Untergraben die FCB-Bosse van Gaals Autorität?

SID
Waren in den letzten Wochen nicht immer einer Meinung: Hoeneß, Rummenigge und van Gaal (v.l.)
© Getty

Am Dienstagabend bittet der FC Bayern München seine Mitglieder zur Jahreshauptversammlung. 2009 wurde Trainer Louis van Gaal trotz der schlechten Ergebnisse gefeiert. 2010 ist die sportliche Situation ähnlich, der warme Mantel der Fans ist dem Coach jedoch erneut sicher.

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Im Gegensatz zu den Anhängern gingen Präsident Uli Hoeneß und Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge mit van Gaal zuletzt nicht gerade zimperlich um. Ist sein Standing im Verein dadurch geschwächt? SPOX diskutiert mit Bayern-Insidern.

In diesem Verein ist alles möglich!

von Bernd Salamon (Bayern-Reporter beim kicker)

Untergraben Karl-Heinz Rummenigge und Uli Hoeneß die Autorität von Louis van Gaal? Genau das fragt sich der Niederländer wahrscheinlich auch gerade! Er ist es ja nicht unbedingt gewohnt, mit anderen Alphatieren zusammenzuarbeiten und schon gar nicht, sich von denen auch noch was sagen zu lassen.

Seine Autorität bei der Mannschaft hat unter Hoeneß' Attacke oder Rummenigges Hinweisen jedenfalls nicht gelitten. Die einflussreichen Spieler wie van Bommel, Schweinsteiger, Lahm und Butt hat der Trainer auf seiner Seite, die jungen wie Müller und Badstuber sowieso - daran hat sich nichts geändert. Auch die Bayern-Fans jubeln ihm immer noch zu.

Von daher würde ich sagen: Nein, seine Autorität hat nicht gelitten. Die Frage ist allerdings eher, wie es zwischen dem Vorstand und dem Coach weitergeht. Van Gaal hat Hoeneß' Kritik ganz sicher nicht vergessen. Und auch wenn Rummenigge jetzt harmonisierende Worte gesprochen hat, ist noch lange nicht wieder alles gut.

Der FC Bayern wird immer ein aufgeregter, unruhiger Verein bleiben. Da ist alles möglich. Erst war van Gaal der neue Hoffnungsträger, dann fast schon weg, dann der gefeierte Held, dann wieder ungeliebt - in diesem Zick-Zack-Kurs wird es wohl weitergehen.

Letztlich einen nur Siege die beiden Seiten. Gewinnt van Gaal bis zur Winterpause alles, hat er ruhige Weihnachten. Patzt Bayern noch mal, bleibt es bei 14 Punkten auf Dortmund und fliegen die Münchner in Stuttgart aus dem Pokal, dann wird es schnell wieder ungemütlich.

 

Ein Louis van Gaal vergisst nie

von Jan Janssen (Bayern-Reporter bei der Münchner tz)

Der Zoff der Bayern-Bosse mit Louis van Gaal - erst schießt Uli Hoeneß gegen den Trainer und später wird der auch noch von Kalle Rummenigge zurechtgerückt. Eine Situation, die deutlich macht: Zwischen den Bayern-Chefs und ihrem Trainer knirscht es gewaltig.

Der Grund: Van Gaal kann in seinem Selbstverständnis niemanden über sich akzeptieren. Wenn er bei einem Verein arbeitet, übernimmt er die Verantwortung für alles. Das heißt aber auch, dass er alles entscheiden will. Und das kann sich ein Mann wie Uli Hoeneß natürlich nicht bieten lassen.

Denn in Hoeneß' Selbstverständnis wird bei seinem Klub nichts entschieden, ohne dass er es nicht abgenickt hätte. Immerhin ist er ja sozusagen der personifizierte FC Bayern. Es war also klar, dass es zwischen den beiden irgendwann knallen würde. Und Hoeneß hat mit seiner Attacke klar gemacht, wer der Boss ist: er selbst.

Für van Gaal eine Demütigung, die er niemals vergessen wird. Das ist sein Naturell. Hoeneß' Aussagen haben van Gaals Standing im Verein schwer beschädigt. Denn nun wurde klar: Van Gaals Autorität ist nicht allumfassend - sie endet am Büro von Uli Hoeneß.

Es ist also nur logisch, dass van Gaals bislang unumstrittene Autorität untergraben ist. Die Folge: Auch Karl-Heinz Rummenigge ließ die Muskeln spielen, erklärte van Gaal habe "keinen Einfluss" darauf, ob Bastian Schweinsteiger verkauft werde oder nicht.

Ein Trainer, der seine Mannschaft nicht selbst zusammenstellt? Für van Gaal muss das unerträglich sein. Und plötzlich wollte sogar Neu-Sportdirektor Christian Nerlinger sein Profil am Trainer schärfen. Er sagte: "Der Trainer provoziert gerne, wir sollten das nicht allzu ernst nehmen."

