Die Chiara Ohoven des Fußballs

Von Max-Jacob Ost
Keine Leistung bringen und trotzdem auffallen? Die Bremer wissen inzwischen wie es geht
© Getty

Eine Alternative Liste der Exklusivmeldungen: Wie denken Satiriker über Tim Wiese? Was hat Andreas Gryphius mit den Bayern gemein? Für welches Produkt warb Faryd Mondragon am Sonntag? Und zuletzt: Hat der DFB Knutschen jetzt verboten?

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1. Das wird jetzt hart, liebe Leser: Irgendwann kommt immer der Punkt im Leben, an dem Tacheles geredet werden muss. Das musste nicht nur der Friseur von Marcelinho erfahren, nachdem er dem Berlino-Brasilianer einst den Kopf so formschön in den Nationalfarben Belgiens angepinselt hatte - statt ihn, wie geplant, mit der Flagge Deutschlands zu verzieren. Wenn Ihr so wollt, wird das hier also der "Thomas-Doll-Moment" der Alternativen Liste. Und für viele wird das jetzt hart. Also lest bitte diesen Auftakt nur, wenn Ihr kein Problem damit habt, Eure Online-Reputation (das ist das, was Ursula von der Leyen nicht hat) durch einen wütenden Kommentar zu versauen.

Ihr wollt Meister werden, liebe Bayern? Mit einer Abwehr, die von der Beweglichkeit her irgendwo zwischen Mount Everest und Ottfried Fischer liegt? Mit einem Mittelfeld, in dem Andreas Ottl ungestraft auch in unmittelbarer Nähe zum gegnerischen Strafraum an den Ball kommt? Mit einem Sturm, der unter "Geburtsort" im Pass "Abseits" eingetragen hat? Mit einer medizinischen Abteilung, die mehr Patienten auf dem OP-Tisch liegen hat, als Captain Benjamin Franklin Pierce in allen Folgen von M.A.S.H. zusammen? Mit einer Spielphilosophie, die eindeutig beim Ribery des Barock, Andreas Gryphius, geklaut ist: "Was dieser heute baut (Schweinsteiger), reißt jener morgen ein (der Rest minus Butt)"? Jetzt mal ganz im Ernst, Ihr lieben Bayern an den angeschlossenen Kommentarboxen: Da lach' ich mir doch den Arsch ab!

2. Den leeren Raum nutzen: Es ist davon auszugehen, dass diesen Punkt nur noch rund 4,38 Prozent der Leser mitbekommen, während sich der Rest munter in den Kommentaren über Punkt 1 beschwert. Es kann also ohne Rücksicht auf Verluste in Ruhe über den FC Schalke 40 gesprochen werden. Der Sieg gegen Werder vom Wochenende zählt eindeutig zu den schönsten Geschichten, die der Fußball je geschrieben hat. Denn endlich durfte jemand in den Vordergrund treten, der es auf Schalke nie leicht hatte.

Man liebt ihn in Gelsenkirchen halt einfach nicht. Immer noch nicht. Aber er ist trotzdem immer wieder auf den Platz gelaufen. Hat sich reingehängt. Die Pfiffe ignoriert. Die Schmähgesänge. Den Hohn einer ganzen Kurve. Und jetzt hat er endlich für Schalke getroffen. Die Herzen mit dem erlösenden 1:0 für sich gewonnen. Die AL kann nicht anders und sagt: Glückwunsch, Tim Wiese!

3. Wie unangebracht, SPOX: Gut, ich gebe es ja zu. Es ist unfein, ausgerechnet den einen Spieler von Bremen zur Pointe zu machen, der am Samstag als einziger seiner Mannschaft eine Leistung erbracht hat, die über der des griechischen Finanzministers liegt. Noch dazu, weil Tim Wiese in Satire-Fachkreisen sowieso schon als "Chiara Ohoven des Fußballs" gilt. Will sagen: Er ist allein wegen seiner äußeren Erscheinung Stammgast in Formaten wie diesem hier.

