Hamburgs Auferstehung und Gustavos Probleme

Von Stefan Moser
Ze Roberto, Ruud van Nistelrooy, Papiss Cisse und Luiz Gustavo: Vier Protagonisten des Spieltags
© Getty

Ein Blick in die Datenbanken der Bundesliga offenbart einige Knackpunkte in den Partien des vergangenen Wochenendes: Wie gelang Michael Oenning die Wiederbelebung des Hamburger SV? Ist ein gelernter Mittelfeldspieler wirklich die geeignete Alternative in Bayerns Viererkette? Und wie ticken die inneren Uhren von Hannover 96? Signifikante Statistiken zum 27. Spieltag.

Anzeige
Cookie-Einstellungen

Hamburgs eindrucksvolle Auferstehung

Die wundersame Genesung des HSV: Nach der 0:6-Niederlage in München und der Entlassung von Trainer Armin Veh war dringend eine Reaktion gefragt - und die Mannschaft zeigte eine Reaktion. Beim 6:2 gegen Köln befreiten sich die Spieler von den Blockaden, wirkten aggressiv, laufbereit, selbstbewusst und spielfreudig. Der Spielverlauf und ein desolater Gegner leisteten dabei jede Menge Aufbauhilfe; gleichzeitig griffen aber auch fast alle Maßnahmen und Veränderungen, die Michael Oenning bei seinem Debüt als Cheftrainer vornahm.

Taktische Veränderung: Oenning zog Ze Roberto nach vorne auf die Zehn und stellte im Mittelfeld auf eine Raute um. Dadurch wirkte er tatsächlich auf die entscheidenden Faktoren ein, die das Angriffsspiel des HSV zuletzt sehr statisch und langsam gemacht hatten: die Tiefenstaffelung im zentralen Mittelfeld und die Besetzung der Halbpositionen (vgl.: Der 19. Spieltag in Zahlen: Hamburgs Krankheit).

Im Vergleich zu den letzten Partien schalteten die Hamburger damit auch deutlich schneller nach Ballgewinn auf Offensive um, agierten mit mehr Geschwindigkeit und Spielwitz. Ein Indiz in Zahlen: Bis zum 2:0 nach 30 Minuten lag die Passquote um gut 10 Prozent unter dem eigenen Saisondurchschnitt. "Nur" 75 Prozent geglückte Zuspiele sind bei Mannschaften, die wie der HSV vor allem auf Kurzpässe bauen, in der Regel ein Zeichen für höheres Tempo und Risiko.

Vor allem Ze Roberto war mit seiner neuen, offensiveren Rolle glücklich. Das betonte er nach der Partie - und er zeigte es auch während der 90 Minuten: 84 Ballkontakte bedeuten den Topwert, auch 12 von 15 gewonnene Zweikämpfen ergaben mit 80 Prozent die beste Quote aller Spieler. Dazu brachte der 36-Jährige 61 von 66 Pässen zum Mitspieler, bereitete zwei Chancen vor und traf selbst per Elfmeter - die Krönung seines persönlichen Rekordspiels. Mit 330 Bundesligaeinsätzen hat Ze Roberto nun zusammen mit Sergej Barbarez die meisten Spiele aller ausländischen Profis auf dem Konto.

Personelle Veränderung: Während der Woche holte sich Oenning immer wieder Ruud van Nistelrooy zum Einzelgespräch - und stellte ihn zum ersten Mal seit der Derby-Niederlage gegen St. Pauli am 21. Spieltag auch wieder in die Startelf. Der Niederländer dankte es ihm mit seinem bislang besten Saisonspiel.

Auch wenn der 34-Jährige ohne eigenen Treffer blieb, sprechen alle Zahlen für ihn: In 80 Minuten sammelte van Nistelrooy starke 63 Ballkontakte. Sein Saisondurchschnitt lag bisher bei 28. Dazu führte der Angreifer 25 Zweikämpfe (bisher knapp 19 pro Spiel) und gewann davon starke 64 Prozent (Saisonschnitt: 40 Prozent). Dazu fünf Torschüsse, eine Torschussvorlage und der sehenswerte Pass auf Petric zum 3:0. Zum Vergleich: Kölns Angreifer Novakovic kam in derselben Zeit auf  0 Torschüsse, 0 Vorlagen, 22 Ballkontakte und gewann zwei von sechs Zweikämpfen.

