"Dortmund dominiert ja jeden Gegner"

Von Interview: Jochen Tittmar
Stefan Reuter glaubt fest daran, dass Borussia Dortmund Meister wird
© Getty

Stefan Reuter befindet sich im Zwiespalt zwischen seinen Ex-Klubs Borussia Dortmund und Bayern München, ist aber davon überzeugt, dass der BVB Meister wird. Er verrät SPOX, was ihm nicht an Louis van Gaal gefällt und warum die Meisterschaft mit Dortmund schöner war.

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SPOX: Herr Reuter, Borussia Dortmund wird aller Voraussicht nach im dritten Jahr unter Jürgen Klopp bereits deutscher Meister. Sind Sie von der Entwicklung Ihres Ex-Vereins überrascht?

Stefan Reuter: Ich bin erfreut. Das ist richtig klasse, wie sich der BVB unter Klopp entwickelt hat. Die Dortmunder haben eine starke Mannschaft aufgebaut. Sie haben sich immer wieder punktuell verstärkt, Jahr für Jahr. Klopp hat auch in etwas schwierigen Phasen an seinen jungen Spielern festgehalten und keine Diskussion aufkommen lassen. Er ist enorm wichtig für die Stimmung und den Glauben im Umfeld.

SPOX: Könnte es Probleme geben, wenn Dortmund im nächsten Jahr in der Champions League bestehen muss?

Reuter: Sie müssen sich halt wieder an den Mittwoch-Samstag-Rhythmus gewöhnen. Aber bereits in der aktuellen Saison hat der BVB seinen Kader so breit angelegt, dass es genug starke Alternativen auf der Bank gibt. Das gab es in der Form zuvor nicht. Wenn da einer ausgefallen ist, war es meist problematisch. Für mich ist die starke Bank einer der Gründe für die Konstanz in der Meisterschaft. Auch im nächsten Jahr werden sie sicherlich schauen, ob man dem Kader nicht erneut Qualität hinzufügen kann. Zudem lernen die jungen Spieler, die jetzt schon da sind, ja auch weiter dazu und werden daher auch die nächsten Stufen in ihrer Entwicklung erklimmen.

SPOX: Wenn die Bayern am Samstag gegen Dortmund gewinnen, beträgt der Rückstand "nur" noch zehn Punkte. Erhöht das die Titelchancen des FCB?

Reuter: Ich kann mir nicht vorstellen, dass da noch irgendetwas anbrennt. Ich bin fest davon überzeugt, dass Borussia Dortmund Meister wird - egal, wie das Spiel ausgeht. Sie spielen insgesamt eine zu starke Saison. Die dominieren ja jeden Gegner. Da kommt kein Einbruch mehr.

SPOX: Was - neben den Punkten - hat der BVB, was die Bayern in dieser Saison nicht haben?

Reuter: Beim BVB haben von Anfang an alle gemeinsam an einem Strang gezogen. Der FC Bayern hat ganz klar unter der WM im Sommer gelitten. Dazu kamen einige Verletzungen. Hätten die Bayern über die gesamte Saison ihren kompletten Kader zur Verfügung gehabt, würden sie heute anders da stehen.

SPOX: Wie beurteilen Sie denn Louis van Gaals zweites Jahr in München?

Reuter: Das ist schon eher durchwachsen, auch wenn sie noch in jedem Wettbewerb Titelchancen haben. Da man in der Meisterschaft so weit hinterher hängt, kann man nicht zufrieden sein.

SPOX: Sind Sie der Ansicht, dass die Bayern im Vorjahr auch etwas über ihre Verhältnisse gespielt haben?

Reuter: Das glaube ich nicht. Man hat gesehen, wie überragend sie auftreten können, wenn sie komplett sind. Man hat versäumt, dem Kader eine Blutauffrischung zu verordnen. Mir gibt es da zu wenig Konkurrenzkampf. Neue Spieler hätten für eine neue Konkurrenzsituation innerhalb des Kaders gesorgt. Die Verantwortlichen haben ja bereits zugegeben, dass man diesbezüglich vor der Saison hätte aktiver sein müssen. Die haben ja fast nur Spieler verkauft. Man hat sich da von der sehr guten Vorsaison blenden lassen.

SPOX: Ist der Rekordmeister zu abhängig von Arjen Robben und Franck Ribery?

Reuter: Natürlich sind sie abhängig von ihnen. Das finde ich aber nicht schlimm. Spieler wie Robben und Ribery verkörpern absolute Extraklasse und machen den Unterschied aus. Die sind natürlich nicht eins zu eins zu ersetzen. Man hat jedoch schon gemerkt, dass die Bayern ohne die beiden ihre Dominanz ganz klar verloren haben.

SPOX: Gibt es etwas, was Ihnen am FC Bayern unter van Gaal grundsätzlich nicht gefällt?

Reuter: Für mich ist die Außendarstellung oft unglücklich. Das ist ein Problem. Van Gaal ist unbestritten ein absoluter Fachmann. Meiner Meinung nach sollten Aussagen gerade Spieler betreffend lieber intern geäußert werden.

SPOX: Uli Hoeneß hat kürzlich verraten, dass der FC Bayern bereits mit Jürgen Klopp einig war, dann aber Jürgen Klinsmann geholt hat. Sie kennen ihn ja ganz gut: Wie groß ist sein Ärger darüber?

Reuter: Er fühlt sich sicherlich bestätigt, dass Klopp doch der Richtige gewesen wäre. Aber man weiß natürlich auch nicht, ob Klopp vor drei Jahren beim FC Bayern auch so funktioniert hätte, wie Klopp beim BVB nun funktioniert.

SPOX: Würde Klopp mit seiner Art generell zum FC Bayern passen?

Reuter: Garantie dafür gibt es keine. Beim FC Bayern weht ein ganz anderer Wind. Ich denke, dass es für Klopp nach den Erfahrungen in Dortmund leichter wäre, in München anzufangen. Leichter, als wenn er direkt von Mainz zum FC Bayern gekommen wäre. Er hat als Trainer zusätzliches Selbstbewusstsein gesammelt, weil er in Dortmund in ganz anderen Tabellenregionen zu Hause ist, als noch in Mainz. Sein Standing hat sich seitdem nochmal weiter ins Positive verändert.

SPOX: Was war für Sie als Spieler damals das Besondere, beim FC Bayern zu spielen?

Reuter: Damals wie heute ist der FC Bayern der Topklub der Liga. Das war früher genauso, wie es jetzt auch ist: die Erwartungshaltung ist riesig. Ich bin damals aus Nürnberg gekommen und habe dort in einer recht jungen Mannschaft gespielt, für die der Klassenerhalt das Allergrößte war. Beim FC Bayern wird in jeder Saison der Titel erwartet. Der Druck ist enorm groß, vom ersten Tag an. Der zweite Platz ist der erste Verlierer.

Teil 2: Stefan Reuter über legendäre Titel-Partys in Dortmund

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