Lassen wir also den Einäugigen unter den Blinden mal außen vor und betrachten den Rest der Bagage. Und so schnell kann es gehen: Da haben wir ja schon die gute Nachricht für Tim Wiese! Den Titel der "Chiara Ohoven" kann er nämlich gleich mal an seine Mannschaft weiterreichen. Denn was die in den vergangenen Wochen auf dem Fußballplatz macht, kann ja wohl nur mit diesen Attributen beschrieben werden: Gekünstelt, hässlich, hirn- und herzlos.

4. Einfach armselig, SPOX: Über das Aussehen von anderen Menschen Witze machen und sich selbst hinter einem Netzer-Avatar verstecken? Das ist ja wohl das Letzte. Ich kann nur empört feststellen: Was haben eine niederländische Tomate und der Autor dieser Zeilen gemeinsam? Sie sitzen im Glashaus. Und kann man überhaupt so weit nach unten scrollen, bis man das Niveau dieser Alternativen Liste gefunden hat? Bevor uns der Erfinder des Internets darauf antwortet, lenke ich lieber ein. Versuchen wir, es anzuheben.

Wie bitte? Der SKY-Kommentator vom Spiel Hannover gegen Hamburg möchte uns helfen? Aber sehr gerne. Denn der kommentierte ein Foul an Pitroipa (beeindruckend übrigens, wie dieser die Thermik in jedem Bundesliga-Stadion zu nutzen weiß! Mancher Segelflieger wird da blass vor Neid) mit den bedeutungsschwangeren Worten: "Das ist die alte Shakespeare-Frage: Foul oder nicht Foul?" Shakespeare? Na, wenn das mal kein Niveau-Anstieg ist. Wobei das korrekte Zitat wäre: "Es ist etwas foul im Staate Dänemark."

5. Man muss sich treu bleiben: Spätestens nach diesem Kalauer ist bewiesen: Man kommt einfach nicht aus seiner Haut. So sehr man sich auch müht. Einziger Trost: Auch Anderen geht es so. Aus einem Hanke wird kein Torschütze und jemand, der "Schulz" heißt und bei Hannover 96 spielt, wird nie im Leben einen Fallrückzieher auch nur in Richtung des Tores bringen. Welch beruhigende Erkenntnis.

6. Product Placement mit Faryd: Auch Faryd Mondragon kommt nicht aus seiner Haut. Der Pontifex im Kasten (Freunde nennen ihn den "Mondyfex") musste gar nicht erst zu Kreuze kriechen, um beim Effzeh wieder mit weit ausgebreiteten Armen im Tor rumhängen zu dürfen und hin und wieder ein paar Geldwechsler aus seinem Strafraum zu vertreiben. Nein, er wurde ohne eigenes Zutun vom Hirten Schaefer wieder zu seinen Jüngern, Verzeihung, seiner jungen Verteidigung, auf den Platz gestellt. Gerüchten zufolge hatte Maggifix seinen Trainer mit einer Kabinenbergpredigt beeindruckt. Herzlichen Glückwunsch zur Rückkehr! Und weil die ständigen Speisungen der 5000 schnell ins Geld gehen, verzeihen wir dem lieben Mondy auch das geschickte Product Placement im Spiel gegen Stuttgart.

Denn als in Halbzeit eins das Spiel unterbrochen wurde und der Tor- und Gralshüter vor den Augen von hunderttausenden ungeduldigen Augenpaaren die Schuhe wechselte, fehlte eigentlich nur noch die Einblendung des Schuhsponsors: "Faryd Mondragon vertraut auf unser neues Modell "Jesuslatschen". Himmlische Ballkontrolle und salomonischer Komfort für beide Füße. Nur jetzt für unschlagbare 30 Silberlinge. Testen Sie und zwölf Freunde die "Jesuslatschen" für vierzig Tage. Bei Nicht-Gefallen gibt es nach drei Tagen das Geld zurück!"

