Weidenfellers Wandlung

Von Andreas Rebmann
Roman Weidenfeller spielt seit dem Sommer 2002 für Borussia Dortmund
© Getty

BVB-Torhüter Roman Weidenfeller hat in seiner Zeit bei Borussia Dortmund schon viele Höhen und Tiefen erlebt. Der stellvertretende Kapitän des Tabellenführers hat sich unter Trainer Jürgen Klopp jedoch extrem weiterentwickelt - in vielerlei Hinsicht.

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Lediglich ein Störfeuer sei es gewesen. Das komme eben schon einmal vor. Als Roman Weidenfeller in seiner Funktion als stellvertretender Mannschaftskapitän von Borussia Dortmund auf der Pressekonferenz vor dem Europa-League-Heimspiel gegen Paris St. Germain auf das vermeintliche Interesse aus der französischen Hauptstadt angesprochen wird, bügelt der Keeper die Nachfragen gekonnt ab. Weidenfeller antwortet dabei ruhig und besonnen, wählt seine Worte mit Bedacht. Man merkt: Hier spricht einer, der mit sich selbst im Reinen ist.

Das ist angesichts der sportlichen Dominanz der Dortmunder derzeit wenig verwunderlich. Doch der Mensch und Profi Weidenfeller, neben Sebastian Kehl und Dede dienstältester BVB-Akteur, hat sich in den letzten Jahren merklich verändert. Aus Weidenfeller spricht nunmehr auch eine Portion Gelassenheit. Dafür hat er bei der Borussia schon zu viel erlebt.

Warmuz statt Weidenfeller

Als der damals 21-Jährige im Sommer 2002 seine Zelte in Gerry Ehrmanns Torwartschule beim 1. FC Kaiserslautern abbrach und an den Rheinlanddamm wechselte, hat der BVB gerade die sechste Meisterschale in den Trophäenschrank gestellt und nur knapp das UEFA-Cup-Finale verloren. Weidenfeller, wie alle Ehrmann-Schüler mit extremem Ehrgeiz ausgestattet, kam mit der Aussicht, schon bald Jens Lehmann beerben zu dürfen.

Als dieser ein Jahr später zum FC Arsenal ging, war Weidenfellers Weg frei. Coach Matthias Sammer stellte ihn ins Tor, korrigierte diese Entscheidung aber bereits zur Rückrunde zugunsten des erfahreneren Guillaume Warmuz. Weidenfellers erste richtige Halbserie im Profifußball wurde von teils haarsträubenden Fehlern begleitet. Er war nicht in der Lage, dem Team die nötige Sicherheit zu verleihen, wirkte zu flatterhaft und unbeständig.

Auch unter Bert van Marwijk hatte Weidenfeller mit seinem Standing innerhalb des Teams zu kämpfen. Überraschend bekam er jedoch am 9. Spieltag der Saison 2004/2005 den Vorzug vor Warmuz, sehr zum Unverständnis der eigenen Fans, die Weidenfellers Fehler nicht vergessen hatten.

Stagnation wird zu Frustration

Doch dank der nötigen Spielpraxis und seinem Antrieb, es in die Elite von Deutschlands Torhütern zu schaffen, gelang es Weidenfeller, zwei Jahre in Folge vom "Kicker" zum notenbesten Keeper ausgezeichnet zu werden. Trotz seiner Schwächen in der Strafraumbeherrschung lieferte der gebürtige Pfälzer mitunter grandiose Leistungen ab und überragte vor allem mit blitzartigen Reflexen auf der Linie. Weidenfeller erhielt einen besser dotierten Vertrag und schielte in Richtung Nationalmannschaft.

Sein Problem: Während er seine sportliche Entwicklung immer mehr in die richtige Richtung dirigierte, schlitterte die Borussia in die größte Krise der Vereinsgeschichte. Die Beinahe-Insolvenz schlug sich fortan auch in den stagnierenden Leistungen der Dortmunder nieder.

Weidenfeller wurde zusehends unruhig und unzufrieden, seine Karriereplanung hatte aufgrund des spürbaren Niedergangs des BVB erste Risse bekommen. Die Frustration schlug in einigen Fällen auch auf die eigenen Mitspieler um. Weidenfeller geriet auf dem Spielfeld in regelmäßigen Abständen außer Kontrolle, worunter letztlich auch seine Leistungen litten.

Saisonaus wegen Schulterverletzung

Höhepunkt dieser Entwicklung war die Auseinandersetzung mit Gerald Asamoah im Revierderby zu Beginn der Spielzeit 2007/2008. Weidenfeller wurde nach DFB-Anhörung "wegen einer herabwürdigenden und verunglimpfenden Äußerung" für drei Spiele aus dem Verkehr gezogen.

