Reus oder Patrick Herrmann den Rücken frei."

Roel Brouwers / Martin Stranzl

Brouwers: 30 Jahre | Innenverteidiger | 8 Saisoneinsätze

Stranzl: 29 Jahre | Innenverteidiger | 8 Saisoneinsätze

Situation: Die Hinrunde 2010/2011 war vor allem ein Abwehrproblem: Nicht nur die unbeständigen Leistungen, sondern vielmehr die personellen Engpässe ließen Gladbach zur Schießbude der Liga mutieren. Dante und Roel Brouwers waren gesetzt, spielten aber aus Verletzungsgründen kaum zusammen. Bamba Anderson konnte das Duo nicht adäquat ersetzen und so reagierte Gladbach mit der Verpflichtung von Martin Stranzl in der Winterpause. Stranzl hatte Bundesliga-Erfahrung hat, aber vor allem brachte er Qualität mit in den Abstiegskampf. Stranzl gab der Mannschaft auf Stabilität und entpuppte sich zudem als Führungsfigur. Heute hat Favre den Luxus, neben dem gesetzen Dante zwischen Stranzl und Brouwers aussuchen zu dürfen: auch eine neue Qualität. Die Konstanz, aber vor allem die Qualität, spiegelt sich in der Tabelle wieder: Gladbach hat nach Bayern die beste Abwehr der Liga.

Das sagt Max Eberl: "Eine Mannschaft braucht Korsettstangen, Brouwers und Stranzl sind welche - genauso wie Dante. Wir waren sehr froh, dass wir Stranzl, ein Spieler mit großer Erfahrung und positiver Ausstrahlung, im Winter holen konnten. Stranzl, sein Pendant Brouwers, der eine große Torgefahr ausstrahlt und Dante bilden abwechselnd ein Fundament, das sehr wichtig für uns ist."

Roman Neustädter

23 Jahre | Defensiver Mittelfeldspieler | 14 Saisoneinsätze

Situation: Der frühere Mainz-Trainer Jörn Andersen sagte einst über Roman Neustädter: "Er ist wie der junge Michael Ballack." Neustädter hat für diesen Vergleich nicht viel übrig: "Vielleicht sind wir uns in der Körpergröße und dem Laufstil ähnlich. Ansonsten gibt es da nicht viel. Weil er mehr einer war, der in die Spitze gegangen ist und selbst den Abschluss gesucht hat. Ich mag es eher, das Spiel von hinten heraus zu machen." So dominant wie Ballack ist Neustädter in Mönchengladbach in der Tat noch nicht, aber die Wichtigkeit des Youngsters steigt stetig. Schon Michael Frontzeck hielt große Stücke auf den Ex-Mainzer, dessen Vater Peter schon für Mainz spielte. Doch wie viele andere hat er unter Favre einen klaren Aufwärtstrend erkennen lassen: Zweikampfstark war er ohnehin, jetzt kommt auch etwas mehr Mut dazu, was den Spielaufbau anbelangt. Auch bei Neustädter hat es gedauert, bis der richtige Durchbruch vonstatten gehen konnte. Inzwischen ist er sogar für die Nationalmannschaft ein Thema, aber nicht etwa für Joachim Löw, sondern für die Ukraine. Dort liegen die Wurzeln des Mittelfeldspielers. Erste Gespräche haben stattgefunden. Wenn die Formalitäten geklärt werden, könnte Neustädter bei der EM 2012 spielen.

Das sagt Max Eberl: "Er ist gleichzeitig mit Marco Reus zu uns gekommen. Reus hat sich nach drei Monaten einen Stammplatz erkämpft. Bei Roman hat es eineinhalb Jahre gedauert. Er hat ein Tal durchschritten und hat sich gefragt: 'Warum komme ich hier nicht weiter?' Roman hat aber weiter daran gearbeitet und sehr viel gelernt. 2011 setzt er es um. Wir wussten immer, dass er fußballerische und strategische Fähigkeiten hat. Er ist eine sehr wichtige Größe in unserem System."

Havard Nordtveit

21 Jahre | Defensiver Mittelfeldspieler | 14 Saisoneinsätze

Situation: Eigentlich sollte er zu Manchester United und der Vertrag lag auch schon unterschriftsreif auf dem Tisch, aber dann schaute Arsene Wenger höchstpersönlich im norwegischen Haugesund vorbei, um den damals 17-Jährigen zu beobachten. Es war Liebe auf dem ersten Blick und wenig später war der Transfer auch perfekt. Trotz vielversprechender Auftritte bei der Arsenal-Reserve, wo Nordtveit auch Kapitän war, gelang ihm nie der Durchbruch bei den Profis. Also behalf man sich mit Leihwechseln: nach Salamanca, Nürnberg oder Lilleström und jeder neue Versuch, bei den Gunners durchzustarten, misslang. In Gladbach ist er dagegen unumstritten: Favre schätzt die ruhige Art des Nordlichts, der in der Defensive einen souveränen Part spielt und mit Neustädter ein kongeniales Duett im Zentrum bildet.

