Simon Kjaer: Wolfsburgs Da Vinci Code

Von Christian Bernhard
Simon Kjaer landete in der abgelaufenen Serie-A-Saison mit Palermo auf Rang fünf
© Imago

Simon Kjaer soll zusammen mit Arne Friedrich der zuletzt löchrigen Abwehr des VfL Wolfsburg Stabilität verleihen. Dabei ist der dänische Neuzugang aus Palermo erst 21 Jahre alt. Doch der Innenverteidiger hat schon jede Menge Erfahrung gesammelt und hat große Pläne - vor allem in der Offensive. Simon Kjaer im Porträt.

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Was Simon Kjaer wohl über Wolfsburg weiß? Mit Sicherheit, dass es um einiges näher an seiner dänischen Heimat liegt, als Palermo. Von Sizilien aus waren es knapp 2500 Kilometer bis in seine Geburtsstadt Horsens, jetzt sind nur noch etwas mehr als 500.

Ansonsten dürfte der Däne wohl noch nicht so viel über seine neue Stadt wissen - zumindest nicht so viel, wie ihm bei seiner Ankunft in Palermo über die sizilianische Hauptstadt bekannt war. "Die Stadt habe ich gut gekannt, denn ich habe viele Mafia-Filme gesehen", erzählte Kjaer der "Gazzetta dello Sport".

Wolfsburg statt Palermo also. Dort hat Kjaer - zusammen mit Arne Friedrich - einen klaren Auftrag: die zuletzt löchrige VfL-Abwehr zu stabilisieren. Stolze 58 Gegentore fing sich der Meister von 2009 in der vergangenen Saison ein - viel zu viele, um oben mitzuspielen.

"New York Times" vergleicht Kjaer mit Beckenbauer

"Ich hoffe, dass ich meinen Teil dazu beitragen werde, die Abwehrprobleme in den Griff zu bekommen", sagte Kjaer im Trainingslager in Going. "Ich glaube an mich und daran, dass ich die Probleme in der Abwehr lösen kann."

Der Däne ist trotz seines jungen Alters mit jeder Menge Selbstvertrauen ausgestattet. Schließlich hat Kjaer, der Leonardo Da Vincis "Letztes Abendmahl" auf seinem rechten Arm tätowiert hat, für einen 21-Jährigen bereits jede Menge Erfahrung gesammelt. 62 Serie-A-Spiele und zwei WM-Partien lassen einen schnell reifen.

Aus Südafrika ist besonders eine Szene des blonden 1,89-Hühnen in Erinnerung geblieben: Sein präziser 60-Meter-Pass, mit dem er Dänemarks 1:1 gegen Kamerun einleitete.

"Ich übe das, seit ich 15 oder 16 Jahre alt bin. Als Innenverteidiger muss man auch gut in der Spieleröffnung sein. Das alte Verteidigerspiel von früher ist doch längst überholt", sagte Kjaer nach der Partie im SPOX-Interview.

Dieser Pass brachte ihm in der "New York Times" sogar einen Vergleich mit Franz Beckenbauer ein - und dient als Anschauungsbeispiel für den Weg, den der 1,89-Hühne einschlagen möchte.

Kjaer will sich offensiv weiterentwickeln

"Ich muss mein Offensivspiel verbessern. In Italien habe ich mich nur um die Defensive gekümmert, hier muss ich mein Spiel weiterentwickeln", so Kjaer. Steve McClarens Spielweise ("Ich habe von ein paar dänischen Kollegen gehört, dass er ein Anhänger des Offensivfußballs ist") kommt ihm da sehr entgegen: "Auch das hat meine Entscheidung einfacher gemacht, weil es auch meiner Spielphilosophie entspricht."

In seinem ersten Spiel für den VfL untermauerte er diese Ambitionen bereits mit Fakten. Nach nur 22 Minuten traf Kjaer gegen Augsburg bereits. McClaren gefiel, was der Däne ihm präsentierte: "Man sieht Simons Qualität. Er kann verteidigen, aber auch mitspielen". Allerdings habe er - was die Fitness betrifft - noch "einen langen Weg vor sich", so der Coach.

Das liegt wohl auch am Training. "Es ist anders und auch härter. Die Intensität ist höher", sagte Kjaer auf die Unterschiede zu den Übungseinheiten in Palermo angesprochen. "Das Training ist gut, wir machen viel mit dem Ball. Das bin ich aus Italien nicht gewohnt."

Rafael Marquez als Vorbild

Italien. Das Land, in dem Kjaer den Schritt vom Talent zu einem der begehrtesten Innenverteidiger Europas gemacht. Inter, Milan, Juve, ManUtd, Liverpool - die Reihe der Interessenten an Kjaer las sich wie das Who-is-who des italienischen und englischen Fußballs.

Gemacht hat das Rennen aber der VfL Wolfsburg. "Wenn man 21 ist, muss man spielen und nicht auf der Bank sitzen und auf seine Chance warten. Ich wollte ein Team mit Perspektive, bei dem ich Stammspieler sein kann. Ich wollte in einem Team spielen, dass die Möglichkeit hat, um Titel mitzuspielen", sagte Kjaer, der sich zu Beginn seiner Italien-Zeit an Barcas Rafael Marquez orientiert hatte: "Sein Spielstil gefällt mir sehr gut. Er leitet Spielzüge ein und spielt gute Pässe."

Auf Sizilien war der Däne nach seiner Ankunft im Winter 2009 Schritt für Schritt zu einem der besten Innenverteidiger der Serie A gereift. Für Alberto Cavasin, Ex-Trainer von Lecce, muss man "bis zu den Zeiten des jungen Alessandro Nesta" zurückgehen, um einen ähnlich starken Verteidiger in diesem Alter zu finden.

Zweiteuerster Abwehr-Transfer der Bundesliga

Da ist es wenig verwunderlich, dass vor Kjaers Transfer von Midtjylland nach Palermo bereits Real Madrid auf seinen Spuren gewesen sein soll. Kjaers Weg war eben schon immer früh vorgezeichnet: Mit 19 Jahren wurde er bereits in das dänische A-Team einberufen und 2009 gewann er die Wahl zu Dänemarks Talent des Jahres - vor einem gewissen Nicklas Bendtner.

Jetzt ist Kjaer mit einer Ablösesumme von rund 12 Millionen Euro der zweitteuerste Verteidiger-Transfer der Bundesligageschichte - hinter Andrea Barzagli, seinem Vorgänger in Palermo. Kjaers Konto wird sich ebenfalls freuen: Sein Gehalt wird von 400.000 Euro auf rund 2,5 Millionen erhöht - und damit mehr als versechsfacht.

Und noch eine Sache dürfte Kjaer gefallen: Die Eingewöhnungszeit in Wolfsburg wird um einiges kürzer ausfallen, als auf Sizilien.

"In Dänemark essen wir gegen 18-18.30 Uhr zu Abend. Wenn ich hier um 20 Uhr in ein Restaurant auftauche, werfen sie mich raus, weil ich zu früh da bin", erzählte Kjaer schmunzelnd zum Beginn seiner Palermo-Zeit. Das wird ihm in Wolfsburg nicht passieren.

Simon Kjaer im Steckbrief