Funky Pee war gestern

Von Florian Bogner
Christian Pander ist nach zahlreichen Verletzungen wieder eine feste Größe in der Bundesliga
© Imago

Christian Pander gehört seit einer gefühlte Ewigkeit zum Bundesliga-Inventar, hat aber nicht mal 100 Spiele auf dem Buckel. Bevor er nach mehreren Knie-Operationen wieder durchstarten konnte, musste er den Reset-Knopf drücken. Gereift sorgt er nun im Trikot von Hannover 96 wieder für Furore - wohlwissend, dass das Karriere-Ende nur eine falsche Bewegung entfernt ist.

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Hannover spielt gerade in der Europa League gegen Kopenhagen und es hängt ein Hauch von "AC/DC" in der Luft. "Nä, nä, nä, nä, nä, nä, nä, nä", singen die 96-Fans auf die Melodie des Smash-Hits "Thunderstruck".

In Hannover schallt jedoch ein anderes Wort als "Thunder" aus zahlreichen Kehlen: "PAN-DER!", schmettern die Fans. "Nä, nä, nä, nä, nä, nä, nä, nä... PAN-DER!"

Die Imitation des Rock-Klassikers gilt natürlich Christian Pander, der soeben das 1:0 für Hannover erzielt hat und quicklebendig die linke Außenbahn auf und ab wieselt, als hätte er nie etwas anderes getan. Dabei hat Pander viele andere Dinge gemacht, in den letzten Jahren.

Auch wenn er gegenüber SPOX sagt: "Mir geht es gut, ich bin gesund, fühle mich wirklich fit, momentan passt alles" - das Hineinhören in den eigenen Körper, das mentale Abtasten aller Problemzonen, gehört mittlerweile zu Panders Alltag wie Zähneputzen.

Einmal Wembley und zurück

Panders Leidensgeschichte mit seinem von Narben übersäten linken Knie ist hinlänglich bekannt. 2004/2005 absolvierte der Linksverteidiger als 21-Jähriger 24 Bundesliga-Spiele für den FC Schalke 04, in den kommenden sechs Jahren kommen aber nur 54 weitere hinzu.

150 Bundesliga-Spieltage finden dagegen ohne ihn statt. Zum Vergleich: Philipp Lahm reißt in dieser Zeit über 170 Bundesliga-Spiele ab. Doch immer wenn Pander gerade wieder zum Team aufgeschlossen hatte, kam ihm eine weitere Verletzung dazwischen.

2005, 2007 und 2009 rissen Bänder im Knie, mehrere Operationen und Pausen von teilweise über einem Jahr waren von Nöten. Zwischendrin absolvierte Pander zwei Länderspiele, traf 2007 bei seinem Debüt im Londoner Wembleystadion aus vollem Lauf. Das DFB-Team siegte 2:1, Pander kam nur noch einmal wieder.

Als eine letzte OP das Knie vor einem Jahr endlich stabilisierte, zwang ihn eine Zehenverletzung ein halbes Jahr zum Zusehen. "Dass ich mein Niveau wieder erreichen kann, daran habe ich immer geglaubt, wenn die Ärzte meine Probleme in den Griff kriegen. Das haben sie mit der letzten Operation geschafft." Die Zehenverletzung war also nur ein Aufschub, kein erneuter Rückschlag.

Pander drückt den Reset-Knopf

Der 28-Jährige ist in der Zwischenzeit geduldig geworden. Vor der Saison wagte er nach sieben Jahren Schalke den Neustart. "Ich habe mich ganz bewusst entschieden, den Reset-Knopf zu drücken und von vorne anzufangen", sagte er im Sommer der "Sport-Bild".

Hannover stattete ihn mit einem leistungsbezogenen Ein-Jahres-Vertrag aus. Bei 96 traf Pander auf Mirko Slomka, der ihn auch bei Schalke gefördert hatte. "Da ich ihn bereits als Trainer auf Schalke hatte, wusste ich, wie er arbeitet."

