Badstuber: Das Gesicht der Abwehrkrise

Von Haruka Gruber
Die Gesichter des Spitzenspiels: Bastian Schweinsteiger, Holger Badstuber und Lucas Barrios (v.l.)
© spox

Borussia Dortmund führt beim 3:1-Erfolg beim FC Bayern die Strategie von Louis van Gaal ad absurdum - dank Lucas Barrios, hohem Risiko und Münchens Ineffektivität. Eklatant: Die Formkrise von Bayerns Defensiv-Spielmacher Holger Badstuber.

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Die signifikanten Statistiken des Spitzenspiels im Überblick:

FC Bayern: Ein Muster an Ineffektivität

Dominanter kann eine Mannschaft gegen Spitzenreiter Dortmund kaum agieren: Die Bayern waren zu 64 Prozent im Ballbesitz, hatten nahezu doppelt so viele Ballkontakte (795 zu 442) und spielten fast dreimal so oft einen Pass (563 zu 208). Außerdem wies der FCB mit einer Quote von 85 Prozent angekommenen Pässen einen wesentlich besseren Wert auf als Dortmund (73 Prozent).

Doch all dies belegt nur die Ineffektivität der Münchner. Während der BVB bei eigenem Ballbesitz hohes Risiko ging und ihm daher zwangsläufig mehr Fehlpässe unterliefen, bestanden die Bemühungen der Bayern über weite Teile aus Zuspielen zwischen den Defensivspielern. Alleine Anatolij Tymoschtschuk und Philipp Lahm passten sich 46 Mal den Ball zu.

Zum Vergleich die Gäste: Die Dortmunder Viererkette spielte sich untereinander insgesamt nur viermal an, stattdessen ging der Ball sofort zum freistehenden Mittelfeldspieler, die sich wiederum geradlinig nach vorne orientierten und fast ausschließlich auf Rückpässe verzichteten.

BLOGS@SPOX Zwischen Genie und Wahnsinn...

Ein Beleg: Das Innenverteidiger-Paar Mats Hummels/Neven Subotic wurde aus dem Sturm und dem Mittelfeld lediglich viermal angespielt, bei den Bayern hingegen bekamen Tymoschtschuk und Holger Badstuber beziehungsweise Breno 50 Pässe aus dem Sturm und dem Mittelfeld.

Demnach ist es nicht allzu verwunderlich, dass die Dortmunder am Ende gleich viele Torschüsse abgaben wie die Bayern (14:14), obwohl sie nur zu einem Drittel des Spiels im Ballbesitz waren.

Zweikampf-Allergiker Robben

Ein Hauptgrund für Bayerns Wirkungslosigkeit: Dortmund stellte die Außen zu. Mit Arjen Robben und Franck Ribery wurden van Gaals wichtigste Offensivspieler beharrlich gedoppelt und in einigen Szenen sogar zu dritt verteidigt und so fast gänzlich aus der Partie genommen.

Besonders Robben nahm trotz 62 Ballkontakten kaum am Spiel teil und kam zu keinem Torschuss und zu keiner Torschussvorlage - was jedoch nicht ausschließlich an der guten Leistung seines Gegenspielers Marcel Schmelzer lag. Obwohl dieser bereits in der 42. Minute Gelb sah, suchte Robben fast nie die direkte Konfrontation mit dem Dortmunder, um einen Platzverweis zu provozieren.

Stattdessen bevorzugte Robben den harmlosen Pass auf Hintermann Lahm oder Nebenmann Schweinsteiger. Insgesamt bestritt Robben lediglich 13 Zweikämpfe, vier davon gegen Schmelzer.

Von Dortmunds Fokussierung auf die Außen hätte theoretisch Bayerns zentraler Offensivspieler Thomas Müller profitieren können, doch die Realität sah so aus: Leidliche 24 Ballkontakte in der ersten Hälfte, nach der Pause war er trotz hoher Spielanteile seines Teams sogar nur 13 Mal am Ball. Dank einer bemerkenswerten Laufleistung gelang es dem BVB, Robben und Ribery mit mehreren Spielern zuzudecken, ohne die Zentrale zu entblößen.

"Die Dortmunder standen mit elf Mann hinterm Ball, das können sie gut. Dann kann man keinen Arjen anspielen, dann kann man keinen Franck anspielen. Alles war zugestellt, auch in der Mitte", sagte Müller.

Dortmund: Weniger ist mehr

Die Statistik liest sich wenig berauschend: Die sonst so präsenten Dortmunder Mittelfeldspieler Sahin und Bender hatten gemeinsam 94 Ballkontakte - ein Wert, den Sahin unter normalen Umständen alleine erreicht. In dieser Saison kommt der Türke im Schnitt in jeder Spielminute einmal an den Ball.

Es wäre jedoch falsch, daraus zu schließen, dass die Doppel-Sechs unscheinbar geblieben wäre. Denn der wenige Ballbesitz lag in Jürgen Klopps Taktik begründet. Dass Dortmund in Auswärtsspielen bei spielstarken Gegnern - wie etwa Leverkusen (45 Prozent Ballbesitz) oder zuletzt Wolfsburg (42 Prozent) - eher abwartend auftritt, ist bekannt.

In München jedoch überließ der BVB den Bayern noch mehr den Ball und setzte noch konsequenter als üblich auf schnelle Gegenstöße - was zur Folge hatte, dass das Mittelfeld bei eigenem Ballbesitz quasi übersprungen wurde (vgl. Video).

