The Good, the Bad, the Machtmensch

Von Haruka Gruber
Volker Finke arbeitet ab dem 1. Februar als neuer Sportdirektor des 1. FC Köln
© Imago

Seine Qualitäten stehen außer Frage, dennoch muss Volker Finke gegen seine eigene Vergangenheit kämpfen. Es gibt bereits erste Kritik am neuen FC-Sportdirektor. Kann er Köln retten?

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Im Januar ist es wieder soweit. Abgetakelte Pop-Sternchen und sonstige C-Promis finden sich in Australien zum "Dschungelcamp" ein und küren den König des Trashfernsehens.

Dieses Jahr hält die Besetzungsliste jedoch eine Überraschung bereit: Rainer Langhans. Die Ikone der Hippie-Bewegung möchte nach eigenen Angaben mit seiner Teilnahme einen Beitrag für eine bessere Welt  leisten - und wird dennoch von seinen ehemaligen 68er-Mitstreitern kritisiert. Der einst so idealistische Langhans würde doch nur seine Leitsätze verraten und sich dem Kapitalismus verkaufen.

Es ist nicht allzu lange her, da gehörte auch Volker Finke zu jener Gutmensch-Fraktion, die sich dem Kommerz verweigert und stolz ist auf die Underdog-Attitüde. 16 Jahre blieb er trotz zahlreicher Angebote dem SC Freiburg treu und wurde zur Symbolfigur für den etwas anderen Fußball.

Seine Aussage "Sat.1 kotzt mich an" war nicht nur eine Kritik am Fernsehsender, sondern eine grundsätzliche Verurteilung des Bundesliga-Bürgertums, das ihm so fremd ist. Oder besser: fremd war.

Großes Vertrauen

Denn seit Samstag ist Finke im reifen Alter von 62 Jahren selbst ein Teil des Establishments. Als neuer Sportdirektor soll er ab dem 1. Februar den abstiegsbedrohten 1. FC Köln in eine bessere Zukunft führen und die Führungskrise des Traditionsvereins beenden. Zu seinen Kompetenzen gehören die Lizenzspielerabteilung, der Nachwuchs sowie das Scouting inklusive des Sportslabs.

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"Volker Finke hat in der Vergangenheit nachgewiesen, dass er eine Mannschaft strategisch und konzeptionell zusammenstellen und aufbauen kann", hieß es in der offiziellen Stellungnahme des Klubs.

So überraschend die Verpflichtung auch gewesen sein mag, auf den ersten Blick scheint die Konstellation Finke/Köln zu passen. Finke verkörpert genau das Fachwissen und die Leaderfähigkeiten, die seinem Vorgänger Michael Meier abgesprochen wurden. "Ich begrüße die Entscheidung sehr. Er wird dem FC sehr gut tun. Es ist wichtig für mich, einen Partner mit sportlicher Kompetenz zu haben", sagte Trainer Frank Schaefer.

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Einigkeit dank Volker Finke

Nachdem prominente Namen wie Klaus Allofs, Matthias Sammer und Dietmar Beiersdorfer absagten und die Liste der möglichen Manager immer kürzer wurde, besann sich Präsident Wolfgang Overath auf Finke, den er bereits vor einigen Jahren als Trainer verpflichten wollte.

Am Mittwoch erteilte der Gesellschafter-Ausschuss den Verhandlungsauftrag mit Finke, schon am Freitag landeten Geschäftsführer Claus Horstmann sowie Vize-Präsident Jürgen Glowacz in Tokio, um mit Finke, der bis Ende des Jahres beim J-League-Klub Urawa Red Diamonds gebunden ist, die Details des bis 2013 befristeten Vertrags zu klären.

Nach der Posse um die Ablösung Meiers, die sich unnötig über Wochen hinzog, strahlt der FC bei der Findung seines Nachfolgers eine lange nicht gekannte Einigkeit aus. Vermutlich, weil Finkes Sachverstand über jeden Zweifel erhaben ist.

