Zwischen Koks, Nutten und Filmriss

Von Oliver Kucharski
Die Text-Bild-Schere zwischen Butt-Bild und Koks-Überschrift ist gewollt. Fanden wir lustig.
© Imago

Die Feier-Biester aus München schlafen bei ihrer eigenen Party ein, Schalke dagegen trinkt sich die Scheiß-Vizemeisterschaft schön. Die Alternative Liste trinkt mit.

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1. Triple-Drittel: Vor Anpfiff dieses wahnwitzigen 33. Spieltages hatte Ailton also kurz noch seinen Meistertipp unter die Leute gebracht: "Mein Tipp ist: Ich weiß es nicht!", und genau so kam es dann ja auch, der FC Bayern holte sich das erste Triple-Drittel, wusste damit aber nur wenig anzufangen und schlief beim Feiern beinahe ein. Die größte Enttäuschung dabei: Louis van Gaal, der sich selbst erst vollmundig als "Feier-Biest" anpries und dann auf die Frage, ob er sich jetzt ordentlich Rioja reinstellen würde, kleinlaut antwortete: Nein, das ginge nicht, er hätte ja schon Schampus getrunken, und wenn er da jetzt rummische, dann bekäme er Kopfschmerzen morgen. Und ganz ehrlich: Unter "Feier-Biest" hätten wir uns eher eine dieser töpperwienesquen Nächte irgendwo zwischen Koks, Nutten, Filmriss und Selbstanzündung vorgestellt. Das muss nach den nächsten zwei Triple-Dritteln bitte deutlich besser werden!

2. Trotzdem, klar: Glückwunsch, FC Bayern! Vor allem freuen wir uns mit Hans-Jörg Butt. Denn der holte nun im stolzen Alter von 35 Jahren seinen ersten richtigen Titel, nachdem er 2002 ja schon alle drei Drittel vom Vize-Triple gewonnen hatte. Verständlich, dass Butt, der sonst so kühle Oldenburger, nun also feiertechnisch endlich mal komplett ausrastete: Er lief in die Kurve. Klatschte dort Fans ab. Und lächelte dabei. Da hatte sich offenbar einiges angestaut. Schön, dass es nun endlich mal raus konnte.

3. Abstieg, schleichend: Schon über fünf Jahrzehnte lang angestaut hat sich das alles auf Schalke. Und es staut jetzt auch erstmal bis auf weiteres weiter. Nächste Saison: nächster Versuch. Bis dahin nimmt man, was man kriegt und feiert jetzt halt die Scheiß-Vizemeisterschaft und nennt sie eben Vizemeisterschaft der Herzen und merkt dabei gar nicht, was für ein bitterer, tragischer Abstieg das ist: Vom Beweinen der Meisterschaft der Herzen zum Bejubeln der Vizemeisterschaft der Herzen in nicht mal zehn Jahren. Und das unter Felix Magath.

4. Neu: sportliche Gründe: Richtig blöd gelaufen ist es auch für Kevin Kuranyi. Denn so rein zwischenmenschlich wäre Jogi Löw jetzt, nach all den Jahren und all dem öffentlichen Druck, also doch so langsam bereit, diese ganzen ollen Kamellen wegen Russland und der Tribüne und der Flucht damals zu vergessen und Kevin Kuranyi wieder für die Nationalelf zu berufen: Schwamm drüber, Kev! Was für ein beschissenes Timing also, dass es ausgerechnet jetzt sportlich nicht mehr läuft: Schon seit vier Spielen hat Kevin Kuranyi kein einziges, lausiges Tor mehr erzielt. Und in dieser Form kann man ihn in Südafrika nun wirklich nicht gebrauchen. Bei aller Liebe. Das ist schon wirklich Pech. Aber da kann ja Jogi Löw jetzt nichts für.

5. Spannungswahnsinn: Das Tolle am 33. Spieltag: Es ist noch nicht ALLES entschieden! Es ist zum Beispiel noch offen, wer sich in der Quali zur Champions League dann wieder mit irgendeinem ranzigen Ostblock-Klub messen darf. Auch ist noch fraglich, welcher stolze Bundesligist sich nächstes Jahr im Verlierercup von der europäischen Mittelmäßigkeit veralbern lassen wird. Außerdem brennt die Bundesliga noch auf die Beantwortung der Frage, wessen Gewürge sie sich auch kommende Saison in voller Länger antun muss: Bochum, Nürnberg, Hannover? Es fällt in der Tat schwer, auf diese Antworten noch eine ganze, verdammte Woche warten zu müssen.