BlogBesuch beim BVB - Wenn Weidenfeller kellnert

Weidenfeller grübelte, ob der BVB ihm noch die sportliche Perspektive bieten kann, die er sich selbst erhofft. Gedanken an einen Vereinswechsel schob Weidenfeller jedoch schnell zur Seite, da ihm die Vereinsverantwortlichen immer wieder das Vertrauen aussprachen. Er wusste insgeheim wohl auch, dass ihm der klamme BVB die größten regelmäßigen Einsatzchancen bot.

Nur kurz nach der Asamoah-Geschichte erlebte Weidenfeller seine bislang schwierigste Zeit bei den Westfalen. Eine Schulterverletzung zwang ihn im Dezember 2007 zu einer Operation, die aufgrund von Folgeverletzungen letztlich das Saisonende bedeutete. Die Vereinsbosse sahen sich umgehend nach einem neuen Keeper um.

Klare Steigerung unter Klopp

Der schon als perfekt vermeldete Deal mit Lehmann scheiterte am Ende an dessen Gehaltsvorstellungen, die für die Dortmunder schlicht nicht zu stemmen waren. Weidenfeller, dem man die Identifikation mit dem Verein nie absprechen konnte, musste dem Treiben tatenlos zusehen.

Als er wieder fit war, engagierten die Schwarzgelben mit Klopp einen neuen Trainer und verabschiedeten zeitgleich jene neue Philosophie, die Beobachter als Grundlage für den derzeitigen Dortmunder Höhenflug heranziehen. "Der Verein hat sich entschieden, den Erfolg mit jungen Talenten zu suchen. Ich halte das für den absolut richtigen Weg. Ein Weg, der aber auch Zeit braucht. Zeit, die der Verein uns zugestanden hat. Das Resultat dieser Geduld ist, dass wir jetzt eine sehr gute Mannschaft sind und in dieser Saison bisher sehr stabil agieren", bilanziert Weidenfeller im Interview bei ran.de.

Nur fünf Monate, nachdem Klopp das Zepter übernahm, dehnte der Verein Weidenfellers Arbeitspapier bis 2011 aus. Durch die extreme Verjüngung, die Klopp in der Folge innerhalb des Kaders vornahm, ist der Keeper unweigerlich immer mehr in die Rolle des Führungsspielers vorgestoßen. Wie im Grunde jeder Spieler hat sich auch Weidenfeller unter Klopp weiterentwickelt. Neben dem Mitspielen und Antizipieren ist auch die Präsenz im Strafraum gravierend besser geworden, die früher doch recht regelmäßigen Aussetzer sieht man so gut wie gar nicht mehr.

Weidenfeller durch Klopp gestärkt

"Seine Entwicklung in den vergangenen beiden Jahren ist überaus positiv und nachhaltig", sagt Sportdirektor Michael Zorc, was Weidenfeller wiederum eng mit dem Trainer verknüpft: "Ich spüre großen Rückhalt. Jürgen Klopp gibt mir in jeder Situation unbedingtes Vertrauen."

Das Ergebnis dieses Prozesses ist ein "neuer" Weidenfeller, der dank seiner Erfahrung und beständig guten Leistungen von den Mitspielern gehört wird und so ein gern gesehenes Gegengewicht zu den vielen Grünschnäbeln in Dortmunds Kader darstellt.

Weidenfellers Worte haben auch deshalb wieder Gewicht, weil er mittlerweile in der Lage ist, die Tragweite seiner Äußerungen abzuschätzen und weniger verbissen an die Dinge heranzugehen: "Ich versuche, den jungen Spielern eine Stütze zu sein."

"Ich lebe Borussia Dortmund"

Am Saisonende läuft sein Vertrag mal wieder aus. Die Aussichten auf eine erneute Verlängerung stehen gut: "Ich bin in meiner neunten Saison beim BVB und identifiziere mich in jeder Hinsicht mit diesem Klub. Ich lebe Borussia Dortmund, fühle mich in der Stadt sehr wohl und spreche auf jeden Fall zuerst mit dem BVB."

Sollte der in seiner sportlichen Renaissance keine eklatanten Ausfallerscheinungen nach unten verzeichnen und erneut einen internationalen Wettbewerb oder gar mehr erreichen, könnte der Pfälzer Borusse zwar dezent verspätet, aber doch noch rechtzeitig die sportlichen Sphären erreichen, auf die er schon seit jeher scharf war.

Roman Weidenfeller im Steckbrief

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