Weg von den alten Gewohnheiten, hin zu etwas Neuem - ein wichtiger Schritt für Pander, wie er heute sagt. Auch, um einem ewigen Teufelskreis zu entfliehen. "Auf Schalke habe ich in einer Schublade gesteckt. Wenn ich im Training nur ein klitzekleines Zimperlein hatte, stand es am nächsten Tag in der Zeitung", klagte er.

Groll gegen den Ex-Verein hegt der Linksverteidiger, der seinen anfälligen Körper schon mal mit "einem Auto mit Ferrari-Motor und Golf-Chassis" verglich, nicht. "Ich bin ja nicht im Ärger mit Schalke auseinander gegangen", sagt er zu SPOX.

"So gesund wie fast noch nie"

Am Wochenende steht für Pander das Wiedersehen mit dem Ex-Klub an und er hat Chancen, dabei in Hannovers Startelf zu stehen. Wenn das Knie mitspielt.

Als Herausforderer von Christian Schulz links hinten gestartet, hat er nun Konstantin Rausch den Platz im linken Mittelfeld abgeluchst und unter anderem ein Tor gegen den FC Bayern erzielt. Es kommt eben oft anders, als man denkt. Keiner weiß das so gut wie Pander.

"Ich habe immer gesagt: Wenn ich gesund bleibe, kommt alles von selbst. Jetzt bin ich fit. Deshalb bin ich nicht so überrascht, dass es funktioniert. Es ist sogar noch Luft nach oben", sagte er dieser Tage in einem "Bild"-Interview. Und: "Ich fühle mich so gut und so gesund wie fast noch nie." In acht der letzten neun Hannover-Spieler stand Pander in der Startelf.

Wenn man ihn dieser Tage spielen sieht, ist man selbst als Unbeteiligter irgendwie froh, dass sich Pander entschieden hat, es nochmal zu probieren. "Ohne mentale Hilfe", wie er seltsam stolz betont, als ob eine psychologische Behandlung etwas Abartiges an sich hätte. Pander sieht das eher so: "Wer so etwas aus eigener Kraft übersteht, sieht vieles im Bundesliga-Alltag gelassener."

"Meine Story" als Abrechnung

"Never give up", ist auf seinen Arm tätowiert und galt ihm wiederholt als Gedächtnisstütze. Seine Gefühle, die ihm in den Verletzungsphasen belasteten, versuchte er einst auch musikalisch zum Ausdruck zu bringen. Als "Funky Pee" schrieb er 2006 ein Lied namens "Meine Story".

"18 Monate die größten Qualen und Schmerzen, für alle an meiner Seite meinen Dank von Herzen", heißt es darin. Fans von anderen Vereinen verhöhnten Pander für die leicht amateurhaften Raps. Ihm war das jedoch einerlei.

"Der Song war nur als Dankeschön gedacht für diejenigen, die zu mir gehalten haben. Es war aber auch eine Abrechnung mit den Leuten, die es nicht getan haben. Das konnte man in Musik besser verpacken als in Interviews", sagt er heute über sein Erstlingswerk, das bei "Youtube" über 100.000 Mal geklickt wurde.

Musik-Karriere beendet

Ein einmaliger Ausflug in die Musik-Welt, wie er betont. "Funky Pee wird es nicht mehr geben", so Pander. "Wahrscheinlich bin ich ein bisschen musikverrückt, aber auch realistisch, was mein musikalisches Talent angeht." Das Feld wolle er nun lieber denen überlassen, "die das besser können". Er ist - wie gesagt - gelassener geworden.

Klar spielt derweil die Angst weiter mit. Wenn das linke Knie nochmal nachgibt, das Kreuzband wieder reißt, ist Panders Karriere wohl zu Ende. Auch wenn er solche Gedanken am liebsten abschütteln würde, sagt er ehrlich: "Ich kann nicht sagen, ob ich noch einmal bereit wäre, diese Strapazen auf mich zu nehmen."

Im Rückspiel in Kopenhagen am Donnerstag sangen die Fans wieder "PAN-DER!". Der Besungene blieb jedoch zur Pause in der Kabine. Knieprobleme. Immerhin gab er nach dem Spiel Entwarnung: "Es ist nicht so schlimm."

Ansonsten ist eben wieder warten angesagt. Pander kennt das ja.

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