6. Imagine: Die besten Chancen hat nun Hannover. Schützenfest gegen Gladbach. Und Mike Hanke macht sein erstes Saisontor. Und jubelt: "Das ist besser als Sex!" Was, ob man das nun will oder nicht, ja unweigerlich zu dieser Frage führt: Wenn man es mit jemandem zu tun hat, der sich neunzig Minuten lang nicht regt, nicht rührt, nichts macht, außer gelangweilt, unbeteiligt, emotionslos darauf zu warten, dass es endlich vorbei ist, und Sie, Mike Hanke, das ernsthaft besser als Sex finden, wie sieht dann bitte Ihr - ach, man möchte es ja lieber doch nicht wissen...

7. Versöhnung: Wieder alles super ist beim HSV. Fußball wie aus einem Guss. Leidenschaft, Einsatz, Spielkunst, das ganze Gedöns. Vier Tore, gegen den Club, Fußballfest, Versöhnung mit den Fans, alles wieder in Ordnung. Und das ist ja überhaupt das Tolle am Fußball: Man kann wochenlang nichts als Scheiße bauen - aber mit nur einem einzigen guten Spiel kann man das alles ganz locker wieder ausbügeln. Das ist so toll!

8. Glaube, irgendwie: Und nächste Saison wird es sogar noch besser. Zum Beispiel mit Ricardo Moniz. Ein HSV-Fan schrieb im Forum: "Behalten den Mann, irgendwie glaube ich, er wäre ein Glücksgriff." Und irgendwie glauben auch wir, dass das so ist. Und außerdem glauben wir, irgendwie, dass dieser unscheinbare Foren-Eintrag ein erster Schritt zum fantechnischen Schulterschluss mit dem ewig zu Unrecht kritisierten Bernd Hoffmann ist. Der glaubt ja auch immer irgendwie aus dem Bauch heraus, dass das und das und das, und dann fliegt plötzlich Dietmar Beiersdorfer und kommt Bruno Labbadia, und immer kann man ja gar nicht richtig liegen. Aber bei den nächsten Entscheidungen, glauben wir, da könnte es alles wieder passen in Hamburg, irgendwie. Denn Fußball ist zwar keine Mathematik, ein bisschen Wahrscheinlichkeitsrechnung wird aber doch wohl drin sein.

9. Rückgrat und Würde: Wobei es immer noch schlimmer geht. In Bochum zum Beispiel. Da wurde Heiko Herrlich vergangene Woche von der Bild-Zeitung entlassen. Weil er denen mal bisschen die Meinung gegeigt hatte. Dass die ihn nicht kleinkriegen würden. Dass er Rückgrat hätte, sich seine Würde erhalten würde, usw. usf., und dann wurde er entlassen, und nun muss er sich wenigstens erstmal nicht mehr mit diesen Leuten herum ärgern. Und auch endlich keine Klamotten mehr mit "Netto" drauf tragen. Das ist aus Sicht der AL würdetechnisch ebenfalls ein großer Schritt nach vorn. Daher: Glückwunsch auch an Sie, Heiko Herrlich!

10. Tschüss: Was war das für ein Bild! Der sonderbare alte Mann, plötzlich ganz gelöst und milde und zum In-den-Arm-nehmen. Als er da so stand, mit Abschiedsgeschenk, Familie, Regenschirm, mitten auf der Stuttgarter Baustelle, und tapfer gegen die Tränen anlächelte, da weinte sogar der Himmel. Dann lief der sonderbare alte Mann eine Ehrenrunde, ganz ohne irgendwo hin zu pinkeln, klatschte ein paar Fans ab, ganz ohne ihnen was wegzunehmen, und sagte dann ganz kurz, ganz einfach: "Tschüss!", ganz ohne dabei noch irgendwen blöd von der Seite anzupöbeln. Dann ging er ab. Einfach so. Tschüss, sonderbarer alter Mann. Wir werden dich vermissen. Sehr. Ganz ehrlich.

11. Gewinnspiel: Abschließende Glückwünsche gehen an die Hertha. Denn seit Monaten stand der Abstieg zwar permanent im Raum, nie aber wirklich: fest, und eine solche Ungewissheit zehrt an den Nerven, das kann einen auf Dauer richtig fertig machen, so was, und damit ist es nun endlich vorbei, und das sogar einen Spieltag vor Schluss, und auch zu so was kann man mal gratulieren. Weil die AL neben aller Gratuliererei aber auch ihren Bildungsauftrag nicht vernachlässigen will, gibt es zum Abschluss noch ein kleines Quiz: Welcher Klub ist nach dem Abstieg der Hertha nun der geografisch östlichste der Bundesliga?

A) Bayern München
B) Wismut München
C) Pneumatik München

Na? Eine Idee? Dann schicken Sie die richtige Antwort doch bitte per SMS an SPOX. Zu gewinnen gibt es auch was. Zum Beispiel eine Sauftour mit Louis van Gaal, eine Locke von Jens Lehmann und ein handsigniertes  Kamasutra von Mike Hanke. Sie sehen: Es lohnt sich. Wir wünschen viel Glück.

Der 33. Spieltag im Überblick