Meyer Superstar - Gräfe fällt ab

Von Patrick Völkner
Florian Meyer zeigt Bayern-Verteidiger Holger Badstuber im Spiel auf Schalke die Gelbe Karte
© Getty

In unserer Reihe Schiri-Check werfen wir in regelmäßigen Abständen einen Blick auf die deutsche Schiedsrichtergilde. Wir analysieren ihre Leistungen, hinterfragen die Ansetzungen und geben einen stets aktuellen Überblick über die Bundesliga-Referees. Im zweiten Teil stehen die erfahrenen Florian Meyer und Manuel Gräfe im Mittelpunkt.

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Auch an den zurückliegenden Spieltagen standen die Schiedsrichter wieder im Fokus der Diskussion. Strittige Elfmeter, fragwürdige Platzverweise, ausgebliebene Verwarnungen - die Referees mussten mitunter harte Kritik einstecken. Zu Recht oder zu Unrecht - wir liefern eine Analyse, bei der wir auch den Schwierigkeitsgrad der jeweiligen Aufgaben berücksichtigen.

In Ausgabe 2 des Schiri-Checks blicken wir zurück auf die Schiedsrichterleistungen der Spieltage 5 bis 8. Im Mittelpunkt dabei: Florian Meyers starke Leistungen und die Gretchen-Frage der Schiedsrichterkunst: Hart durchgreifen oder lieber laufen lassen?

Fehlerhaft: Nach dem insgesamt positiven Auftakt für die Bundesliga-Unparteiischen gerieten die Referees am 5. Spieltag wegen zahlreicher Fehler in den Fokus der Kritik. Erstmals in der Saison 2011/2012 lag die Zahl der Fehlentscheidungen pro Match über 1 (1,56).

(Die Grafik aller Bundesliga-Schiedsrichter am Ende des Textes)

Bis auf Florian Meyer, der bei der Leitung der Partie zwischen Mönchengladbach und Kaiserslautern eine tadellose Leistung ablieferte, lagen alle Referees mindestens einmal klar daneben. Dass sich die Durchschnittsbenotung an diesem Spieltag mit 3,33 noch im akzeptablen Bereich hielt, hing vor allem mit dem hohen Schwierigkeitsgrad der zu leitenden Partien zusammen. Gleich mehrere Schiedsrichter wurden am 5. Spieltag vor komplizierte Aufgaben gestellt:

So unterliefen Michael Weiner bei der Partie zwischen dem 1. FC Köln und dem Club zwei klare Fehler, als er Pekhart und Brecko jeweils zu Unrecht des Feldes verwies. Für ihn reichte es gleichwohl noch zur SPOX-Note 3,5, da er in einer hektischen und ereignisreichen Partie ansonsten den Überblick behielt und auch bei beiden Elfmeterscheidungen richtig lag.

Manuel Gräfe, der am 5. Spieltag mit der Leitung des Nordderbys zwischen Werder und dem HSV betraut war, bewahrte der Blick auf den Schwierigkeitsgrad seiner Aufgabe dagegen nicht vor einer schlechten Bewertung.

Bei insgesamt vier eindeutigen Fehlentscheidungen (unterlassene Platzverweise gegen Mancienne und Guerrero, überzogene Verwarnung gegen Pizarro und Verzicht auf Gelb gegen Westermann) nützte auch der Verweis auf die zahlreichen kniffligen Spielsituationen nichts. Note 5,0 für Gräfe.

Auch Deniz Aytekin hatte beim Heimspiel des VfL Wolfsburg gegen Schalke einen schwierigen Job zu erledigen. Dabei verzichtete der Unparteiische dreimal auf die an sich gebotene Verwarnung (Hasebe, Kyrgiakos und Ochs hätten jeweils Gelb sehen müssen), leistete sich ansonsten aber keine größeren Fehlentscheidungen.

Dass die nicht immer souveräne Spielleitung Aytekins, dessen Körpersprache mitunter übertrieben streng und unverbindlich wirkte, am Ende noch mit einer 4,0 bewertet wurde, ist dabei auf den hohen Anforderungsgrad der intensiven Partie zurückzuführen.

