Amerell klagt an - und wird selbst angezeigt

SID
Manfred Amerell wird von mehreren Schiedsrichtern der sexuellen Belästigung bezichtigt
© Getty

Es geht vor Gericht: Die Beteiligten in der Sex-Affäre verklagen sich gegenseitig, Gewinner im Skandal gibt es aber keine. Nun rückt sogar die FIFA von Michael Kempter ab.

Anzeige
Cookie-Einstellungen

Der Schiedsrichter-Skandal beim DFB um vermeintlichen Amtsmissbrauch und sexuelle Belästigungen wird zur strafrechtlichen Auseinandersetzung und zum Kriminalstück.

Nach dem früheren Schiedsrichterbeobachter Manfred Amerell kündigte auch mindestens ein Referee Strafanzeige für die nächsten Tage an.

Während der kaltgestellte Unparteiische Michael Kempter laut Weltverband FIFA bis auf Weiteres auch kein Länderspiel leiten wird, gerät DFB-Präsident Theo Zwanziger immer mehr ins Kreuzfeuer der Kritik.

Amerell verklagt vier Referees

Amerell erhöhte am Montag den Druck und kündigte über seinen Anwalt Jürgen Langer noch für diese Woche strafrechtliche Schritte gegen Kempter und die drei weiteren, bislang anonymen Schiedsrichter an, die ihm sexuelle Belästigung vorwerfen.

Demnach will Amerell nicht nur Kempter wegen angeblicher Verleumdung und Rufschädigung zivilrechtlich auf Schadenersatz in unbestimmter Höhe verklagen, sondern auch Strafanzeige gegen alle vier Personen stellen.

"Das ist ein Müllberg"

"Vor uns liegt kein Scherbenhaufen, das ist ein Müllberg", sagte Amerell der "Süddeutschen Zeitung" mit Blick auf den juristischen Streit.

Im Gegenzug wird mindestens ein bislang anonymer Schiedsrichter Anzeige gegen Amerell wegen sexueller Belästigung und Nötigung stellen.

"Bislang steht es gefühlt 3:1 für Amerell. Aber das Spiel ist ja noch lange nicht abgepfiffen", wird ein Insider in der "Welt" zitiert.

Schiedsrichter geht an die Öffentlichkeit

Derweil hat ein in den Skandal verwickelter Referee angekündigt, sich im Laufe der Woche zu erklären und Amerell anzuzeigen.

Wie der "Kicker" berichtet, soll es sich bei dem Schiedsrichter-Quartett aber nicht um Unparteiische aus der 1. und 2. Liga handeln.

Kempter: Auch kein Länderspiel

Kempter wird unterdessen in näherer Zukunft keine Länderspiele leiten. Das sagte ein Sprecher des Weltverbandes FIFA.

Amerell hatte zuletzt bereits gespottet: "Kempter wird sich das FIFA-Abzeichen nur auf den Schlafanzug nähen können."

Laut FIFA liegt die "Verantwortung bei der Aufarbeitung" des Falls weiter beim DFB.

Die Frage nach einer Ansetzung von Kempter bei Länderspielen stelle sich zurzeit aus FIFA-Sicht nicht. Bis zur WM in Südafrika (11. Juni bis 11. Juli) gebe es Testspiele, bei denen die Ansetzung der Schiedsrichter von den jeweiligen nationalen Verbänden vorgenommen werde.

Für die WM ist Kempter ohnehin nicht vorgesehen.

Kempter bangt um Laufbahn

Ob Kempter, mit 27 Jahren jüngster deutscher FIFA-Referee, seine Karriere überhaupt fortsetzen darf, ist äußerst fraglich.

Amerell hatte in der vergangenen Woche eine angebliche Mail von Kempter vor dem 0:2 von Bayern München in der Champions League am 11. April 2007 gegen den AC Mailand veröffentlicht.

In dieser Mail hieß es: "Hoffentlich fliegen die Bayern gleich raus, dann können wir anstoßen." Zudem hatte Amerell die Glaubwürdigkeit von Kempter in Bezug auf die Belästigungsvorwürfe extrem erschüttert.

DFB-Präsident in der Kritik

DFB-Boss Zwanziger gerät in den Medien wegen der Aufarbeitung vor der Präsidiumssitzung am Freitag immer mehr unter Beschuss.

"Der vollmundig propagierte Vorrang des Persönlichkeitsschutzes ist geopfert worden, damit der Präsident und sein Verband ihr Gesicht wahren können", schrieb die "Süddeutsche Zeitung", nachdem der DFB Amerell Einblick in die Eidesstattlichen Versicherung der Referees, die eigentlich anonym bleiben wollen, gewährt hatte.

Einbruchversuch bei Amerell-Anwalt

Zudem wird der Schiedsrichter-Skandal auch zum Kriminalstück.

Nach dem Einbruchversuch in der Nacht zu Freitag in die Kanzlei Paproth, Metzler und Partner, für die Amerells Anwalt Langer arbeitet, hat die Münchner Kriminalpolizei die Spuren gesichert.

"Es gibt hier zwei Türen. Die erste wurde geknackt, die zweite schafften die Täter nicht", hatte Lutz Paproth erklärt.

Juristen prüfen Vergangenheit

Unterdessen durchleuchtet der Süddeutsche Fußballverband (SFV) die früheren Tätigkeiten von Amerell, der im SFV jahrelang Chef des Schiedsrichter-Ausschusses war.

Es gehe unter anderem darum, wie der Auf- und Abstieg bei den Schiedsrichtern geregelt worden sei, sagte der SFV-Vorsitzende Rolf Hocke dem "Kicker".

Für die Ermittlungen hat Hocke eine Kommission aus fünf Juristen zusammengestellt. Den Vorsitz der Kommission soll Wolfgang Ziehr, Oberstaatsanwalt in Trier, übernehmen.

Kempter will sich bei Bayern entschuldigen