Bruchhagen: Skibbe hat Erwartungen übertroffen

SID
Heribert Bruchhagen ist seit 2003 Vorstandsvorsitzender bei Eintracht Frankfurt
© Getty

Heribert Bruchhagen blickt auf eine gute Saison seiner Eintracht. Im Interview spricht der Vorstandsboss der Frankfurter über Ziele der Eintracht, Geld und die Nationalmannschaft.

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Heribert Bruchhagen redet Klartext. Der Vorstandsboss vom Bundesligisten Eintracht Frankfurt bezieht im Interview klar Stellung. Dabei sieht der 61-Jährige die sportliche Entwicklung der Eintracht unter Trainer Michael Skibbe äußerst positiv, die Chancen der deutschen Nationalmannschaft auf den vierten Titel bei der WM in Südafrika eher skeptisch. "Ich weiß nicht wirklich, wo die Qualität für den WM-Titel herkommen soll. Gegen Argentinien war die Mannschaft zuletzt chancenlos", sagte Bruchhagen.

Frage: Heribert Bruchhagen, am Sonntag kehrt Friedhelm Funkel mit Hertha BSC Berlin zurück an seine alte Wirkungsstätte in Frankfurt. Besonders vermisst haben ihn die Eintracht-Fans zuletzt nicht. Unter Nachfolger Michael Skibbe peilt das Team das beste Saisonergebnis seit zehn Jahren an und schielt sogar noch mit einem Auge Richtung Europacup. Wie sehen Sie die Eintracht unter Trainer Skibbe?

Heribert Bruchhagen: Michael Skibbe hat die Erwartungen nicht nur erfüllt, er hat sie in seinem ersten Jahr sogar übertroffen. Wir haben mit Sebastian Jung und Pirmin Schwegler zwei Spieler bekommen, die Qualität in unser Passspiel gebracht haben. Zudem ist es Michael Skibbe gelungen, ein wenig Caio in unser Spiel zu bringen. Michael hat es geschafft, das Team spielerisch weiterzuentwickeln.

Frage: Der Eintracht blüht also eine rosige Zukuft...

Bruchhagen: Wir sind richtig gut dabei. Aber es ist keine Vision, ein Holzpferd zehn Meter hochspringen lassen zu wollen. Und ich halte es auch für falsch, aus dieser Saison direkt Rückschlüsse für die Zukunft zu ziehen. Jürgen Klopp war ein Held in Mainz, fünf Jahre lang galt das Modell Freiburg als Vorbild, ehe die Rangnick-Schule gefeiert wurde. In eine erfolgreiche Saison wird gerne viel hineininterpretiert. Wenn ein Jahr mal nicht so läuft, war alles gleich schlecht. Von diesen Meinungsströmen darf man sich nicht treiben lassen.

Frage: Käme die Teilnahme an der Europa League für die Eintracht noch zu früh?

Bruchhagen: Meine persönliche Einschätzung ist die, dass eine Qualifikation unrealistisch ist. Für das Marketing ist natürlich die Aussage besser, dass es töricht wäre, wenn wir nicht alles dafür tun würden, um international dabei zu sein. Realistisch befinden wir uns im Kampf um Platz sechs mit dem deutschen Meister VfL Wolfsburg, der besten Rückrundenmannschaft VfB Stuttgart und dem Hamburger SV nicht auf Augenhöhe. Die drei Teams haben alle mindestens einen doppelt so hohen Lizenzspieleretat wie Eintracht Frankfurt.

Frage: Laut Finanzchef Thomas Pröckl strebt die Eintracht in der kommenden Saison einen Etat von 27 Millionen Euro an. Da wären doch die zusätzlichen Einnahmen aus der Europa League gewiss ein warmer Regen, oder?

Bruchhagen: Die Branche hat ja einmal mehr nicht richtig aufgepasst. Denn bei der Entscheidung über die Verteilung der Einnahmen wurde die Teilnahme an der Champions League ja weitaus höher bewertet als die Teilnahme an der neuen Europa League. Dadurch entsteht noch mal ein deutlicher wirtschaftlicher Abstand zwischen den Europa-League- und den Champions-League-Teilnehmern. Die Vereine hätten damals auf die Barrikaden gehen müssen, haben es aber einmal mehr als gottgegeben hingenommen.

Frage: Die Liga scheint beim Thema Verteilerschlüssel öfter mal nicht aufzupassen...

Bruchhagen: Meiner Ansicht nach wurde 1992 ein historischer Fehler gemacht, als die Übertragungsrechte der Bundesliga von RTL zu Sat.1 wechselten. Damals wurde zum ersten Mal ein Verteilerschlüssel eingeführt, der die Fernsehgelder nach der Tabellenplatzierung staffelte. 1994 übertrug Sat.1 dann Livespiele aus der Bundesliga und schüttete eine Million Mark pro Spiel aus. Da sich der Sender natürlich oft für Bayern entschied, floss das Geld verstärkt dorthin. Aber wir haben dies mehrheitlich beschlossen und damit müssen wir leben.

Frage: Welche Auswirkungen hatte das?

Bruchhagen: 1992 betrug der Unterschied zwischen den Etats von Bayern München und Eintracht Frankfurt 40 Prozent. Heute sind es 500 Prozent. Und es wird immer extremer. Ich will damit nichts schlecht reden. Aber nach 34 Spieltagen steht jeder Verein am Ende wieder da, wo er hingehört. Überraschungen und Ausschläge gibt es kaum. So gehören trotz einer schwachen Hinrunde auch der VfB Stuttgart und der VfL Wolfsburg am Ende wieder zu den ersten acht Mannschaften.

Frage: Kommen wir zum DFB und seinen Problemen. Würden Sie es akzeptieren, wenn Michael Kempter am Sonntag das Spiel gegen Berlin leitet?

Bruchhagen: Das sehe ich völlig problemlos. Kempter hat sich in seinen ersten Jahren als talentierter Nachwuchsschiedsrichter herauskristallisiert. Er hat seine Leistungen gebracht, deshalb sehe ich keinen Grund, warum man ihn nicht einsetzen sollte.

Frage: Bundestrainer Joachim Löw hat ebenfalls mit Sorgen zu kämpfen. Wie bewerten Sie die Situation bei der Nationalmannschaft knapp zwei Monate vor WM-Beginn?

Bruchhagen: Ich halte die Diskussion um Kevin Kuranyi für reichlich überzogen, denn auf internationaler Ebene ist er kein großer Stürmer. Zudem muss man sagen: Ich weiß nicht wirklich, wo die Qualität für den WM-Titel herkommen soll. Gegen Argentinien war die Mannschaft zuletzt chancenlos. Michael Ballack ist aktuell nicht mehr der Michael Ballack, der er mal war. Auch ein Per Mertesacker oder ein Arne Friedrich haben zuletzt nicht das Niveau gezeigt, dass wir bei der WM 2006 gesehen haben. Auch Mirolsav Klose und Lukas Podolski sind im Augenblick nicht in Form. Bis auf Marko Marin haben derzeit fast alle Spieler Probleme. Aber ich habe großes Vertrauen in Löw und sein Team.

Skibbe sieht seine Zukunft bei der Eintracht