"Der Pionier des zeitgenössischen Fußballs"

Finks Trainerkarriere begann 1975: Als Spielercoach stieg er mit dem SC Stelingen fünfmal auf, nebenbei hatte er als Sportlehrer großen Erfolg mit den Tischtennisspielern des SV Wacker Osterwald (sieben Aufstiege) sowie den Volleyballern des TSV Stelingen (vier Aufstiege).

1986 zog es ihn zum Oberligisten TSV Havelse, den er 1990 sensationell in die 2. Liga führte. Nach einem kurzen Intermezzo beim 1. SC Norderstedt nahm er 1991 das Angebot des SC Freiburg an - der Beginn einer Ära. 16 Jahre trainierte Finke den SC, stieg dreimal in die Bundsliga auf (1993, 1998, 2003), erreichte mit dem Verein sogar den UEFA-Cup.

Überstrahlt wurden all die Erfolge des Vereins jedoch von der Vaterfigur Finke. Er sei "der Pionier des zeitgenössischen Fußballs", schrieb die "tageszeitung", die "Süddeutsche Zeitung" sah in ihm einen "Visionär". Finke wurde zur Projektionsfläche des langsam erwachenden Fußball-Feuilletons - und er genoss die Ehrerbietung.

"Das Gute hat gesiegt"

Kein Trainer sprach so offen über seine politische Gesinnung. Dass er NABU-Mitglied ist, ein Solarhaus besitzt, gegen die NPD demonstriert und persönliche Sponsoren genauso ablehnt wie das Fahren eines Luxusautos und die Kommerzialisierung der Bundesliga. Gleichzeitig ließ er einen Fußball spielen, der in den 90er Jahren wegweisend war. Mittlerweile ausgetretene Fachtermini wie "ballorientierte Raumdeckung" oder "Pressing in Ballnähe" haben auch den Ursprung bei Finke.

Als Finke mit Freiburg im ersten Bundesliga-Jahr 1994 überraschend die Klasse hielt, nutzte die "tageszeitung" das Gut-gegen-Böse-Motiv aus "Krieg der Sterne" und titelte: "Das Gute hat gesiegt." Die Stilisierung Finkes erfasst jedoch nur eine Facette des neuen Kölner Sportdirektors.

Er ist nach Aussagen vieler Wegbegleiter auch ein Machtmensch. Jemand, der beleidigt reagiert auf jede Art der öffentlichen Kritik und entsprechend wirsch mit den Journalisten umgeht. Jemand, der sich auch von seinen Vorgesetzten nicht viel sagen lassen will und Probleme im Umgang mit Stars hat.

Udo Lattek mit harter Kritik

"Wenn er sich gegenüber den Medien nicht ändert, wird er in Köln Riesenprobleme bekommen. Er kommt mit den Medien nicht zurecht, damit hatte er sogar schon in Freiburg Probleme", sagte Udo Lattek im "Sport1-Doppelpass" und ergänzte: "Er hat noch nie mit großen Stars zusammengearbeitet. Das war auch der Grund, warum er die große Herausforderung bei Bayern München oder dem HSV nicht gesucht und sich ihr nicht gestellt hat."

Die von Finke so ungeliebte "Bild" brachte in ihrer Meldung zu seiner Anstellung in Köln bereits eine versteckte Drohung unter: "Köln ist eine Medienstadt. Den oberlehrerhaften Ton, den der frühere Oberstudienrat in Freiburg zeitweise im Umgang mit Journalisten an den Tag legte, kann sich Finke in Köln kaum leisten."

Und auch der Umgang mit seinem zukünftigen Vorgesetzten Overath birgt Brisanz, obwohl dieser als Fan Finkes gilt. Aber: Overath ist bekannt dafür, im operativen Geschäft auf ein Mitsprachrecht zu pochen - womit ein zukünftiger Konflikt mit Finke nicht auszuschließen ist.

Einen Alleingang wie zuletzt vom "Kicker" beschrieben, als Overath hinter dem Rücken von Trainer Schaefer und Geschäftsführer Horstmann Kontakt zum aussortierten Adil Chihi suchte und ihm einen Verbleib beim FC in Aussicht stellte, obwohl sich Schaefer und Horstmann dagegen entschieden haben, kann sich der Präsident nicht mehr leisten.

