Torhüter fürchten sich vor neuem Flugobjekt

SID
Erstmals in der Bundesliga-Geschichte wird ab dieser Saison mit einem einheitlichen Ball gespielt
© Getty

Der neue Spielball "Torfabrik" bereitet den deutschen Torhütern schon jetzt Angst vor unberechenbaren Bällen. "Das Ding ist eine Katastrophe", titelt Mainz' Trainer Thomas Tuchel.

Anzeige
Cookie-Einstellungen

Ein UFO namens Torfabrik verbreitet vier Wochen vor dem Anpfiff der Bundesliga-Saison Angst und Schrecken. Vor allen Dingen die Torwarte fürchten, dass sie das ungeliebte Flugobjekt zu den Deppen der Nation machen könnte.

"Wir werden viel mehr Treffer sehen und Torhüter, die bei den Bällen schlecht aussehen", sagte Coach Jürgen Klopp von Borussia Dortmund und prophezeit einen tiefen Einschnitt in die Spielkultur: "Die neue Pille ist wie eine Regeländerung durch die DFL. Als wären die Tore größer gemacht worden."

Glaubt man den Kritikern, dann scheint der Name des neuen rot-weißen Bundesliga-Einheitsballs (Torfabrik) an jedem Spieltag zum Programm zu werden. Für Trainer Thomas Tuchel vom FSV Mainz 05 schlägt der Ball Haken, "als säße ein Kaninchen drin. Das Ding ist eine Katastrophe." Tuchel rechnet in der neuen Spielzeit mit so vielen vermeintlichen Torwart-Fehlern wie nie zuvor.

Spieler fordern neuen Ball

Präventiv und im Namen seiner Zunft forderte der Mainzer Schlussmann Heinz Müller in der "Bild"-Zeitung deshalb sogar schon Konsequenzen: "DFL und Adidas müssen sich zusammensetzen, wir brauchen einen Ball, der berechenbar ist. Der ist's nicht!"

Bereits bei der WM in Südafrika hatte der baugleiche "Jabulani"-Ball gleichermaßen für spektakuläre Treffer und wütende Keeper gesorgt. Italiens viermaliger Welttorhüter Gianluigi Buffon hatte ihn sogar als "Schande" bezeichnet.

Seine Kollegen geben ihm recht. "Dieser Ball ist völlig unberechenbar. Man hat keine Chance, sich einzustellen", sagte Roman Weidenfeller nach den ersten Trainingseinheiten mit der runden Wundertüte.

Dem Torsteher von Borussia Dortmund schwarnt bereits Übles für die neue Runde: "Bei den Flanken von außen segeln die Torleute doch reihenweise unten durch. Dieser Ball verändert nicht nur im letzten Drittel seine Flugbahn."

"Zu perfekt"

Französische Wissenschaftler konnten die Beobachtungen sogar belegen. Nach ihren Angaben ist das Spielgerät "zu perfekt", um eine gerade Flugbahn zu haben. Durch die Form des Balles sei der Kontakt mit dem Fuß des Spielers reduziert.

"Deshalb dreht er sich nicht um die eigene Achse. Der Ball fliegt nicht so weit, fängt aber an zu schwimmen", sagte Eric Berton vom wissenschaftlichen Institut in Marseille. Mit nur acht neuartigen, thermisch verschweißten und erstmals sphärisch geformten 3D Panels erreicht der Ball nach Angaben des Herstellers eine bisher nie da gewesene Rundheit.

Aber anscheinend auch eine gewisse Unberechenbarkeit - nicht nur für die Keeper. "Der Ball ist sicher attraktiv für die Zuschauer. Aber inzwischen sehen ihn nicht nur die Torhüter, sondern auch die Spieler kritisch", hatte jüngst der ehemalige deutsche Nationalkeeper Jens Lehmann angemerkt.

Auch Tuchel konnte nach einem Selbstversuch mit dem UFO nur ungläubig den Kopf schütteln. "Ich schieße die Bälle im Training alle genau gleich in den Mittelkreis, aber sie fliegen alle anders", sagte der FSV-Trainer in der "Mainzer Allgemeinen Zeitung" und hat Mitleid mit den Profis: "Den Protagonisten, die für Spektakel sorgen sollen, wird das Spiel durch diesen Ball erschwert."

Hersteller: "Bester Ball aller Zeiten"

Trotz der negativen Reaktionen bei der WM war der einheitliche Spielball ohne Modifikationen auf den Markt gekommen. "Die Kritik an neuen Bällen ist nicht ungewöhnlich", sagte adidas-Sprecher Oliver Brüggen dem "sid" und sieht keinen Anlass zu Veränderungen: "Fakt ist, dass die neue Technologie intensiv getestet wurde, bereits seit dem 4. Dezember 2009 in internationalen Ligen im Einsatz ist und es bis dato keinerlei Beschwerden gegeben hat."

In 60 Spielen der vergangenen Bundesligasaison war die Technologie des Torfabrik bereits zum Einsatz gekommen. Der Hersteller hält ihn weiter für den "besten Ball aller Zeiten", weil er "sehr schnell und sehr rund" sei.

Künftig werden alle Spiele der ersten und zweiten Bundesliga mit ihm gespielt. Den 36 Profiklubs soll der Fünfjahresvertrag mit dem Unternehmen aus Herzogenaurach insgesamt rund 25 Millionen Euro zusätzlich bescheren.

Der Ball wird beim Supercup am 7. August in Augsburg beim Spiel zwischen Meister Bayern München und "Vize" Schalke 04 zum ersten Mal offiziell zum Einsatz kommen. Die Torhüter zittern wohl jetzt schon.

Der Bundesliga-Spielplan für die Saison 2010/2011