Parolen aus der Wagenburg

Von Florian Bogner
FCB-Sportdirektor Nerlinger (l.) rief nach dem Pokal-Aus gegen Schalke 04 zu Gelassenheit auf
© Imago

Bayern Münchens Sportdirektor Christian Nerlinger gibt am Tag nach der DFB-Pokal-Niederlage gegen den FC Schalke 04 Durchhalteparolen aus - wohl wissend, dass dem Rekordmeister ein Schicksalsspiel gegen Hannover 96 bevorsteht, das über die Zukunft von Trainer Louis van Gaal entscheiden wird.

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Man kennt diese Szene aus alten Western-Comics. Aus einer belagerten Wagenburg ragt plötzlich eine weiße Fahne heraus, gefolgt von einem Kopf, der eine Unterredung mit den Belagerern anbietet.

Die Belagerer, das waren am Tag nach der Pokalpleite gegen Schalke 04 natürlich die Medien. Der Mann, der aus der verschanzten Bayern-Burg raus geschickt wurde, war Christian Nerlinger.

Schwierigste Situation seit 19 Jahren

Denn bevor die Presse auf dumme Ideen kommt - zum Beispiel den Kopf des Trainers zu fordern - wollte der FC Bayern am Donnerstag selbst die Initiative ergreifen und die Wogen glätten. Der Rekordmeister bot zu diesem Zweck einen sogenannten "Pressetalk" mit dem Sportdirektor an, der, kaum im Raum, selbst das Wort ergriff, um das Bemühen um Gelassenheit nach außen zu tragen.

Es gelang ihm leidlich. "Wir sind in einer sehr schwierigen Situation. Es war nicht nur ein bitteres Pokal-Aus, wir befinden uns auch in der Liga in einer Situation, die sehr unbefriedigend und sehr gefährlich ist", leitete Nerlinger seinen fast 20-minütigen Erklärungsversuch ein und verwendete alsbald Phrasen wie "Kräfte bündeln" und "Entschlossenheit zeigen". Durchhalteparolen, eben.

Die Fakten sind indes bedrohlich: Dass der FCB Anfang März keine reelle Chance mehr auf einen nationalen Titel hatte, ist 19 Jahre her.

Nerlinger in der Zwickmühle

Damals, in der chaotischen Saison 1991/92, die zwei Trainer verschliss und die bis heute höchste Europapokal-Niederlage beinhaltete (2:6 in Kopenhagen), hatte man auch letztmals ein Pokalspiel vor eigenem Publikum verloren, 2:4 n.V. gegen den FC Homburg. Wie damals sollten eigentlich auch heute alle sportlichen Bereiche des FC Bayern auf dem Prüfstand stehen.

Nerlinger versuchte jedoch, ein anderes Bild zu vermitteln. Draußen schien die Sonne den Profis beim Auslaufen auf den Pelz. Drinnen, im fensterlosen Presseraum der Säbener Straße 51, rang Nerlinger um Worte, die einen gefährlichen Zustand beschreiben, gleichzeitig aber Druck von Trainer und Mannschaft nehmen sollten.

Nerlingers Botschaft: Für alle Beteiligten sei es die wichtigste Aufgabe, die Spieler für "den wichtigen Samstag" bereit zu kriegen. Dann steht immerhin ein Bundesliga-Spiel gegen Hannover 96 an, das - im Falle eines Misserfolgs - die Champions-League-Qualifikation in ernste Gefahr bringen könnte.

Platz zwei "unsere deutsche Meisterschaft"

"Unser Ziel ist es, Zweiter zu werden. Das ist jetzt unsere deutsche Meisterschaft, darauf müssen wir uns konzentrieren", forderte Nerlinger, für den am Donnerstag die Fehleranalyse im Vordergrund stand. Man müsse so schnell wie möglich eine Lösung gegen defensive Gegner finden, forderte der Sportdirektor.

"Das Konzept der anderen Mannschaften ist, unser Spiel zu zerstören und darauf zu hoffen, dass wir Fehler machen - was absolut legitim ist. Es kann aber nicht sein, dass dieses Konzept aufgeht." Für den FC Bayern als Spitzenmannschaft müsse die defensive Stabilität stets "als oberstes Prinzip" gelten.

"Wir sind in der Defensive teilweise etwas zu naiv und lassen zu viel zu", sagte Nerlinger. "Wir laden die Gegner ein, zu einfach Tore zu erzielen."

Den Finger am Abzug

Für das Team habe sich in den letzten Partien ein Rückstand als nahezu unlösbares Problem erwiesen, weil offensiv die Durchschlagskraft fehle. Ein weiteres Anzeichen für die Verunsicherung im Team, dem gegen Hannover 96 die Charakterfrage gestellt werden muss.

Die große Frage: Kann sich das Team nach den derben Enttäuschungen der letzten beiden Spiele für das Ziel Platz zwei motivieren und aufopfern? Von den Granden des Rekordmeisters weiß man, dass der Finger nervös am Abzug sitzt, wenn das Minimalziel Königsklasse in Gefahr ist - nachzufragen bei Jürgen Klinsmann.

Nerlinger beruhigte: "Das Weltuntergangsszenario, das jetzt in der Öffentlichkeit gezeichnet wird, ist für uns nicht existent."

Hoeneß nach außen gelassen

Auf ein "Was-wäre-wenn" im Falle einer Niederlage in Hannover wollte sich der Sportdirektor jedenfalls nicht einlassen: "Was soll passieren? Soll man die Spieler rausschmeißen, den Trainer, den Sportdirektor, den Mediendirektor oder die Medien? Mit solchen Szenarien beschäftigen wir uns nicht." Kurzum: Die Trainerdiskussion werde in der Presse geführt, aber sicherlich nicht vom FCB.

Am Vorabend hatten TV-Aufnahmen, die zeigten, wie Uli Hoeneß, Karl-Heinz Rummenigge und Karl Hopfner nach Abpfiff hinter Glas miteinander diskutierten, jedoch ein anderes Bild vermittelt. "Schicksalstage eines Generals" umschrieb "Spiegel online" am Donnerstag die Situation von Louis van Gaal. "Van Gaal - Ende in Hannover?" fragte die Onlineausgabe der "Bild" bereits.

Am Donnerstagabend meldete sich dann auch noch Uli Hoeneß per Interview in der Münchner "tz" zu Wort. "Das ist keine Krisensituation bei uns", sagte der Präsident gelassen.

"Wir haben das Pokalfinale verpasst, aber ich finde, das wichtigste Spiel diese Woche findet in Hannover statt. Da müssen wir unbedingt gewinnen."

Es wirkte ein bisschen so wie die Ruhe zwischen zwei Stürmen.

Louis van Gaal im Steckbrief

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