Jan Rosenthal: Der Kampf gegen den Konjunktiv

Von Thomas Jahn
Bestritt 17 Spiele für die deutsche U-21-Nationalmannschaft: Jan Rosenthal vom SC Freiburg
© Getty

In Hannover galt Jan Rosenthal als talentiert, aber verletzungsanfällig. Der große Durchbruch gelang dem 24-Jährigen bei 96 nie. Beim SC Freiburg nimmt der Mittelfeldspieler nun einen neuen Anlauf. Der Wechsel scheint ein Schritt zurück zu sein. Aber nur auf den ersten Blick.
 
 

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Fußball ist einer vielzitierten Plattitüde zufolge bekanntlich kein Spiel der Konjunktive. Im Fall von Jan Rosenthal stellt sich die Sache jedoch anders dar. Worte wie "hätte", "wäre" und "eigentlich" waren in der inzwischen fünf Jahre andauernden Profikarriere des Mittelfeldspielers gleichermaßen treue wie lästige Begleiter.

In Hannover als ewiges Talent verschrien, auf der Stelle tretend und zigfach von Verletzungen zurückgeworfen, fasste Rosenthal Mut zu einem klaren Schnitt mit der Vergangenheit. Beim SC Freiburg will der 24-Jährige nun einen Neuanfang wagen, um diesen ewigen Konjunktiv endgültig hinter sich zu lassen.

Heilsbringer wider Willen

Dabei hatte die Laufbahn so vielversprechend begonnen. Mit 19 Jahren schaffte Rosi, wie Mitspieler ihn nennen, den Sprung ins Bundesligateam von 96. Fünf Jahre lang war er zuvor im Nachwuchsleistungszentrum der Roten ausgebildet worden - eine Zeit, an die er sich noch heute gern erinnert. Dank seiner feinen Technik, der Dynamik und einer enormen Laufbereitschaft war der blonde Schlacks aus dem niedersächsischen Dörfchen Staffhorst in den Fokus des Klubs gerückt.

Gleich in der ersten Saison sorgte Rosenthal mit sechs Treffern und drei Vorlagen für Aufsehen. Als Konsequenz folgte der Sprung in die U-21-Auswahl des DFB. Ein Start in die Profi-Karriere, der auf zukünftige A-Länderspiele hoffen ließ, obgleich Rosenthals Passspiel und Zweikampfverhalten noch Schwächen offenbarte.

Schnell kürte ihn die weitgehend graustufenlose hannoversche Presse zum neuen Heilsbringer - eine Verheißung, die er bei 96 nur in wenigen Momenten erfüllen konnte. Zum Beispiel im Dezember 2008, als er im Ligaspiel gegen Wolfsburg als Not-Keeper einen Elfer parierte.

"Alarm um Rosi"

"Wenn man so früh so viel erreicht, ist es eine Bürde", erklärte Rosenthal in der "Badischen Zeitung". Doch nicht bloß der Erwartungsdruck machte Jan Rosenthal zu schaffen. Ständig wiederkehrende Muskel- und Leistenverletzungen warfen ihn ein ums andere Mal zurück.

Acht Faserrisse innerhalb von 15 Monaten: "Alarm um Rosi", titelte die "Bild", in 96-Fanforen wurde er spöttisch als "Mr. Faserriss" bezeichnet. "Er hat da eine gewisse Anfälligkeit", drückte es sein ehemaliger Trainer Andreas Bergmann einmal vorsichtig aus.

In der Hierarchie weit unten

Dem Absprung von 96 war der Mittelfeldspieler oft sehr nah, doch angesichts der zahllosen Reha-Aufenthalte nahmen interessierte Vereine wie Dortmund oder Bremen stets kurzfristig Abstand von einer Verpflichtung. Zuviele Rückschläge für einen jungen Spieler, der die Dinge reflektiert?

Wo die Gründe für seine Anfälligkeit liegen bleibt Spekulation. Klar ist aber, dass Rosenthal sein zweifellos vorhandenes Potenzial bei den Roten nicht voll entfalten konnte.

Die langen Fehlzeiten hielten ihn in der Teamhierarchie weit unten, ständig musste er wieder bei Null beginnen. Der gute Rhythmus seiner überzeugenden ersten Profisaison verflüchtigte sich schnell.

"Werde anders wahrgenommen"

"Wenn ich in Hannover mal eine Woche verletzt war, dann wieder ins Training eingestiegen bin und Dinge angesprochen habe, die fußballerisch wichtig waren, dann hieß es gleich: 'Jetzt überdreh nicht und sei erstmal still'", gab er der "Badischen Zeitung" preis.

Fehlender Respekt ihm gegenüber, "Lagerbildung" und "divenhaftes Benehmen älterer Spieler" seien Dinge, die Rosenthal bei 96 gegen den Strich gingen.

Neben sportlicher Stagnation waren es also auch zwischenmenschliche Dinge, die ihm zum endgültigen Cut bewogen haben. Der erste Eindruck von Freiburg scheint den Ausbruch aus dem vertrauten Umfeld zu rechtfertigen: "Ich werde hier ganz anders wahrgenommen."

Fortschritt durch Rückschritt?

Oberflächlich betrachtet lässt sich der Wechsel in den Breisgau durchaus als Rückschritt werten, denn egal ob Stadion, Vereinsetat oder das abonnierte Saisonziel Klassenerhalt: in Freiburg ist alles ein wenig kleiner als bei 96. Für Rosenthal ist das kein Nachteil: "Ich fand die Ruhe, die der Verein im letzten Abstiegskampf zeigte, bemerkenswert. Die Mentalität sprach mich an, es gibt pressetechnisch keine unnötigen Begleiterscheinungen wie in größeren Städten", sagte Rosenthal.

Bedingungen, die dem Naturell des introvertierten Management-Studenten liegen. Der Druck im Abstiegskampf, der Hannover im vergangenen Jahr so sehr ins Wanken brachte, gehört in Freiburg eben zum Tagesgeschäft, auf das er sich einstellen kann und wohl auch muss.

"Wenn ich persönlich 25 Spiele in der Runde machen würde und mit dem SC die Klasse halte, das wäre das Schönste für mich", zitiert die SC-Homepage Rosenthal. Auch den Traum vom Nationalteam will er noch nicht final zu den Akten legen.

Ob der Wechsel zum SC ihn auf diesem Weg helfen wird, bleibt abzuwarten. Eigentlich müsste er es. Eigentlich.

Rosenthal-Transfer nach Freiburg perfekt