Kartencheck: Insgesamt erlaubten sich die Schiedsrichter an den zurückliegenden vier Spieltagen 43 Fehlentscheidungen; dies sind 19 Fehler mehr als noch zuletzt. Die Durchschnittsnote verschlechterte sich von 2,81 (nach unserem ersten Check) auf nunmehr 2,99.

Ein vermeintlicher Trend zu einer strengeren Regelauslegung lässt sich indes derzeit nicht erkennen. Die Zahl der Verwarnungen liegt mit 263 zwar über dem Wert der Vorsaison zum gleichen Zeitpunkt (250). Von einer signifikanten Zunahme kann jedoch nicht gesprochen werden.

Wie 2010/11 gibt es auch in dieser Saison nach dem 8. Spieltag 17 Platzverweise zu konstatieren. Eine wahre Rotflut ereignete sich allerdings am 6. Spieltag mit fünf Platzverweisen - einer mehr als an den ersten fünf Spieltagen zusammen.

Bis auf die von Markus Schmidt ausgesprochene Rote Karte gegen Augsburgs Sebastian Langkamp, dessen Einschreiten gegen Herthas Raffael keine Notbremse darstellte, waren dabei alle Platzverweise regelkonform. Dr. Jochen Drees hätte den Platzverweis gegen Tim Wiese bei besserer Vorteilauslegung aber womöglich vermeiden können.

Meyer verbessert, Gräfe schwach: In der Leistungstabelle liegt weiterhin Markus Wingenbach in Front. Der junge Unparteiische zeigte auch bei seinem zweiten Saisoneinsatz eine fehlerfreie Leistung. Die Partie der Schalker gegen den SC Freiburg stellte ihn jedoch auch vor keine größeren Schwierigkeiten. Wegen der nicht immer souveränen Körpersprache wurde Wingenbachs Auftreten letztlich mit 2,0 bewertet.

Florian Meyer, im ersten Schiri-Check noch Letztplatzierter, verbesserte sich derweil auf den dritten Platz. Meyer blieb in den letzten drei Partien ohne Fehler und zeigte insbesondere bei der Leitung des Topspiels zwischen Schalke und Bayern eine herausragende Leistung (SPOX-Note 1,0).

Seine Devise, das Spiel mit einer frühen Gelben Karte (gegen Kluge) zu beruhigen, erwies sich als goldrichtig. Meyer hatte das Spiel jederzeit im Griff und entschied alle schwierigen Situationen korrekt. Das Halten von Boateng gegen Matip nicht mit Elfmeter zu ahnden, war ebenfalls richtig, da der Ball - wie die Fernsehbilder belegten - im Moment des vermeintlichen Foulspiels noch nicht im Spiel war.

Ein anderer Top-Schiedsrichter machte dagegen eine deutlich unglücklichere Figur. Manuel Gräfe, wie Meyer zuletzt auch in der Champions-League im Einsatz, wurde im September mit der Leitung zweier Samstagabendspiele (Bremen - HSV und Bayern - Leverkusen) betraut.

In beiden Fällen wusste Gräfe nicht zu überzeugen und liegt nunmehr mit der höchsten Fehlerquote aller Referees (2,3 Fehlentscheidungen pro Spiel) auf dem 19. Platz unserer Tabelle. Hinter ihm platziert sind nur noch Markus Schmidt und Robert Hartmann, der nach seinem unglücklichen Saisonauftakt zuletzt nicht weiter in der ersten Liga eingesetzt wurde.

Laufen lassen oder nicht? Die Spielleitung durch den Schiedsrichter bewegt sich bei vereinfachter Betrachtung zwischen zwei Polen: der konsequenten und harten Regelanwendung einerseits und einem zurückhaltenden Auftreten andererseits.

Die Kunst der perfekten Spielleitung liegt nun darin, einen angemessenen Kompromiss zu finden, der dem Spiel die nötige Luft zum Atmen belässt, ohne dass damit die Regeldurchsetzung vernachlässigt würde.