Oennings zweite Veränderung betraf Dennis Diekmeier: Der Rechtsverteidiger gab nach zwei Fersenoperationen endlich sein Bundesligadebüt für den HSV. Wie Aogo auf der linken Seite sorgte der 21-Jährige für viel Druck auf der Außenbahn und schlug insgesamt fünf Flanken. Der Topwert der Partie - und dass, obwohl Diekmeier nur 52 Minuten auf dem Platz stand. Auch drei Torschussvorlagen und 50 Prozent gewonnene Zweikämpfe (5 von 10) sind für einen Außenverteidiger immerhin noch passable Werte. Dass er sich vor dem 4:1 von Jajalo austanzen ließ, war wohl eher schon der nachlassenden Kraft geschuldet. Zwei Minuten später wurde er auch mit viel Applaus verabschiedet.

Bayern: Gustavos Probleme mit der ungewohnten Position

Mit einer kämpferischen Leistung erarbeitete sich der FC Bayern in der zweiten Halbzeit einen knappen 2:1-Sieg in Freiburg. Vor allem die erste Hälfte aber offenbarte erneut die defensiven Probleme der Münchner und heizten die Dauerdiskussion weiter an: Ist ein gelernter Mittelfeldspieler wirklich die geeignete Alternative in der Innenverteidigung?

Luiz Gustavo jedenfalls beantwortete die Frage am Samstag in den ersten 45 Minuten mit einem Nein. Der Brasilianer war an allen vier Großchancen des Gegners beteiligt. Neben der schwachen Zweikampfquote (55 Prozent) leistete er sich dabei vor allem immer wieder individual-taktische Fehler aus dem kleinen Ein-mal-eins im Verhalten einer Viererkette.

Schon in der Anfangsphase musste van Buyten mehrfach gegen Cisse aushelfen, der Gustavo förmlich suchte: 14 seiner 18 Zweikämpfe bestritt Freiburgs Torjäger gegen den 23-Jährigen. Um seinen Nebenmann zu unterstützen, musste van Buyten dabei oft sogar die Ordnung auflösen und kreuzen. Im Abwehrzentrum immer eine gefährliche Notlösung.

Auch sonst funktionierten die berühmten Automatismen nicht, Gustavo verteidigte häufig zu passiv, reagierte zu spät oder gar nicht und stand im Verbund mit seinen Kollegen immer wieder falsch. Der Elfmeter (14. Minute) ging dabei ebenso auf seine Kappe wie die Chance in der 4. Minute, als er nicht konsequent genug aufrückte und Torhüter Kraft Kopf und Kragen riskieren musste. Derselbe Fehler in der 17. Minute: Gustavo hebt das Abseits auf - Cisse trifft zum 1:1 (vgl. Video).

Hannovers innere Uhr

Mirko Slomka und seine "Zehn-Sekunden-Regel": Hannovers Coach begrenzt in Trainingspielen häufig die Zeit, die seine Mannschaft für einen Angriff höchstens benötigen darf. Vom Ballgewinn bis zum Abschluss sollen nicht mehr als zehn Sekunden verstreichen.

Und der Praxistest am Samstag gegen Hoffenheim zeigte: Die innere Uhr seiner Profis tickt mittlerweile beeindruckend präzise. Beispiel eins: Beim 1:0 vergingen von der ersten Ballberührung durch Pinto im Mittelfeld bis zum letzten Kontakt - dem Torschuss von Ya Konan - fast auf die Hundertstel genau zehn Sekunden.

Das 2:0 folgte praktisch demselben Muster, diesmal aber über den anderen Flügel. Die erste kontrollierte Ballberührung hatte Stindl, der im Mittelfeld zu Ya Konan köpfte. Der spielte, schnell und direkt den entscheidenden Doppelpass mit Schmiedebach und bediente dann den konsequent aufgerückten Stindl rechts. Dessen flache Hereingabe verwandelte Abdellaoue sicher aus kurzer Distanz. Die ganze Szene dauerte: exakt zehn Sekunden.

Der 27. Spieltag im Überblick

Artikel und Videos zum Thema