Hoffenheim - Bayern: Klassiker light

Von Oliver Wittenburg
5. Dezember 2008: Hoffenheim läuft am 16. Spieltag als Spitzenreiter beim FC Bayern auf
© Getty

Vor knapp zwei Jahren wurde die Partie FC Bayern München gegen 1899 Hoffenheim zum Spiel der Spiele hochgejazzt. Für Ralf Rangnicks Hoffenheimer war es damals der letzte große Auftritt vor dem schleichenden Abstieg ins Mittelmaß. In der Zwischenzeit geläutert und gereift nimmt der Emporkömmling von damals einen neuen Anlauf (19.45 Uhr im LIVE-TICKER).

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Rückblick: Die erste Dezemberwoche 2008 bescherte der Bundesliga eine Sternstunde. Niemand konnte sich mehr daran erinnern, wann zuvor ein solcher Hype um ein Bundesliga-Spiel veranstaltet worden war.

Und nicht nur Deutschland war im Fieber. Es herrschte Hoffenheim-Mania weit über die Grenzen hinaus. Die "New York Times" etwa brachte eine Vorschau auf das Spiel des Emporkömmlings gegen den Rekordmeister und porträtierte ausführlich Vedad Ibisevic, den neuen Gerd Müller.

Ein gefundenes Fressen waren damals die Gegensätze zwischen dem Aufsteiger aus der 3000-Seelen-Gemeinde im Kraichgau und dem Weltklub aus München. Hier der Milliarden schwere Mäzen Dietmar Hopp, der einen Dorfverein zum Spitzenteam aufgeblasen hatte, dort der Selfmade-Manager Uli Hoeneß mit seinem Festgeldkonto.

Hier der eloquente Ralf Rangnick mit seinen kopflastigen Elogen auf das Wesen des modernen Fußballs, dort der emotionale Motivationskünstler Jürgen Klinsmann.

Hoffenheim gegen Bayern: So wollen sie spielen

Hoffenheim begeistert die Kritik

Höchst bemerkenswert war dann, dass das Spiel die ungeheuren Erwartungen erfüllte, wenn nicht gar übertraf. Das beste Spiel seit zehn Jahren, hieß es schnell, ohne dass sich jemand die Mühe gemacht hätte, ein Jahrzehnt Bundesliga Revue passieren zu lassen.

Die Bayern gewannen damals dank einer immensen Willensleistung und eines Last-Minute-Treffers von Luca Toni mit 2:1, doch in der Rezeption der 90 Minuten in der Allianz Arena schnitt Hoffenheim besser ab als der amtierende Meister.

Eine Woche später sicherte sich 1899 die Herbstmeisterschaft und ging als Meisterschaftsanwärter in den Winterurlaub.

Der große Bruch

Die Winterpause 2008/2009 brachte einen jähen Bruch der Glückseligkeit. Erst zog sich Ibisevic einen Kreuzbandriss zu, dann sorgte Supertechniker Carlos Eduardo für negative Schlagzeilen, als er sich mit dem Hamburger Ivica Olic bei einem Testkick schlug und gesperrt wurde.

Die Rückrunde begann mit einem Sieg über Cottbus noch ganz gut, doch während einer Phase von zwölf Spielen ohne Erfolg verebbte das Interesse an der Übermannschaft der Hinserie zusehends.

Am Ende stand der siebte Platz zu Buche. Man hatte als Herbstmeister nicht einmal die Europa League erreicht.

In der vergangenen Saison verkam Hoffenheim dann fast sogar zur grauen Maus. Obwohl das Personal das gleiche geblieben und der Kader mit viel finanziellem Aufwand aufgestockt worden war, gelang die Wende nicht. Im Gegenteil: Zwischenzeitlich geriet man sogar in Abstiegsgefahr. Am Ende stand Platz elf.

Zurück auf Anfang

Es wäre zu theatralisch und übers Ziel hinaus geschossen, nach vier Runden der neuen Spielzeit von einer Wiedergeburt der TSG zu sprechen, doch sind die guten Ansätze unverkennbar.

Hoffenheim hat sich vielleicht nicht neu erfunden, auch wenn Rangnick selbst diese Formulierung heranzog, aber zurückbesonnen, die Rückspultaste gedrückt, die Selbstläuterung vollzogen.

Rangnicks Vertragsverlängerung Mitte Mai, die mit dem Ende der Amtszeit von Manager Jan Schindelmeiser einherging, mit dem sich Rangnick entzweit hatte, steht für den Neuanfang des Klubs.

Erfolgreiche Umstrukturierung

Im Sommer wurden die sportliche Führung und der Betreuerstab komplett umgekrempelt. Bei der Kaderplanung kehrte man zum ursprünglich postulierten, zwischenzeitlich aber über den Haufen geworfenen Konzept zurück, verstärkt auf junge, entwicklungsfähige, bevorzugt deutsche oder zumindest deutschsprachige Talente zu setzen.

So wurden die kostspieligen Fehleinkäufe Wellington, Franco Zucculini und Maicosuel sowie der kapriziöse Carlos Eduardo abgegeben und dafür die deutschen Juniorennationalspieler Peniel Mlapa und Sebastian Rudy geholt. Dazu kam der talentierte Isländer Gylfi Sigurdsson, der sich am vergangenen Wochenende mit seinem ersten Bundesliga-Treffer empfahl.

Mit Tom Starke holte man einen geerdeten Keeper aus Duisburg, der den nicht immer einfachen Timo Hildebrand ersetzt.

Der alte Geist ist zurück

Der Spaß ist nach Hoffenheim zurückgekehrt. "Bei uns läuft es im Moment sehr, sehr gut. Wir haben wieder den Teamgeist, der uns vor knapp zwei Jahren schon ausgezeichnet hat", erklärte Tobias Weis den neuen, alten Spirit. "Die Mannschaft und der Trainer haben den Teamgeist wiederhergestellt. Der Trainer versucht, mehr mit den Spielern zu reden, und wir haben begriffen, dass es wie im letzten Jahr nicht so weitergeht."

Rangnick selbst sieht den Klub in einer "spannenden Phase" und hat ein Feuer - auch bei sich selbst - entfacht, dass während der problematischen letzten Saison schon erloschen schien.

Erster echter Gradmesser

Jetzt trifft Hoffenheim wieder auf die Bayern. Unter völlig anderen Vorzeichen als damals freilich. Aber im Unterschied zu den letzten drei Begegnungen ist die Brisanz der Partie deutlich höher einzustufen, was auch dem Umstand geschuldet ist, dass der Rekordmeister nach zuletzt drei torlosen Spielen unter einigem Druck steht.

Für das neue, alte Hoffenheim wird die Partie der erste echte Gradmesser. Mit zehn Punkten aus vier Spielen ist der Saisonstart mehr als geglückt, doch von der erdrückenden Dominanz, mit der man vor zwei Jahren das Establishment der Bundesliga in seinen Grundfesten erschütterte, trennen Rangnicks Team noch Welten.

Es ist die Neuauflage des besten Spiels der letzten zehn Jahre. Ganz ohne Fanfaren, ganz ohne Brimborium. Vom Rest der Welt kaum beachtet und doch irgendwie besonders. Ein Klassiker in der Lightversion...

1899 Hoffenheim im Steckbrief