Handlungsunfähig im großen Vakuum

Von Christian Bernhard
Macht seinen Stuhl spätestens am Jahresende frei: HSV-Vorstandschef Bernd Hoffmann
© Getty

Der Hamburger SV steht spätestens Ende des Jahres ohne Bernd Hoffmann als Vorstandsvorsitzenden da. Ein Norweger scheint der Topkandidat auf die Nachfolge zu sein. Doch wer geht nun die richtungsweisenden Gespräche mit Trainer Armin Veh sowie Ze Roberto, Frank Rost oder Piotr Trochowski, deren Verträge im Juni auslaufen, an? Der HSV befindet sich in einem großen Führungsvakuum.

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Bernd Hoffmann und Katja Kraus haben nichts unversucht gelassen. Um dem drohenden Abschied beim Hamburger SV entgegenzuwirken, bot das Vorstandsduo den HSV-Kontrolleuren in einer E-Mail an, auch einen Einjahres- statt eines Dreijahresvertrags zu akzeptieren.

Der "ausgedruckt drei DIN-A-4-Seiten lange Brief" (Hamburger Abendblatt)  soll in der Aufsichtsratsitzung am Sonntag ausführlich diskutiert worden sein, konnte die Kontrolleure aber auch nicht überzeugen. Fünf der zwölf Aufsichtsräte stimmten dagegen, die erforderliche Zweidrittel-Mehrheit blieb aus. Die Ära Hoffmann beim HSV wird also am 31. Dezember 2011 enden - spätestens.

"Das unwürdige Schauspiel hat ein unwürdiges Ende genommen", schrieb die "Mopo" nach Bekanntgabe der Entscheidung.

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Wird ein Norweger Hoffmanns Nachfolger?

Beim HSV glaubt man, dass das Duo seinen Vertrag erfüllen und nicht vorzeitig abspringen wird. "Ich gehe nicht davon aus, dass sie zurücktreten. Sie werden sicher weitermachen", sagte Aufsichtsrats-Chef Ernst-Otto Rieckhoff der "Bild".

Ganz so sicher scheinen sich die Hamburger darüber aber doch nicht zu sein, denn am Wochenende fiel bereits der Name des früheren Aufsichtsratsvorsitzenden Udo Bandow als mögliche Übergangslösung. Der 79-Jährige will davon aber anscheinend nichts wissen und stellte klar: "Ich stehe für dieses Amt nicht zur Verfügung." Als weitere Interimslösungen wurden Rieckhoff selbst und Aufsichtsrat Ian Karan gehandelt.

Doch wer sind die Anwärter für die Hoffmann-Nachfolge? Heißester Kandidat scheint Jörn Gulden zu sein. Der Norweger ist momentan geschäftsführender Direktor der Deichmann-Gruppe. Ebenfalls im Gespräch: Joachim Hilke, früherer "Sportfive"-Vorstand. Laut "Abendblatt" hätte der HSV am liebsten beide, Gulden als Hoffmann-Nachfolger und Hilke, der Kraus' Aufgaben übernehmen sollte. Mit Frankfurt-Boss Heribert Bruchhagen sollen ebenfalls bereits Gespräche geführt worden sein.

Vehs Zukunft ist offen - Was wird aus Ze, Ruud und Troche?

Fakt ist, dass spätestens jetzt ein Riesen-Vakuum in der HSV-Führungsetage herrscht. Und das just in dem Moment, wo so viele Fragen zu klären sind. Zum Beispiel, was aus Coach Armin Veh wird. Laut "Mopo" ist der Aufsichtsrat "geschlossen gegen eine Weiterbeschäftigung" des jetzigen Cheftrainers.

Doch wer sucht einen etwaigen neuen Trainer? Der zukünftige Sportdirektor Frank Arnesen steht noch bis Ende Juni beim FC Chelsea unter Vertrag. Und welcher potenzielle Trainerkandidat verhandelt jetzt mit Hoffmann, wenn dessen Abgang zum Jahresende beschlossene Sache ist?

Außerdem: Wie sieht die Mannschaft für die kommende Saison aus? Immerhin laufen die Verträge von Großkalibern wie Frank Rost, Ze Roberto, Ruud van Nistelrooy oder Piotr Trochowski am Saisonende aus. Auch hier gilt es in den kommenden Wochen Klarheit zu schaffen. Doch wer soll diese Gespräche führen?

Sportchef Bastian Reinhardt ist momentan der einzige Entscheidungsträger, der auch für die kommende Saison Vertrag hat - allerdings wurde die Autorität des 35-Jährigen durch die Verpflichtung von Arnesen stark untergraben. Der Aufsichtsrat ist ein reines Kontrollorgan und kann nicht über Trainer- und Spielerfragen entscheiden.

Netzer: Der HSV wirkt "völlig gelähmt"

Fragen über Fragen, eines ist jedoch klar: Die HSV-Führungsriege hat in den vergangenen Monaten nett ausgedrückt ein unglückliches Bild abgegeben.

"Viel zuviel wird in aller Öffentlichkeit ausgetragen. Und ich habe das Gefühl, dass es einigen nicht nur um den Verein, sondern vor allem um Eitelkeiten und Machtkämpfe innerhalb des Aufsichtsrats geht", sagte Ex-HSV-Manager Günter Netzer kürzlich der "Bild".

Er mache sich große Sorgen, "weil der Aufsichtsrat zurzeit eine Rolle spielt, die für den Verein nicht gut, ja sogar höchst gefährlich ist", so Netzer weiter. Das Fazit des 66-Jährigen: der HSV wirkt "völlig gelähmt".

Das war noch vor der Entscheidung kontra Hoffmann und Kraus. Jetzt ist es noch schwerer, Netzer zu widersprechen.

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