Das sagt Max Eberl: "Im vergangenen Winter hat man gesagt: 'Du kannst doch keinen 20-Jährigen von Arsenal holen. Der wird keine Rolle spielen.' Doch! Weil er die Qualität hat, eben mit 19 zu Arsenal zu gehen. Er hat in Nürnberg und Lilleström immer gespielt. Dass er bei Arsenal nicht gespielt hat, ist doch kein Ausschlusskriterium. Ganz im Gegenteil. Mit seinen Qualitäten in der Defensive war es eine sehr gute Investition für eine Position, auf der wir Probleme hatten."

Patrick Herrmann

20 Jahre | Außenbahnspieler | 11 Saisoneinsätze, 2 Tore

Situation: Alleine schon aufgrund seines Talents wurde Herrmann lange Zeit mit Marco Reus in einem Atemzug genannt - das Talent des Herrmann ist heute noch riesig, auch wenn die Entwicklung nicht ganz so rasant war wie bei Reus. Doch inzwischen hat auch Herrmann die Gunst des Aufschwungs genutzt und sich zuletzt in den Vordergrund gespielt. Als Igor de Camargo verletzt ausfiel, rechneten viele mit Raul Bobadilla, aber Favre gab Herrmann eine Chance. Nach dem 5:0 gegen Bremen lobte der Coach demonstrativ Herrmanns Leistung und nicht Drei-Tore-Mann Reus. Der schnelle Außenbahnspieler muss aber nun die Konstanz zeigen, um dauerhaft zu spielen. Dass Favre im Derby Herrmann statt des wieder genesenen de Camargo spielen ließ, ist schon mal ein guter Anfang.

Das sagt Max Eberl: "Bei dem Weg, den wir gehen, müssen wir von unserer sehr guten Nachwuchsarbeit profitieren. Mit Jantschke, ter Stegen und Herrmann haben wir drei Spieler aus der Borussia-Jugend in der Stammelf. Herrmann ist seit vier Jahren bei den Profis und hat schon einmal einen großen Schritt gemacht, erlitt aber dann einen Rückschlag. Für junge Spieler ist das ganz normal in der Entwicklung und darf nicht so eng gesehen werden, stattdessen muss eine Lösung gefunden werden, wie es wieder aufwärts geht. Patrick hat immer an seine Chance geglaubt, obwohl er bei Favre in der letzten Saison nicht so häufig gespielt hat. Er hat den Ausfall von de Camargo sehr gut genutzt."

Mike Hanke

28 Jahre | Stürmer | 13 Saisoneinsätze, 2 Tore

Situation: Es gab nicht nur freudige Gesichter in Mönchengladbach, als die Borussia Mike Hanke als "Retter im Abstiegskampf" präsentierte. Der Angreifer hatte zuletzt in Hannover nicht gerade legendäre Spiele abgeliefert. Aber Hanke hat alle Zweifler besiegt: Nicht etwa mit Toren, sondern mit einer Spielweise, die im Borussia-Park ankommt. Der Blondschopf opfert sich quasi in jedem Spiel mit einem beachtliche Laufpensum. "Ich bin jetzt eine Art Spielmacher", sagt Hanke. Im Derby in Köln gelangen ihm nun auch die ersten Saisontore.

Das sagt Max Eberl: "Ganz klar: Er gehört ligaweit zu der Sorte der Besseren. Mit seiner Art, seiner positiven Ausstrahlung, hat er die Mannschaft in die positive Strömung gedrückt. Er kam in einer schweren Phase. Für Gladbach, aber auch für ihn: Er wusste, dass er die Chance nutzen muss, wenn er von Hannover nach Mönchengladbach wechselt. Er musste zeigen, dass er nicht nur ein Talent ist und auf ein paar Tore reduziert werden kann, sondern dass er mehr drauf hat. Chance genutzt, würde ich sagen. Mike ist fußballerisch einer unserer Besten und hat sein Spiel etwas verändert. Er funktioniert im System hervorragend, weil die anderen von seinen Fähigkeiten profitieren können. Jetzt kommen auch die Tore."

Der Kader von Borussia Mönchengladbach

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