7. Havanna affair: Die Friseur-Innung Freiburgs dürfte so einige Dankestelegramme in Richtung Dortmund geschickt haben. Denn hätten die Breisgauer auch gegen den Reiter der Tabellenspitze gewonnen, wäre die Rückkehr des Dutts in begeisterte regionale Frauenfrisuren wohl unaufhaltsam gewesen. Aus ästhetischen Gründen ist die Niederlage vom Wochenende also durchaus zu begrüßen. Und witzig war's auch noch! Wobei davon auszugehen ist, dass man sich in Kuba über den am Samstag um 17:13 Uhr gestellten Antrag auf Städtefreundschaft nicht nur wegen der ungewöhnlichen Kombination "Stadt befreundet mit Land" gewundert haben dürfte.

8. André the Who?: Es ist selten, dass sich die Heimfans so sehr mit Spielern der Gastmannschaft identifizieren wie die Freiburger am Samstag mit einem gewissen Kuba. Umso erstaunlicher, dass dieses stille Einverständnis am Wochenende auch in Gladbach stattfand. Dabei war die Geste der Gladbach-Fans fast noch größer. Denn wer feiert schon den Ausgleich durch den Gegner, indem er sich zum Teil seines Jubels macht? Eben. Umso toller, dass die Fans sich am Gitarrenjubel Schürrles mit der Eckfahne beteiligt haben. Denn seien wir ehrlich: Erst durch die fliegenden Bierbecher und Feuerzeuge wurde das Bild vom losgelösten Rock-Gitarristen so richtig komplett.

9. Die Grenzen des Fairplays: Manchmal wird es einem aber fast zuviel mit dem Fairplay im Fußball. Klar, irgendwie gehört das dazu. Aber muss sich Hoffenheims Mlapa wirklich nach dem 4:0 vor den am Boden liegenden Frankfurter Maik Franz stellen und ihn freundlich fragen: "ALLES KLAR BEI DIR? SOLL ICH DIR AUFHELFEN? DER BODEN IST KALT, ICH MÖCHTE NICHT, DASS DU DICH ERKÄLTEST! ICH MAG DICH DOCH. UND ÜBRIGENS: SUPER FRISUR!"

10. Knutschen mit Pino: Leck mic fett, was war das für ein Spiel des FCK in Nürnberg? Ilicevic! Lakic! Rivic! Alle getroffen! Mal eben auswärts den Glubb abgeschossen - wenn jetzt noch die Verpflichtung von Bata Illic im Winter klappt, hält die Teufel wohl nichts mehr auf. Und als Spielmacher empfehlen wir Misimovic. Wobei den Franken im Vorfeld der Partie auch übel mitgespielt wurde. Denn die Sperre von Javier Pinola muss wohl ein Versehen gewesen sein. Laut Kommentator wurde er für "den Speichelaustausch mit Schweinsteiger" vom DFB aus dem Verkehr gezogen. Und das muss ja wohl ein Witz sein. Da können Vergehen und Beurteilung nicht übereinstimmen. Oder sind wir die Einzigen, die sich so etwas wesentlich romantischer vorgestellt haben?

11. Tut uns leid, Amerika!: Ohne den Mist von oben noch mal gelesen zu haben: Auch ich fand die LAL (Letzte Alternative Liste) besser. Deshalb hatte ich von Anfang an für den Schluss etwas Besonderes aufgehoben. Ihr versteht mich schon, letzter Eindruck vorm Kommentieren und so. Geplant war eine richtig schöne Abrechnung mit der DFL. Freitagsspiel zur Prime-Time: Osnabrück vs. Hertha. Bitte? Geht's noch? Was soll nur das Ausland denken? Rumpelfußball zur besten Sendezeit. International vermarktet. Skandal! So in ungefähr war es gedacht.

Doch leider geht's dieser Liste nicht anders als Jakub Blaszczykowski - während sich dieser Punkt in die Reihe "verpasste Chancen" eingliedert, können Andere von sich behaupten: "Den hätten wir reingemacht." Mir bleibt also nichts anderes übrig, als verschämt die Liste zu schließen und der "Welt" zu gestehen: Jungs, besser als ihr hätte ich das nie hinbekommen. Und jetzt Bühne frei für die Vertreter der "Neuen Osnabrücker Zeitung" in den Kommentaren.

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