Sippel am Ende, Gräfe uneinsichtig

Von Patrick Völkner
Peter Sippel befindet sich mitten in seiner letzten Bundesliga-Saison
© Getty

In unserer Reihe Schiri-Check werfen wir in regelmäßigen Abständen einen Blick auf die deutsche Schiedsrichtergilde. Wir analysieren ihre Leistungen, hinterfragen die Ansetzungen und geben einen stets aktuellen Überblick über die Bundesliga-Referees. In Ausgabe 3 befassen wir uns mit den zum Teil miserablen Auftritten im Herbst und richten den Fokus auf die letzte Bundesliga-Saison des Peter Sippel.

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Nicht nur am vergangenen Spieltag standen die Schiedsrichter im Mittelpunkt der Diskussion. Fans, Spieler und Vereinsoffizielle zeigten sich zuletzt regelmäßig verärgert über die hanebüchenen Entscheidungen der Unparteiischen, deren Leistungen in den gesamten letzten Wochen mitunter zum Haareraufen waren. Ein Leistungsabfall, der sich auch im Schiri-Check niederschlägt. Die Fehlerquote erreicht rekordverdächtige Höhen, während die Durchschnittsnote immer schlechter wird. Selbstkritik ist bei den Referees gleichwohl nur selten anzutreffen. Und Peter Sippel, der seine Pfeife nach dieser Saison an den Nagel hängen wird, kann man einen vorzeitigen Ruhestand nur dringend empfehlen.

Fehler über Fehler: Die Leistungen der Schiedsrichter gaben in den vergangenen Wochen Anlass zu Verärgerung und waren mitunter erbärmlich schwach. Dies äußert sich sowohl in der Durchschnittsnote, die nunmehr bei 3,13 liegt (gegenüber 2,99 beim letzten Schiri-Check), als auch in der Fehlerquote, die von 0,93 auf 1,10 Fehler pro Spiel stieg.

(Die Grafik aller Bundesliga-Schiedsrichter am Ende des Textes)

Besonders eklatante Leistungsschwächen offenbarten sich dabei am zurückliegenden Spieltag, der bei einer Fehlerquote von 2,11 und einer Durchschnittsnote von 4,17 den traurigen Höhepunkt eines bislang schwachen Herbstes der Unparteiischen bildet.

Vor allem Guido Winkmann erwischte einen rabenschwarzen Tag. Der Schiedsrichter aus Kerken nahm mit seinen fehlerhaften Pfiffen entscheidenden Einfluss auf den Ausgang der Partie zwischen dem FSV Mainz 05 und dem VfB Stuttgart. Winkmann verwehrte dem VfB zwei Strafstöße (Wetklo gegen Okazaki, Pospech gegen Gebhart), fällte dafür aber auf der Gegenseite eine absurde Elfmeterentscheidung, als er ein Foul von Maza an Nicolai Müller gesehen haben wollte.

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Noch schlechter als Winkmann, der zumindest beim Platzverweis gegen Polanski richtig lag und daher noch die SPOX-Note 5,5 erhielt, agierte am Samstag Michael Weiner bei der Leitung des Spiels zwischen Werder Bremen und dem 1. FC Köln. Auch Weiner verwehrte den Gästen zwei Elfmeter (Foul von Sokratis an Peszko, Handspiel von Naldo), lag aber auch darüber hinaus häufig daneben. So irrte der niedersächsische Unparteiische, dessen überstrenges Auftreten mithin auch etwas Selbstgefälliges hat, als er Hunts Treffer wegen vermeintlichen Abseits die Anerkennung verweigerte und Kölns Sereno wegen angeblicher Notbremse des Feldes verwies. Von einer glasklaren Torchance konnte hier keine Rede sein.

Dr. Jochen Drees gelang am 12. Spieltag bei der Partie Dortmund gegen Wolfsburg sogar das fragwürdige Kunststück, gleich drei Elfmeter zu übersehen: Nach den Foulspielen von Kyrgiakos an Subotic und Chris an Leitner blieb Drees' Pfeife genauso stumm wie nach Götzes Handspiel im eigenen Strafraum. Eine alles in allem abenteuerliche Spielleitung, die sich nahtlos in die zahlreichen Fehlleistungen der letzten Wochen einfügte und mit der SPOX-Note 5,0 bewertet wurde.

Nachwuchssorgen: Aufgrund der bestehenden Altersgrenze von 47 Jahren für Bundesliga-Schiedsrichter wird es spätestens in den Jahren 2015 und 2016 zu einer großen Fluktuation unter den Erstliga-Unparteiischen kommen. Mit Peter Gagelmann, Thorsten Kinhöfer, Knut Kircher, Florian Meyer, Günter Perl, Peter Sippel, Wolfgang Stark und Michael Weiner entstammen insgesamt acht der aktuell 21 Bundesliga-Referees den Jahrgängen 1968 und 1969 und werden dementsprechend nur noch maximal fünf Jahre Partien der deutschen Eliteklasse leiten können.