Ein Trainer, den man nicht ernst nehmen sollte? Für van Gaal ist das ein Schlag ins Gesicht. Fraglich, ob er sich so etwas lange gefallen lässt.

 

Jeder verfolgt die gleiche Linie - nämlich seine eigene

von Felix Seidel (Bayern-Reporter bei BILD)

Van Gaal bezeichnet sich selbst als Gewinner. An Autorität im Mannschaftskreis hat er aber durch die TV-Attacke von Hoeneß verloren. Die Kritik des Präsidenten war zwar keinesfalls Aufruf zur internen Aufruhr. Sie beinhaltete aber ein gefährliches Signal: Van Gaal genießt nicht die volle Rückendeckung. Wie schnell Spieler dieses Zeichen nutzen, um aus der Deckung zu kommen, belegen zwei Beispiele.

Beispiel 1: Sechs Tage nach der TV-Attacke brüllte Edson Braafheid (brach das Warmlaufen in Mönchengladbach vorzeitig ab) den Trainer in der Kabine an. Für seinen Ausraster entschuldigte er sich zunächst zwar bei der Mannschaft, nicht aber bei van Gaal.

Beispiel 2: Vor dem Spiel in Rom beschwerte sich Franck Ribery in einem TV-Interview, dass van Gaal ihn für seine Leistung im Test gegen Unterhaching öffentlich kritisiert hatte. Des Weiteren klagte Ribery, nach seiner Verletzung zu langsam wieder an die Mannschaft herangeführt zu werden.

Die uneingeschränkte Autorität eines Trainers zeigt sich darin, dass Bosse und Spieler ihr sportliches Denken und Handeln nach seinen Vorgaben ausrichten. Dass Rummenigge jüngst van Gaal in der Schweinsteiger-Frage öffentlich zurechtwies, ist jedoch ein weiterer Beleg dafür, dass bei Bayern in kritischen Phasen jeder die gleiche Linie verfolgt - nämlich seine eigene.

Doch Vorsicht! Glauben Sie, dass Hoeneß und Rummenigge die Autorität van Gaals mit ihren Aussagen wirklich untergraben wollten? Ich meine, sie planten vielmehr die Sturheit des Niederländers abzumildern. Und das ist ihnen, zumindest kurzfristig, gelungen: Van Gaal ist bereit, im Winter nachzukaufen und hat sich vor dem Spiel gegen Frankfurt öffentlich für sein Vorpreschen in der Schweinsteiger-Frage entschuldigt.

In der Chef-Etage brachte van Gaal dieses Verhalten Respekt ein. Nichtsdestotrotz muss der selbst ernannte Gewinner damit rechnen, bei weiteren Punktverlusten weiter an Macht zu verlieren.

 

Vorzeitiger Abgang nicht mehr ausgeschlossen

von Florian Bogner (Bayern-Reporter bei SPOX)

Wenn der FC Bayern München sportlich Probleme hat, machen die Verantwortlichen gerne Nebenschauplätze auf, um Druck von der Mannschaft zu nehmen. Im aktuellen Fall ist allerdings nicht davon auszugehen, dass das Hoeneß' Intention war, als er vor kurzem mit seiner Kritik an van Gaal ein Riesen-Fass aufmachte.

Hoeneß merkte man vielmehr an, dass er extrem verärgert ist - und er machte diesem Ärger verbal Luft. Soweit, so gut. Dass das Ganze aber in der Öffentlichkeit passierte, ist selbst für den patenten Bayern-Präsidenten ein Fauxpas, der eigentlich nicht zu entschuldigen ist.

Denn wer den Trainer öffentlich von oben herab kritisiert und damit bloßstellt, darf sich nicht wundern, wenn dieser Ansehen in der Mannschaft verliert. Klar - die van-Gaal-Zöglinge van Bommel, Schweinsteiger, Butt und der loyale Lahm werden weiter zum Trainer stehen.

Aber was ist mit den Spielern, die um einen Stammplatz kämpfen und deswegen vielleicht unzufrieden mit den Entscheidungen des Trainers sind? Es überrascht schon, dass nach einer bärenstarken Saison 2009/2010 immer mehr Spielern ihrem Unmut hinter vorgehaltener Hand Ausdruck verleihen.

Demichelis, Altintop, Braafheid, Ribery - sie alle kratzten bereits an van Gaals Fassade. Stimmen die Ergebnisse, kann van Gaal das abtun. Resultate haben Recht - immer. Aber was, wenn diese ausbleiben?

Die Kontrahenten schlossen in der letzten Woche erneut Frieden. Van Gaal sprach von dem besten Gespräch, dass er mit dem Bayern-Vorstand je geführt hatte. Nur: für wie lange hält der Frieden? Nach den Ereignissen der letzten Wochen steht für mich jedenfalls fest: Ein Ende der Beziehung Bayern/van Gaal zum Saisonende ist nicht mehr auszuschließen, Vertragsverlängerung hin oder her.

Van Gaal: "Das beste Spiel unter meiner Leitung"