Borussia Mönchengladbach: Der Druck bleibt

Von Jochen Tittmar
Auf die Verantwortlichen von Borussia Mönchengladbach wartet die nächste schwere Saison
© Getty

Borussia Mönchengladbach erholt sich gerade von den Turbulenzen des Saisonendspurts. Doch trotz des Klassenerhalts und der Klatsche für die "Initiative Borussia" sind die Fohlen auf allen Ebenen gefordert, die Katastrophenspielzeit nicht zu wiederholen. Die Planungen laufen.

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"Die Gegenseite hatte nach dem Klassenerhalt die besseren Argumente." Der Aussage von Horst Köppel, den die "Initiative Borussia" bei einer möglichen Machtübernahme als Präsident ins Amt hieven wollte, ist nach den turbulenten Tagen am Niederrhein eigentlich nichts mehr hinzuzufügen.

Effenbergs Pläne zu undurchsichtig

Nichts ist aus den Plänen des Teams um Stefan Effenberg geworden. Dies am Ende lediglich auf den flüchtigen sportlichen Erfolg in der Relegation zu schieben, ist allerdings zu kurz gedacht.

Effenbergs "erfolgsorientiertes Konzept" wies erhebliche inhaltliche Lücken auf, die er selbst auf Nachfrage nicht genauer erläutern konnte oder wollte. Es sollte eben rundum alles besser werden bei der Borussia. Es könne nicht sein, dass ein solcher Traditionsverein jedes Jahr gegen den Abstieg spiele.

So wie Mönchengladbach geht es aber vielen Vereinen, die früher einmal eine große Nummer waren, durch einen Abstieg (oder mehrere) jedoch nicht mehr Schritt halten konnten mit den eigenen Ansprüchen. Da genügt ein Blick nach Frankfurt, Köln oder Nürnberg.

Präsident Königs bleibt umstritten

Die Führung der Fohlen hat dem sportlichen und vereinspolitischen Druck letztlich Stand gehalten. Präsident Rolf Königs und Sportdirektor Max Eberl bleiben im Amt und haben reumütig Fehler eingestanden. Unrealistische Hoffnungen seien geweckt, die gesteckten Ziele nicht erreicht worden.

Beobachtern ist vorwiegend die Rolle des Präsidenten ein Dorn im Auge. Von einem "System Königs", bestückt mit einer Entourage an Ja-Sagern im Aufsichtsrat, ist die Rede. Wie es die Borussia in diesem Bereich grundsätzlich mit der Demokratie hält, ist letztlich nicht zielführend zu erörtern.

Der Verein muss sich - vor allem nach dem sportlichen Schlingerkurs der letzten Jahre - allerdings im Sinne von Effenberg die Kritik gefallen lassen, dass das Präsidium und nicht der Aufsichtsrat ehrenamtlich geführt wird. Diese Struktur ist nicht unbedingt das, was man zeitgemäß nennt. In der Bundesliga wird das operative Geschäft meist hauptberuflich gelenkt. So ist es nicht verwunderlich, wenn der Eindruck gewonnen wird, dass Königs sich und seine Kontrollorgane selbst bestellt.

Mehr Bescheidenheit täte gut

Dass sich die Oberen mit den auf der Jahreshauptversammlung nicht nur von der "Initiative Borussia" gewünschten vereinsinternen Veränderungen kritisch auseinandersetzen werden, ist anzunehmen. Dringlichste Aufgabe im aktuellen Tagesgeschäft ist jedoch, der Mannschaft ein nachhaltiges Gesicht zu verleihen.

Eberl und Trainer Lucien Favre arbeiten bereits mit Hochdruck an personellen Veränderungen des Kaders. Egal wie diese am Ende aussehen werden: Nach der Katastrophen-Saison mit dem Happy End in letzter Sekunde sollte man den Fehler nicht wiederholen und vollmundige Versprechungen nach außen kommunizieren. Der Borussia täte im Einklang mit den Umstrukturierungen des Teams ein Tick mehr Bescheidenheit gut.