Guido Winkmann gelang es am 6. Spieltag nicht, einen solchen Mittelweg zu gehen. Bei der Leitung der Partie zwischen Freiburg und Stuttgart zückte Winkmann insgesamt sieben Mal die Gelbe Karte und legte damit einen übertrieben harten Maßstab an. Die mitunter kleinkarierte Regelauslegung hatte zur Folge, dass jeder Spielfluss in dem keinesfalls überharten Match von vorneherein im Keim erstickt wurde.

Den entgegengesetzten Ansatz wählte tags darauf FIFA-Referee Wolfgang Stark im Rahmen seiner Spielleitung des Rheinland-Pfalz-Derbys Kaiserslautern gegen Mainz. Stark ließ das Spiel auch bei grenzwertigen Attacken weiterlaufen und verzichtete selbst im Falle härterer Fouls auf die naheliegende Verwarnung.

Die großzügige Spielleitung tat dem Spielfluss zwar gut, war in einigen Situation aber nur schwer zu rechtfertigen und bewegte sich in einem Fall eindeutig außerhalb des Vertretbaren: Shechters Grätsche gegen den Mainzer Pospech hätte zwingend mit Gelb geahndet werden müssen.

Ähnlich wie Stark legte auch Günter Perl im Derby zwischen Bayer Leverkusen und dem 1. FC Köln einen liberalen Maßstab an. Auch Perl hatte dabei nicht immer die Regeln auf seiner Seite. So hätten die Foulspiele von Podolski und Jemal (jeweils gegen Schürrle) zwingend mit Gelb geahndet werden müssen. Im Fall Podolski wäre sogar ein Platzverweis vertretbar gewesen.

Der Referee musste sich zudem den Vorwurf gefallen lassen, seine großzügige Linie nicht konsequent durchgezogen zu haben. Schürrles hartes Einsteigen gegen Riether mit einer Roten Karten zu sanktionieren, war zwar regeltechnisch vertretbar, angesichts der vorangegangen Milde des Unparteiischen aber schwer nachvollziehbar.

Zwei Neue: Der DFB hat für die FIFA-Liste 2012 zwei Neulinge gemeldet. Felix Zwayer und Marco Fritz werden an Stelle von Babak Rafati und Peter Sippel zukünftig auch auf internationaler Ebene pfeifen. In der Bundesliga kamen die beiden jungen Unparteiischen zuletzt regelmäßig zum Einsatz.

Zwayer wurde dabei zweimal mit der Leitung eines Freitagspiels beauftragt. Bei der Partie zwischen dem FC Augsburg und Bayer Leverkusen unterlief ihm ein gravierender Fehler, als er die Notbremse von Schwaab gegen Mölders nicht mit einem Platzverweis ahndete. Der auch ansonsten nicht immer souveräne Auftritt des Referees wurde mit der SPOX-Note 4,0 bewertet.

Deutlich besser agierte Zwayer zwei Wochen darauf im Rahmen der Begegnung zwischen Stuttgart und dem Hamburger SV. Auch diesmal lag der Berliner Unparteiische einmal daneben, als er nach Tascis Foul an Petric vom gebotenen Elfmeterpfiff absah. Ansonsten wirkte er aber deutlich sicherer (Note 3,0).

Mit der Durchschnittsnote 2,9 liegt Zwayer derzeit auf Platz 10 unserer Tabelle - knapp vor Marco Fritz, der bislang mit soliden Auftritten aufwartete.

Bei seinen beiden Einsätzen im September leistete sich Fritz wie auch bei seinem Saisondebüt jeweils eine Fehlentscheidung (unterlassene Verwarnungen gegen Hummels bei Dortmund - Hertha bzw. Beck bei Hoffenheim - Wolfsburg), erledigte seine Aufgabe aber jedes Mal ordentlich. Für seine Leistung stand in allen drei Fällen eine 3,0 zu Buche.

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