"Grafite setzt sich zu sehr unter Druck"

Von Interview: Florian Bogner
Grafite traf in dieser Saison erst sechs Mal für den deutschen Meister
© Getty

Vom Interimstrainer zum Hoffnungsträger - zumindest bis zum Ende der Saison. Lorenz-Günther Köstner soll den tiefen Fall des deutschen Meisters VfL Wolfsburg aufhalten. Bei SPOX erklärt der Trainer seine Methoden und spricht über Grafites Leistungseinbruch und mögliche Verstärkungen aus der zweiten Reihe.

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SPOX: Lorenz-Günther Köstner, wie gut tut es, von Dieter Hoeneß gesagt zu bekommen, dass man das Jahr als Trainer der ersten Mannschaft zu Ende bringen darf?

Lorenz-Günther Köstner: Ich habe wiederholt betont, dass es nicht um meine Person geht. Natürlich ehrt mich das Vertrauen, und ich arbeite mit Engagement, um die Mannschaft wieder in die Spur zu bringen. Aber es zählen im Moment allein der VfL und die Mannschaft.

SPOX: Wenn der Trainer zeitlich befristet im Amt ist, besteht dann die Gefahr von Alibis für die Spieler?

Köstner: Es wäre schade, wenn es Spieler gäbe, die so denken würden. Denn ein Spieler sollte immer bereit sein, die beste Leistung zu bringen. Egal, welcher Trainer das Sagen hat.

SPOX: Nach dem Bayern-Spiel griffen Sie die Spieler hart an, meinten, man müsse auch mal auf dem Trainingsplatz eine Reaktion zeigen. Trainiert die Mannschaft zu lasch?

Köstner: Nein. Die Spieler arbeiten sogar hochkonzentriert. Was mir noch fehlt, ist die Aggressivität im Training, der Biss. Das hat in dieser Woche schon gut funktioniert.

SPOX: Sie haben nach dem Bayern-Spiel gesagt: 'In Spielen gegen derart starke Gegner haben wir es noch nicht wieder verdient, Erfolge zu feiern.' Wie meinten Sie das?

Lorenz-Günther Köstner: Ich meinte damit, dass wir den Sieg noch nicht verdient hatten. Wir müssen den Gegner insgesamt besser bekämpfen, auch wenn er FC Bayern München heißt. Und die Gegentore dürfen nicht so einfach fallen.

SPOX: Was genau haben sie taktisch bislang verändert? Was würden Sie gerne noch verändern?

Köstner: Ich arbeite daran, der Mannschaft wieder mehr Stabilität und Selbstvertrauen zu geben. Die Mannschaft muss dafür kompakter auftreten, und sie muss enger stehen. Das funktioniert nicht von heute auf morgen, aber wir sind auf einem guten Weg.

SPOX: Namentlich haben Sie in der letzten Woche auch Zvjezdan Misimovic kritisiert. Sie sagten, er müsse mehr ackern. Nun schlug dieser nach seiner Auswechslung beim Bayern-Spiel im Kabinengang sauer gegen die Wand. Provokativ gefragt: Haben Sie beide ein Problem miteinander?

Köstner: Nein, wir haben kein Problem miteinander. Es ist normal, dass ein Spieler unzufrieden ist, wenn er ausgewechselt wird. Das war ich früher auch. Gleichwohl sprechen wir über diese Situation. Man sollte das Ganze aber nicht zu hoch aufhängen.

SPOX: Wie ist Grafites Leistungseinbruch zu erklären?

Köstner: So einfach ist das nicht zu erklären. Man darf nicht vergessen, dass nach der Meisterschaft eine Menge auf ihn eingestürzt ist. Er war der Torjäger der Saison und wird jetzt natürlich mit ganz anderem Maß gemessen. Er ist bemüht, an seine Form anzuknüpfen, aber vielleicht setzt er sich dabei zu sehr selbst unter Druck. Vor dem Spiel gegen Bayern München hat er freiwillig Sonderschichten eingelegt. Das erwarte ich von einem Profi. Es zeigt mir aber auch, dass er gewillt ist.

SPOX: Haben einige Spieler auch nach neun Spielen ohne Sieg den sprichwörtlichen Schuss noch nicht gehört? Wissen manche nicht, was auf dem Spiel steht? Immerhin läuft der VfL Gefahr, nach dem Meister-Jahr wieder im Liga-Mittelmaß zu verschwinden - und Spieler wie Dzeko zu verlieren.

Köstner: Jeder Spieler ist herzlich eingeladen, den Weg mitzugehen, um für die Mannschaft und für den Verein in der prekären Situation den Bock wieder umzustoßen. Und jeder einzelne hat auch den Anspruch, wieder eine bessere Leistung zu zeigen. Nur liegen Anspruch und Wirklichkeit derzeit auseinander. Wir müssen dahin kommen, wieder ein Erfolgserlebnis zu haben. Und was Edin Dzeko betrifft: Diskussionen um seine Person gab es schon in der letzten Saison und auch direkt nach der Meisterschaft, das hat mit der aktuellen Situation nicht zu tun.

SPOX: Muss man die Saisonziele korrigieren? Wenn ja, wie lauten sie?

Köstner: Darüber brauchen wir in unserer Situation nicht zu sprechen. Unser kurzfristiges Ziel ist ein Erfolg am Samstag in Leverkusen. Darauf arbeiten wir in jeder Trainingseinheit hin. Es geht allein darum, Boden unter den Füßen zu bekommen und die Mannschaft wieder zu stabilisieren.

SPOX: In der Winterpause wurde viel über Neuzugänge spekuliert, gekommen ist letztendlich mit Rever nur ein Spieler - und der fällt auch noch unglücklicherweise eine Weile aus. Waren Sie in den Prozess der Spielertransfers mit eingebunden? Haben Sie Anforderungen an den Vorstand bzw. an Hoeneß, was die nächste Saison betrifft? Tauschen Sie sich aus?

Köstner: Natürlich tauschen wir uns aus. Aber ich möchte noch einmal unterstreichen, dass ich keinerlei Forderungen und Bedingungen gestellt habe, als man mich bat, die Aufgabe zu übernehmen.

SPOX: Sie waren zuvor Trainer der 2. Mannschaft, die in der Regionalliga eine gute Rolle spielt. Bislang haben Sie noch keinen ihrer alten Schützlinge in das erste Team beordert - haben Sie sich diesen Schritt aufgehoben? Gibt es Überlegungen, mal einen jungen Abwehrspieler wie Daniel Reiche oder Julian Klamt ins kalte Wasser zu werfen?

Köstner: Diese Möglichkeit beziehen wir natürlich mit in unsere Überlegungen ein. Ich weiß um die Stärke meiner Spieler und es ist gut möglich, dass der eine oder andere eine Chance bekommt. Julian Klamt hat unter der Woche bereits bei den Profis ausgeholfen, und aufgrund der Verletzung von Torwart André Lenz trainiert auch René Melzer bei uns.

SPOX: Würden Sie sich dagegen wehren, auch über die Saison hinaus als Trainer der Ersten zu fungieren? Was muss eintreten, damit Sie sich das vorstellen können?

Köstner: Mit dieser Frage beschäftige ich mich nicht. Ich bin jetzt Trainer der ersten Mannschaft und weiß, dass ich anschließend wieder zu meiner Zweiten in die Regionalliga zurückgehen kann.

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