Die bisherige Ausrichtung der Transferbemühungen geht dabei in eine sinnige Richtung. Joshua King (19) und Mathew Leckie (20) stehen als Neuzugänge fest, die Karlsruher Matthias Zimmermann (18) und Lukas Rupp (20) werden wohl in den nächsten Tagen hinzukommen. Diese Talente sowohl kurz- als auch langfristig zu formen und zu entwickeln, ist eine der Stärken von Favre, schon zu seiner Zeit bei Hertha BSC Erfolg hatte der Schweizer damit Erfolg.

Durchlässigkeit nach oben verbessern

Auch in Gladbach waren mit Marc-Andre ter Stegen (19) und Tony Jantschke (21) zwei Youngster die ersten Gewinner unter Favre. Solche Maßnahmen erhöhen die Identifikation der Anhänger mit der Mannschaft und befreien diese von einer überbordenden Erwartungshaltung. Zumal das Potential in der Jugend vorhanden ist: Die U 19 spielt in der Bundesliga West, der höchsten Liga in dieser Altersgruppe, eine gute Rolle, Spieler wie Julian Korb oder Elias Kachunga gehören künftig dem Profikader an.

Trotz dieser (Zwischen-)Erfolge muss dauerhaft erreicht werden, dass unter Favre die Durchlässigkeit der Nachwuchsspieler nach oben deutlich erhöht wird. Dass ter Stegen trotz seines Alters zu Höherem berufen ist, als hinter den unkonstanten Logan Bailly und Christofer Heimeroth auf der Bank zu sitzen, hätte früher erkannt werden müssen. Ob Patrick Hermann, Fabian Bäcker (wechselt nun zu Alemannia Aachen) oder zuletzt Jens Wissing - abgesehen von Marco Reus gelang schon lange keinem jungen Spieler mehr die dauerhafte Etablierung im Profikader.

Borussia Mönchengladbach: Der Kader im Überblick

In Berlin hatte Favre zudem ein Gerüst mit erfahrenen Akteuren wie Josip Simunic und Marko Pantelic installiert, an dem die jüngeren Profis Halt und letztlich ihre Topform fanden.

187 Gegentore in 102 Spielen

Wer bei den Fohlen künftig Favres Achse bilden wird, ist theoretisch klar: ter Stegen, Dante und Reus sind die Fixpunkte. Da Dante den Verein womöglich verlassen könnte - der Brasilianer hat zuletzt wieder Wechselabsichten bekundet -, müsste nicht nur adäquater Ersatz her, sondern auch Martin Stranzl eine Leaderrolle übernehmen.

Sowieso die Defensive: In den drei Spielzeiten seit dem Aufstieg kassierte Gladbach insgesamt 187 Gegentore. Das sind fast zwei pro Spiel. Abgesehen von den Winterneuzugängen in dieser Saison lag man bei Transfers für den Abwehrbereich (Schachten, Stalteri, Jaures, Callsen-Bracker, Kleine, Anderson) meist ordentlich daneben.

Ein gutes Anzeichen dafür, sich künftig noch mehr an den Wünschen des Trainers zu orientieren, sind der Aufstieg von Jantschke und die guten Aussichten auf den schwedischen Linksverteidiger Oscar Wendt vom FC Kopenhagen. Auch die Gerüchte um Marcos Camozzato (FC Brügge) als Alternative für hinten rechts und Eugen Polanski (Mainz) für das defensive Mittelfeld sprechen dafür.

Aus den Fehlern der Vergangenheit lernen

Hinsichtlich der Achse besteht auch in vorderster Front Bedarf. Igor de Camargo dürfte gesetzt sein, strahlt er doch als einziger neben Reus echte Torgefahr aus.

Rückkehrer Raul Bobadilla (Eberl: "Raul ist klar, dass es wirklich seine letzte Chance ist.") bleibt vorerst ein Überraschungspaket, Mohamadou Idrissou ist beim Publikum nicht unumstritten und auch Mike Hanke alles andere als ein Torjäger. Favre soll sich daher bereits über Eden Ben Basat (24, Hapoel Haifa) informiert haben.

Wie das Team im Detail aussieht, das Favre zu seiner ersten richtigen Saisonvorbereitung bitten wird, ist derzeit noch nicht gänzlich vorherzusagen. Klar ist: Nach den Turbulenzen der Vorsaison müssen die Verantwortlichen in Gladbach den Beweis antreten, aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt zu haben. Es muss etwas kommen, der Druck bleibt.

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