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Enttäuschendes Abschneiden bei Urawa

Doch auch Finke wird sich umstellen müssen. Anders als in Freiburg, wo er lange Zeit frei von jedem hierarchischen Denken seine Vorstellungen umsetzen durfte, ist er in Köln ein maßgeblicher, aber eben nicht einziger Entscheider. Erste Erfahrungen im Umgang mit einer gefestigten Führungsstruktur sammelte er als Trainer bei den Urawa Red Diamonds. Ein Verein, der ähnlich einem Werksklub in Deutschland vom Wirtschaftsgiganten Mitsubishi unterstützt wird und entsprechend durchhierarchisiert ist.

Dass Finkes Vertrag mit Urawa nicht verlängert wurde, hängt jedoch weniger mit seiner Arbeitsweise als vielmehr mit der durchwachsenen Bilanz zusammen. Sein Auftrag war, die Mannschaft deutlich zu verjüngen, gleichzeitig jedoch den Anschluss an die nationale Spitze wiederherzustellen. Nicht nur wegen der Kooperation mit dem deutschen Rekordmeister, der Finke empfahl, wird Urawa als "der FC Bayern Japans" bezeichnet.

Ihm gelang es zwar, tatsächlich einige Talente zu integrieren und Spieler wie den 24-jährigen Hajime Hosogai, der vor einem Wechsel nach Deutschland steht, zur Nationalmannschaft zu verhelfen. Doch die sportliche Entwicklung verlief enttäuschend. In seinem ersten Jahr wurde er mit Urawa Sechster, was bereits unter den Erwartungen war, in dieser Saison verschlechterte sich die Mannschaft auf Platz zehn.

Finke war schon an Kagawa dran

"Ich habe die Chance bekommen, in Japan aufregende und reichhaltige Erfahrungen zu machen", sagt Finke. Womöglich nutzt er nun das Knowhow, um den einen oder anderen Spieler aus der J-League nach Köln zu locken. Dortmunds Shootingstar Shinji Kagawa etwa fiel Finke bereits im Herbst 2009 auf, ein Transfer zu den Red Diamonds scheiterte jedoch. Wie es heißt, habe er bereits einige japanische Kandidaten für Köln im Blick.

Hilfreich dürfte sein, dass die Ablösesummen in der J-League noch überschaubar sind und Finke über vorzügliche Marktkenntnisse verfügt. "Wir schicken unsere Scouts eben nicht nach Südamerika. Wenn wir scouten, schauen wir in die dritte und vierte Liga und in unserer eigenen Jugend sowie in den kleinen Ländern des Fußballs, die nicht so unter Beobachtung der Großen stehen", sagte Finke noch zu seiner Freiburger Zeit.

"So hatten wir einmal eine starke tunesische Phase, ein georgische Phase, eine Mali-Phase und eine gute Burkina-Phase. Das ist der Bereich, der mir Spaß gemacht hat. Das normale Monopoly-Spiel, das vor der Saison immer los ist, haben wir nie mitgemacht. Ich besitze die Schlossallee und kann es mir also erlauben, da und dort einkaufen zu gehen. Das geht in Freiburg nicht."

24 Mio. Euro Schulden

Angesichts von Verbindlichkeiten in Höhe von 24 Millionen Euro sind die Möglichkeiten in Köln ähnlich beschränkt, die Lage ist vermutlich sogar alarmierender als im solide haushaltenden Freiburg. Entsprechend interessant wird es zu verfolgen sein, wie Finke mit dem wirtschaftlichen Druck beim FC umgeht.

Während er sich in Freiburg angeblich den Luxus leisten konnte, wegen "persönlichen Animositäten" auf eine Zusammenarbeit mit interessierten Wirtschaftspartnern wie Mercedes oder dem Europa-Park zu verzichten, ist Köln auf fast jeden Euro angewiesen. Auf Eitelkeiten eines Alt-68ers kann der Verein demnach keine Rücksicht nehmen.

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