Das Muster: Balleroberung, nahtloses Umschalten, langer Pass auf Mittelstürmer Barrios.

Anders als Bayerns Sturmspitze Mario Gomez wurde Barrios bei jedem Angriff eingebunden, erzielte das 0:1 und war extrem wertvoll als Ballhalter und Ballverteiler. Der Paraguayer verlor zwar zwei Drittel seiner Duelle, die wichtigen entschied er jedoch für sich: Gegen Tymoschtschuk war seine Zweikampf-Bilanz ausgeglichen (6:6), gegen Badstuber war sie positiv (2:1).

Hinzu kam eine herausragende Passquote von 92 Prozent in der ersten Hälfte, obwohl sich die Bayern-Innenverteidigung fast ausschließlich auf ihn konzentrieren konnte. Nach 90 Minuten lag seine Passquote immerhin noch bei 71 Prozent. Besser kann die Leistung eines Wandspielers kaum sein.

Schweinsteigers widersprüchliche Leistung

Die Statistik lässt keinen Zweifel: Bastian Schweinsteiger gehörte gegen Dortmund zu den besten Bayern. 121 Ballkontakte und 87 Prozent erfolgreiche Pässe sind beachtlich, 55 Prozent gewonnene Zweikämpfe für einen Sechser immerhin noch akzeptabel. Aber selten stand die Empirie in einem dermaßen Widerspruch zu der tatsächlich gezeigten Leistung.

Schweinsteiger, bereits in der Champions League bei Inter einige Male indisponiert, leitete mit einem Stockfehler das 0:1 ein und verschuldete durch ein verlorenes Kopfballduell das 1:3, außerdem landeten im Aufbauspiel übermäßig viele Pässe beim Gegner oder weit im Aus.

Nach einem überflüssigen Foul kurz dem Ende sah er zudem seine fünfte Gelbe Karte und ist für den nächsten Spieltag gesperrt. Der Schlusspunkt eines enttäuschenden Abends - auch wenn die Statistik etwas anderes vermuten lässt.

Analyse: Schweinsteiger der Flop des Spiels

Badstuber im Formtief

Im Gegensatz zu Schweinsteiger gibt es bei Teamkollege Holger Badstuber keine Abweichung zwischen der faktischen und gefühlten Leistung. Badstuber war schlichtweg schwach.

Der 21-Jährige versteht sich als Innenverteidiger, der gemäß dem modernen Zeitgeist die Defensivarbeit mit Spielmacherqualitäten verknüpft. Gegen Dortmund deutete er trotz einiger Fehlversuche an, dass sein Passspiel in der Tat überdurchschnittlich entwickelt ist - doch die Kernkompetenz eines Abwehrspielers vernachlässigt er wie vor dem 0:1 und dem 1:2 in eklatanter Weise (vgl. Video).

Bei Inter Mailand war er gemessen an seinen Fähigkeiten bereits eine Enttäuschung für van Gaal. Gegen Dortmund setzte er eine enttäuschende Rückrunde fort, gewann ungenügende 20 Prozent der Zweikämpfe und wurde folgerichtig zur Halbzeit ausgewechselt. Seit der Winterpause verliert er mehr als die Hälfte seiner Duelle. Seine gute Vorstellung gegen Hoffenheim ausgenommen, beträgt seine Zweikampfquote nur dürftige 40 Prozent.

Umso bitterer müsste dem FCB die Zahl anmuten, betrachtet man die Vorstellung des ehemaligen Bayern-Talents Hummels. Der Dortmunder spielt nahezu makellos und bestätigte seinen Ruf als aktuell bester deutscher Innenverteidiger. In München entschied er 75 Prozent seiner Zweikämpfe für sich, in der gesamten Rückrunde sind es 85 Prozent. Die Bayern gaben ihn vor zweieinhalb Jahren noch freiwillig an Dortmund ab.

Dortmunds Problem: Die rechte Seite

Besonders ab der 60. Minute, nach dem 1:3, war die Hilflosigkeit der Bayern offensichtlich. Angesichts der letzten Eindrücke vergisst man jedoch, dass die Gastgeber mit Dortmund in der ersten Halbzeit auf Augenhöhe waren. Das knappe Abseitstor von Gomez, die von Piszczek im letzten Moment geblockte Müller-Großchance: Direkt nach Dortmunds 2:1 hätte München die Partie fast gedreht.

So sicher der BVB zum Ende hin defensiv stand, anfangs wackelte auch seine Abwehr. Ein Erklärungsansatz: Rechtsverteidiger Piszczek. Der Pole wurde ähnlich wie sein Gegenüber Schmelzer vorzüglich von seinen Mitspielern unterstützt, doch anders als Robben gelang es dem wesentlich bemühteren Piszczek-Gegenspieler Ribery wiederholt, bis zur Grundlinie durchzugehen.

Bei sieben seiner zehn Duelle gegen Ribery blieb Piszczek siegreich, doch jedes der drei verlorenen Zweikämpfe leitete eine bedrohliche Szene ein. Am Ende wurden für Ribery vier Torschüsse und vier Torschussvorlagen notiert - der mit Abstand höchste Wert bei den Bayern.

Bayern - Dortmund: Daten zum Spiel

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