Für den DFB bedeutet dies, frühzeitig einen Umbruch einzuleiten, zumal einige der älteren Referees wie Peter Sippel und Michael Weiner, aber auch der vermeintliche Top-Schiedsrichter Wolfgang Stark zuletzt nicht den Eindruck erweckten, sich auf der Höhe ihrer Schaffenskraft zu befinden. Peter Sippel wird denn auch seine Karriere bereits mit Ablauf dieser Saison beenden - ein längst überfälliger Schritt.

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Doch auch die jüngeren Referees haben zuletzt nur selten überzeugen können. Deniz Aytekin legte zwar jüngst zwei fehlerfreie Leistungen ab (Freiburg - Hamburg am 9. Spieltag und Mainz - Bremen am 11. Spieltag) und liegt derzeit auf Platz 1 unserer Tabelle. Sein autoritäres, zuweilen fast herablassendes Auftreten lässt aber Zweifel aufkommen, ob er jemals eine wirklich große Schiedsrichterpersönlichkeit wird darstellen können.

Echte Nachwuchstalente sind derzeit dementsprechend kaum erkennbar. Am ehesten dürfte man wohl noch den beiden neuen FIFA-Schiedsrichtern Marco Fritz (34 Jahre) und Felix Zwayer (30) eine passable Karriere auf internationaler Ebene zutrauen können. Die beiden befinden sich derzeit nach insgesamt durchwachsenen Auftritten im Mittelfeld der Schiedsrichter-Tabelle, lassen aber bislang die für einen wirklich guten Schiedsrichter erforderliche Persönlichkeit noch vermissen.

Souveränität: Zu den wichtigsten Qualitäten eines guten Schiedsrichter gehört es, eine hitzige Partie durch eine unaufgeregte Gestik beruhigen zu können. Übertriebene Theatralik und hektischer Aktionismus zeugen umgekehrt von mangelnder Souveränität.

Zu den Unparteiischen, die diese Maxime verinnerlicht haben, zählt vor allem Günter Perl. Der Münchener Referee verzichtet zumeist auf jedwede Selbstinszenierung und versucht die Gemüter durch betont unverkrampftes Auftreten zu besänftigen.

Mit genau dieser Einstellung gelang es Perl denn auch, im Spiel zwischen dem HSV und dem VfL Wolfsburg am 10. Spieltag jederzeit Herr des Geschehens zu bleiben. In dem zuweilen hektischen Match erstickte Perl aufkommende Spannungen bereits im Keime und brachte die emotionsgeladene Partie problemlos über die Bühne.

Eben jene Qualitäten konnte man Perls Kollegen Peter Sippel zuletzt nur selten bescheinigen. Der 42-jährige Referee wirkt in seiner letzten Bundesliga-Saison auffallend unsicher und vermittelt dabei nicht das geringste Anzeichen von Souveränität.

So ist Sippel auch der erste Schiedsrichter, dessen Leistung in einem Bundesliga-Spiel mit der SPOX-Note 6 bedacht wurde. Beim Spiel zwischen Schalke 04 und dem 1. FC Kaiserslautern am 9. Spieltag verlor Sippel zeitweilig vollständig den Überblick und sorgte mit nervöser Gestik dafür, dass ihm die ohnehin hitzige Partie komplett aus den Fugen geriet.

Sippel liegt mit der Durchschnittsnote 4,3 nunmehr am Ende unserer Schiedsrichter-Tabelle. Der geplante Rückzug aus der Bundesliga scheint für ihn nicht nur deshalb gerade richtig zu kommen.

Selbstkritik: Eine noch höhere Fehlerquote als Sippel weist derzeit nur Manuel Gräfe auf. Der Berliner Referee, vor wenigen Monaten noch zum Schiedsrichter des Jahres gewählt, agiert zwar zumeist wohltuend ruhig, liegt mit seinen Entscheidungen aber oftmals daneben.

So unterlief ihm bei der Partie zwischen dem VfB Stuttgart und Borussia Dortmund am 11. Spieltag eine gravierende Fehlentscheidung, als er nach Molinaros Grätsche gegen Götze von dem zwingend gebotenen Elfmeterpfiff absah. Obwohl alle Kameraeinstellungen das Foulspiel des Stuttgarters eindeutig belegten, hielt Gräfe auch nach dem Spiel starrsinnig an seiner Entscheidung fest und räumte seinen Irrtum nicht ein.

Für das Ansehen der Schiedsrichter, denen zuweilen der Vorwurf der Uneinsichtigkeit gemacht wird, ist solch eine Aussage natürlich eher kontraproduktiv. Erfreulich ist es da, dass Schiedsrichter Robert Hartmann nach dem Spiel zwischen Wolfsburg und Hertha am 11. Spieltag im TV-Interview ohne Umschweife zugestand, sich mit der Verwarnung gegen Wolfsburgs Keeper Benaglio nach dessen Notbremse gegen Lasogga getäuscht zu haben. Ein Platzverweis wäre, so räumte der junge Unparteiische nach Betrachten der Fernsehbilder ein, hier die richtige Sanktion gewesen.

Wenngleich es für die Beurteilung eines Schiedsrichters in erster Linie auf seine Qualitäten als Spielleiter ankommt, ist auch das Auftreten außerhalb des Platzes von Bedeutung. Selbstkritische Statements wie das von Hartmann können dem Image der Unparteiischen nur zuträglich sein, Gräfes Uneinsichtigkeit dagegen weniger.

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